Buchtipp: „Irgendwann kommt in Europa der große Knall“

Von Tim Rahmann, Wirtschaftswoche

Walter Krämer, Initiator des Ökonomen-Aufrufs von 2012, glaubt nicht an eine Wende zum Guten in der Euro-Krise. Im Interview erklärt der Wirtschaftsprofessor, wie der Euro unseren Wohlstand gefährdet, wieso es keinen zweiten Protestbrief geben wird – und warum er griechische Staatsanleihen hält.

Prof. Dr. Walter Krämer, leitet das Institut für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der TU Dortmund und hat den Protestbrief initiiert. Seine Begründung: „Viele wissen gar nicht, auf was wir uns da einlassen. In zehn oder 15 Jahren müssen wir unser Rentensystem plündern, um irgendwelche maroden Banken zu retten – oder was noch schlimmer wäre, die Notenpresse anwerfen.“

WirtschaftsWoche: Herr Krämer, Sie schreiben in Ihrem neuen Buch „Kalte Enteignung“: „Der Euro bedroht uns dreifach – durch Inflation, den Wertverfall deutschen Auslandsvermögens und durch Kreditausfälle in Südeuropa, für die der Steuerzahler bürgt“. Welches ist momentan die akuteste Gefahr?

Walter Krämer: Die Kreditausfälle sind sicherlich das derzeit größte Risiko. Griechenland wird niemals in der Lage sein, die riesigen Staatsschulden aus eigener Kraft abzubauen. Dass Schuldenschnitte in der Euro-Zone kein Tabu sind, haben wir ja auch schon gesehen. Rund 100 Milliarden Euro mussten Gläubiger beim ersten Griechenland-Hilfspaket abschreiben.

Wann kommt der nächste Schuldenschnitt?

Das hängt davon ab, wie generös die Europäische Zentralbank weiterhin beim Ankauf von Staatsanleihen und beim Gelddrucken ist. Mit ihrer Ankündigung, den Euro auf jeden Fall zu verteidigen, werden die Probleme der Krisenländer überspielt. Gelöst sind sie dadurch nicht. Irgendwann kommt in Europa der große Knall.

Das wäre die Insolvenz Griechenlands – oder das Aufflammen von Inflation im gesamten Euro-Raum.

Genau. Eine Notenbank kann einen Schuldenschnitt verhindern und bis zum Exzess Geld drucken. Das hat Deutschland ja 1923 bewiesen. Eine Hyperinflation aber wäre schlimmer als jeder Staatsbankrott. Deswegen wird es wahrscheinlich weitere Schuldenschnitte geben und eine moderate Inflation im Euro-Raum. Das träfe Sparer wie Steuerzahler gleichermaßen.

Sie schreiben, dass Hilfsprogramme der europäischen Steuerzahler eigentlich unnötig seien, weil beispielsweise die Griechen ihre Staatsschulden selbst tilgen könnten.

Ich habe einfach mal das griechische private Geldvermögen und die Schulden des Landes gegenübergestellt. Es zeigte sich: Zu dem Zeitpunkt, als die griechischen Staatsanleihen auf nur noch 20 Prozent des Nennwertes notierten, waren die gesamten griechischen Schulden niedriger als das Geldvermögen der Bürger. Sprich: Griechenland hätte sich aus eigener Kraft entschulden können, ohne dass die Bürger ihre Immobilen hätten verkaufen müssen und in die Armut getrieben worden wären.

Sie sprechen sich für eine Verstaatlichung von griechischem Privatvermögen aus?

Ich liefere einen Denkansatz, wie Griechenland aus eigener Kraft gesunden kann. Bevor man die europäischen Steuerzahler anpumpt, sollte man selbst schauen, ob man den Karren nicht eigenständig aus dem Dreck ziehen kann. Das ist möglich. Aber gleichzeitig nur eine Möglichkeit von vielen.

Nennen Sie uns eine zweite.

Das Tragische an der Schuldenkrise ist doch, dass besonders die Arbeitnehmer, die Rentner und die jungen Erwachsenen, die auf Jobsuche sind, betroffen sind. Gleichzeitig gibt es insbesondere in den Krisenländern große Vermögen. Hier sollte gegengesteuert werden. Das heißt gar nicht, dass ich große Steuererhöhungen fordere, sondern vielmehr, dass bestehende Gesetze angewandt werden und zunächst einmal jeder seine Abgaben zahlt. Die Steuerbehörden in Südeuropa müssen effektiver werden und härter gegen Steuersünder vorgeben. Zwischen 20 und 30 Billionen teilweise illegal beiseite geschaffter Euros dümpeln weltweit auf Steueroasen herum. Könnte man die anzapfen, wäre die Euro-Krise morgen Früh zu Ende.

Quelle und hier geht es weiter: Wirtschaftswoche