Ein Kleinod kurz vor Afrika – die Insel Gavdos.

Viele Besucher Süd (-west) Kretas kennen sie zumindest vom Sehen her – die Insel Gavdos, die zusammen mit ihrer kleineren Schwesterinsel Gavdopoula etwa 36 km südlich von Kreta liegt und damit die südlichste Insel Europas ist.

Die geringste Entfernung zur afrikanischen Nordküste beträgt 260 Kilometer. Die Insel misst in Nord-Süd-Ausdehnung ungefähr 9 km, von Ost nach West rund 5 km, ihre Fläche bedeckt zirka 30 km². Bis zu 368 m hohe Felsen und niedrige Nadelwälder bestimmen das Landesinnere, an den Küsten finden sich teils sagenhaft schöne Sandstrände. Zusammen mit ihrer unbewohnten kleineren Schwesterinsel Gavdopoula bildet sie die südlichste griechische Gemeinde.

Gavdos und Gavdopoula sind ein wichtiger Rastplatz für Zugvögel auf ihrem Weg von oder nach Afrika, auf Gavdopoula wurden über 120 Arten registriert. In den von der Quelle Agios Georgios gebildeten Becken wurden sogar Wasserschildkröten gesichtet
Von hier aus (Paleochora) sind Gavdos und Gavdopoula ulkigerweise meist an Schlechtwettertagen gestochen scharf zu sehen – bei gutem Wetter verschwinden sie oft im Dunst.

Eine Insel mit langer Historie

In der Antike wurde Gavdos mit „Ogygia“ (Ὠγυγία) gleichgesetzt, auf der die verführerische Nymphe Kalypso den sagenhaften Seefahrer Odysseus und seine Gefährten sieben Jahre lang mit ihrem Liebeszauber festgehalten haben soll.

Gavdos Kalypso und Odysseus
Kalypso und Odysseus auf Ogygia (Bildquelle: Greek Myths)

Es wird überhaupt angenommen, dass die Insel in der Antike bedeutend gewesen ist, so sind z.B. bei Lavrakas Reste einer griechischen Hafenstadt entdeckt worden. In römischen Zeiten sollen auf Gavdos bis zu 8.000 Menschen gelebt haben, da die Insel eine wichtige Station im Schiffsverkehr nach Osten und nach Afrika war. Auch in byzantinischer Zeit hielt die Bedeutung an – immerhin war Gavdos eines der 22 Bistümer Kretas und stellte drei Bischöfe und einen Erzbischof. Ein jähes Ende der Blüte brachten erst die arabischen Seeräuber unter Abu Hafs Omar (824 n.Chr.), danach geriet die Insel erst mal in Vergessenheit.

Die türkische Herrschaft über Gavdos dauerte von 1665 bis 1895, die Bevölkerungsanzahl sank in dieser Periode bis auf ca. 500 Einwohner im Jahr 1882. Auch die Sarazenen mischten sich in die Geschicke der Insel ein, der Name des Strandes „Sarakiniko“ lässt einen sarazenischen Unterschlupf vermuten. In den 1930er Jahren (unter der Metaxas-Diktatur) wurde die Insel als Exil für zahlreiche Kommunisten benutzt, zeitweise waren mehr als 250 Menschen auf Gavdos untergebracht, darunter führende Figuren der griechischen kommunistischen Bewegung wie Markos Vafiadis.

Im zweiten Weltkrieg war Gavdos (wie auch Kreta) von deutschen Truppen besetzt, der alte Leuchtturm bei Ambelos wurde 1941 von Stukas zerbombt. Die Landflucht, die in anderen Teilen Griechenlands erst in den 1960ern begann, fing auf Gavdos schon in den 1950er Jahren an: Gavdioten tauschten ihren Landbesitz auf ihrer Insel gegen ehemalig türkischen auf Kreta, nachdem dieser dort verstaatlicht worden war.

Auf Kreta entstanden so Gemeinschaften ehemaliger Gavdioten – Gavdiotika – beispielsweise im Gavdos-Viertel in Paleochora.

Namensgebung

Gavdos wurde unter verschiedenen anderen Namen bekannt. Zum Beispiel erscheint Gávdhos in der biblischen Erzählung von Apostel Paulus´ Reise nach Rom als Klauda, bzw. Cauda (Καῦδα). Die Insel war auch als Cauda durch römische Geograph Pomponius Mela beschrieben und als Gaudos durch Plinius. Ptolemaios sprach von Claudos (Κλαῦδος). Die Insel wurde auch als Gozzo bekannt. Der Venezianer nannten die Insel Gotzo, vielleicht in Nachahmung der Malteser Insel Gozo. Vom 17. bis ins 19. Jahrhundert wurde die Insel als Gondzo bekannt. Der türkische Name von Godzo war Bougadoz.

Neuere Entwicklung

Dieses Eiländchen galt – nach dem kurzen und eher unrühmlichen Zwischenspiel zwischen erstem und zweitem Weltkrieg, wo es besagter „Ort der Verbannung“  war – lange Zeit als letztes Refugium ruhesuchender Individualtouristen und (Alt-)“Hippies“. In den letzten Jahren versuchte man mehr und mehr dem Tourismus Tribut zu zollen, häufig allerdings ziel- und gedanken- und somit eher erfolglos – Abgelegenheit und Wasserknappheit haben daran auch ihren Anteil.

Es gibt nur wenige natürliche Süßwasserquellen, zum Beispiel bei Korfos, Agios Pavlos und Agios Georgios hinter dem Zedern-Wacholderwald „Kedres“. In jüngster Zeit wird versucht, den steigenden Wasserbedarf durch Bohrungen zu decken, denn die Insel ist reich an Grundwasser. Das meiste agrarisch genutzte Wasser ist jedoch nach wie vor in Zisternen aufgefangenes Regenwasser, reicht aber lange nicht mehr für Landwirtschaft im größeren Stil als Lebensgrundlage. Getreideanbau oder Viehzucht, die früher betrieben wurden, gibt es heute bestenfalls noch für den Eigenbedarf im kleinen Umfang.

Artenreichtum auf Gavdos

Unter den 457 bisher auf Gavdos festgestellten Farn- und Samenpflanzen ist sowohl der in Nordafrika vorkommende „Schöne Wasserstern“ (Callitriche pulchra), der allein auf Gavdos einen Vorposten auf der Nordseite des Mittelmeeres bildet, sowie eine endemische Art: das unscheinbare, etwa 10 Zentimeter groß werdende Gavdos-Hasenohr (Bupleurum gaudianum).

Verglichen mit anderen griechischen Inseln oder auch mit großen Teilen Kretas erscheint Gavdos ausgesprochen grün, die Insel ist zu großen Teilen bewaldet. Es überwiegt die Kalabrische Kiefer (Pinus brutia), daneben Phönizischer Wacholder (Juniperus phoenicea) und, meist in Küstennähe, Großfrüchtiger Wacholder (Juniperus macrocarpa). Diese auch „See-Wacholder“ genannte Art bildet eindrucksvolle, bis zwölf Meter hohe Baumgestalten. Sie kommt auch auf Kreta verstreut in Küstennähe vor, bleibt dort aber strauchförmig. Die baumbewachsenen Sanddünen Gavdos´ bieten einen faszinierenden Anblick. Auch der südlichste Baum Europas nahe Kap Tripiti gehört zu dieser Art.

Der auffallend starke Baumbewuchs hat sich erst in den letzten 150 Jahren entwickelt. Zeitzeugen im 19. Jahrhundert beschreiben Gavdos als ausgesprochen kahl mit nur vereinzelten Bäumen. Fast ganz Gavdos ist terrassiert, ein Zeichen dafür, dass der Boden in Zeiten stärkerer Besiedelung Kulturland war. Der für die ostmediterrane Pflanzenwelt typische Kopf-Thymian (Thymbra capitata) wächst auf den sandigen Stränden in einer den Sandverwehungen angepassten Wuchsform mit deutlich längeren Ästen.

Faehranleger Gavdos
Die Fähre „Samaria“ (Heimathafen Paleochora) in Karaves/Gavdos

Infrastruktur auf Gavdos

Die „Hauptstadt“ der Insel ist Kastri, im Inselinneren gelegen und permanent von ca. 40 Menschen bewohnt. An der Nordostküste befindet sich der Fährhafen der Insel – Karaves – hier kommen auch die mehrmals wöchentlich verkehrenden Fähren von und nach Paleochora und Chora Sfakion an. Deswegen gibt es hier auch die meisten Tavernen und „Rent Rooms“ der Insel. Brunnenbohrungen haben Zimmervermietung mit fließendem Wasser möglich gemacht, abends produzieren Generatoren Strom.

Der südlichste Ort der Insel (und somit Europas) ist das Dorf Vatsiana – auf einer Hochebene gelegen und Ausgangspunkt vieler Wanderungen nach Kap Tripiti, dem wirklich südlichsten Punkt Europas. Hier steht auch vermutlich der größte Stuhl Europas, auf dem eigentlich jeder Kreta-Urlauber auch mal gesessen haben sollte.

Arno auf Gavdos Riesenstuhl
Freund Arno S. aus D. auf seinem Lieblingsstuhl.

Touristische Entwicklung

Schon seit Ende der 70er Jahre war Gavdos Ziel von Rucksacktouristen die zum Teil monatelang auf der Insel blieben und an den Stränden von Sarakiniko, Korfos oder Agios Ioannis lebten. An den ersteren beiden entstanden immer mehr provisorische, später „echte“ Tavernen welche als Versorgungs- und Treffpunkte fungierten. Für fahrplangebundene Reisende kam Gavdos wegen des Risikos, aus Wettergründen keine passende Rückfahrt zu bekommen, nicht in Betracht.

Die deutliche Verbesserung der Schiffsverbindungen, vor allem nach Paleochora und Chora Sfakion, hat die Situation verändert, die wellengefährdete Mole ist ersetzt, die Schiffe sind größer und seetauglicher, zur Saison fahren an 3-4 Tagen der Woche Schiffe nach Kreta. Aber auch wenn die Schiffsverbindungen besser und häufiger geworden sind, ist es das Wetter leider bei Weitem noch nicht.

So kann es durchaus auch mal passieren, dass das, was eigentlich als ein 2-3 Tages-Trip gedacht war, sich zu einem 14-tägigen „Zwangsaufenthalt“ entwickelt, weil Wind und Wellen die Überfahrt einfach nicht zulassen. Konsequenterweise kommt es somit auch hin und wieder zu Versorgungsengpässen, die die stets gut vorbereiteten Gavdioten aber immer flexibel und improvisationsfreudig zu überbrücken wissen.

 

Fazit

Gavdos ist für Individualisten, jede-Menge-Zeit-Mitbringer, Alt-, Neu-, Ex- und niemals-nicht-Hippies, die weder Luxus noch die aus der Heimat gewohnte „Normalität“ dringend benötigen, gleichermaßen ein wundervolles Reiseziel.

Und hier gibts mehr zur „kleinen Schwester“ Gavdopoula.

2 Kommentare

  1. Efcharisto poli für diesen stimmungsvollen Film mit typisch kretischer Musik, die ich stundenlang hören kann. Da werden Erinnerungen hervorgeholt und Wünsche nach neuen Besuchen mit Wanderferien geweckt…
    Rolf L., CH-8580 Amriswil TG

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