Geschichten von Kreta: Auf einen Whiskey bei Nikos

Wie ja schon ganz zu Beginn unserer Kolumne „Geschichten von Kreta“ angekündigt, haben sich einige davon in der Taverne unseres Freundes Nikos Lamprakis „To steki tou vlami“ in Tsoutsouras an Kreta´s Südküste zugetragen.

So auch die Heutige, die allerdings für lebensmittelhygienetechnisch eher Zartbesaitete eventuell unappetitlich anmuten mag, unserer Erfahrung nach diesbezüglich aber vollkommen unbedenklich war (alle Beteiligten sind nach wie vor bei bester Gesundheit, wohlauf und lachen immer noch über diese Anekdote).

Diese Warnung vorweg geschickt, dann nun zur eigentlichen Geschichte:

Wir verbrachten ja nun mal täglich doch einige Stunden bei Nikos – sei es, um zu Frühstücken, ihm im Mittagsgewusel zur Hand zu gehen, ihm die umsatzschwache Mesimeri-Zeit mit sinnfreiem Gequatsche zu überbrücken oder um nette Abende in (u.a. seiner) Gesellschaft zu verbringen.

Es war Oktober, allzuviele Touristen waren nicht mehr da, aber in einem 200-Seelen-Dorf wie Tsoutsouras fällt natürlich jedes fremde Gesicht auf – und unsere passive Akquise (einfach gute Laune in netter Gesellschaft an einer großen, wohlgefüllten Tafel) fruchtete immer!

Allerdings gab es natürlich auch einheimische Stammgäste – unter ihnen der Protagonist unserer heutigen Geschichte:

Jorgos, der Tee- und Kräuterbauer.

Mit den „Jorgossen“ in Tsoutsouras verhält es sich ähnlich, wie mit den neulich vorgestellten „Adonissen“ – zu viele, um sie ohne Beinamen ein-eindeutig identifizieren zu können.
So hieß und heißt unser heutiger Jorgos einfach „Erontas“ – nach dem griechischen Namen für den Diktamus-Tee, den er in rauhen Mengen kultiviert.

Besagter Erontas kam jeden Abend nach vollendetem Tagwerk frisch geduscht und schnieke gekleidet (ein sehr gepflegter, stolzer und schöner Kreter in den „besten Jahren“) auf einen Feierabend-Drink zu Nikos.

Dieser Feierabend-Drink war allabendlich ein Whiskey der Marke „Famous Grouse“.
Da Nikos diese Marke nicht (und Whiskey überhaupt nur sehr sporadisch) in seinem recht übersichtlichen Spirituosen-Sortiment führte (da gab es eigentlich vor allem Raki, Raki und zur Abwechslung auch gerne mal Raki….), brachte Erontas bei Bedarf immer mal eine Flasche „seines“ Whiskey´s zu Nikos und trank dann jeden Abend ein, maximal 2 Gläser davon – mit viel Eis und Wasser.

Dann ging er zuverlässig und pünktlich nach Hause zum Abendessen – Erontas ist NIE versackt, egal wie ausgelassen die Stimmung auch war!

Nun hatte es leider einen kleinen Zwischenfall in Sachen Tiefkühltruhe gegeben: irgendein „Held“ hatte über Nacht die Tür derselben offen gelassen, so dass schmelztechnisch aus dem 10 Liter-Sack mit Eiswürfeln ein 10-Liter-Klumpen Eis wurde, der nach bester „Basic-Instinct-Manier“ mit dem Eispickel (bzw. großem Messer und Hammer….) bearbeitet werden musste, um Eis für (u.a.) Erontas´ Feierabendwhiskey zu produzieren.

Das konnte so nicht weitergehen!

Deswegen brachten wir unserem lieben Nikos von unserem nächsten Ausflug nach Arkalohori ein paar Eiswürfelbehälter mit. Ihr wisst schon, diese rechteckigen Teile mit ca. 12-18 „Förmchen“ zur Eiswürfelherstellung.

Nikos schaute erst recht skeptisch – als wir die Teile allerdings dann mit Wasser füllten und ihm bedeuteten, sie in die mittlerweile enteiste und wieder funktionsfähige Tiefkühltruhe zu verfrachten, verstand er und kam unserem Ansinnen höchst begeistert sofort nach.

Kleiner Haken an der Sache: in der Tiefkühltruhe wurde nicht nur Eis aufbewahrt, sondern auch andere TK-Produkte. Letztere allerdings nicht immer auf dem letzten Stand der Lebensmittelhygiene – um Tacheles zu reden: der selbst gefangene Fisch schwamm zwar nicht mehr, „flog“ aber einfach so lose in der Truhe herum. Nikos scherte sich aber um nix und stellte die Eiswürfelmacher einfach auf besagten Fisch drauf. Zweifelnde Blicke zwischen meinem damals-im-Traum-noch-nicht-Angetrauten und mir signalisierten, dass wir mal wieder das Gleiche dachten: „mal sehen, ob die Eiswürfel nicht irgendwann einen dezenten Fischgeschmack annehmen….“.

Ab da mutierte Erontas für uns zum Studienobjekt.

Am selben Abend passierte noch nichts, denn die Eiswürfel waren noch nicht hart genug – die Eispickelmethode musste nochmal ran.

Ab dem nächsten Abend jedoch zeichneten sich mit jedem kleinen Schluck seines Whiskeys mehr und mehr Zweifel auf Erontas´ Gesicht mit dem gepflegten Schnurrbart ab. Bis dann nach ca. 4-5 Tagen der Knoten platzte und Erontas fragte: „Sag mal, Niko-mou, das ist doch MEIN Whiskey, oder? Also der, den ich selbst gekauft und hier deponiert habe?“

Nikos bejahte wahrheitsgemäß – denn es WAR ja Erontas´ Whiskey.

Auf unsere Frage aber „Wieso denn? Stimmt irgendwas nicht damit?“ meinte Erontas nur sehr vorsichtig „Hmmmm, ich weiß nicht, irgendwie schmeckt er seit ein paar Tagen anders als sonst“. Wir (das Kichern unterdrückend, denn wir ahnten ja schon was….) fragten ganz unschuldig weiter: „Wieso anders? Wonach denn?“ Und Erontas: „Also wenn ich´s ja nicht besser wüßte…. aber…. also ehrlich gesagt…. irgendwie schmeckt er nach Fisch!“

Und da hielt uns natürlich nichts mehr auf den Sitzen, wir prusteten und kringelten uns vor Lachen und Erontas – endlich über den Sachverhalt und die Zusammenhänge aufgeklärt – stimmte als Lautester mit ein.

Seit dem haben die Eiswürfelbehälter in Nikos´ Tiefkühltruhe ihr eigenes, fischfreies Reich und Erontas genießt sein Berühmtes Moorhuhn“ wieder rein und pur, so wie es sein soll.

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Ein Kommentar

  1. das stimmt. geschichten aus dem kretischen leben. ich lach mich tot. die kreter sind wirklich einzigartig.

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