Geschichten von Kreta – Neulich auf dem Arbeitsamt.

Wie Einige von Euch vielleicht wissen, hat die Scheffmoderateuse während der Sommersaison – also für ca. 7 Monate von April bis Oktober – noch ´nen Zweitjob in einem, nun, hmmmm… sagen wir, einem Unternehmen der Tourismusindustrie des Dorfes.

Das ist in mehrfacher Hinsicht ganz wunderbar. Denn nach den 5 Monaten Winterschlaf auf dem Berg, in denen sie – ausser für ausgedehnte Gassi-Rumtob-und-Entdeckungs-Spaziergänge mit den Hunden (und seit diesem Winter auch mit dem Willi-Kater, der sich uns einfach anschließt!) – die Hütte fast nicht verlässt – ist sie dann für besagte 7 Monate mitten im Zentrum allen Dorfgeschehens, kann ihrem Mitteilungsdrang in 6 Sprachen Ausdruck geben und hat einen prima Einblick in den südwestkretischen Tourismus. Alles gut und macht Spaß!

Das macht sie nun schon seit geraumer Zeit, wird auch dieses Jahr wieder antreten und ist sogar seit letztem Jahr bei der Sozialversicherung I.K.A. (Idryma Koinonikon Asfaliseon – „Ίδρυμα Κοινωνικών Ασφαλίσεων“) angemeldet! Denn die einwandfrei funktionierende Telefonkette, die jeden Ladeninhaber von der Tatsache „Tax-Police is in town“ informiert, kam leider immer öfter zur Anwendung und bei Strafen von 10.000 Euro pro nicht angemeldetem Mitarbeiter, meldet man dann auch schon mal jemanden zum Minimaltarif an. Für Minimalstunden, die zwar nichts mit den tatsächlich abgeleisteten Arbeitsstunden zu tun haben müssen, aber dafür gibt es ja auch wieder doppelte Buchführung…

Aber ich schweife ab….

Nun war die letztjährige Saison zumindest für mich offiziell am 31. Oktober zu Ende, ich hatte offizielle 123 „angemeldete“ und somit IKA-anrechnunsfähige Tage gearbeitet und musste mich binnen der – wieder mal – biblischen 40 Tage beim Arbeitsamt arbeitslos melden.

Dafür musste ich natürlich in´s 80km entferte Chania zur OAED in der Odos Apokoronou (das ist die Apokoroou-Straße, die – die Markthalle im Rücken – direkt an der griechischen Nationalbank (diese wird in dieser Geschichte auch noch eine Rolle spielen…), dem Finanzamt (dito….) und der OTE-Hauptniederlassung (ausnahmsweise für diesen Fall irrelevant) vorbei leicht bergauf nach Süden führt.

Das griechische Arbeitsamt

OAED – oder auf Griechisch Ο.Α.Ε.Δ. – ist die Abkürzung für „Organismós Apascholíseos Ergatikoú Dinamikoú“ („Οργανισμός Απασχολήσεως Εργατικού Δυναμικού“) – die „Organisation für die Beschäftigung des Arbeitskraftpotentials“. Also die kleine Schwester der deutschen „Bundesagentur für Arbeit“ – nur noch verschwurbelter und irreführender formuliert…

Gegenüber des Zoos findet man dann auch ein mit einem recht bunten OAED-Schild (orange und blau) versehenes Gebäude. Besser zu erkennen allerdings an den sich davor tummelnden, rauchenden und kaffeetrinkenden Menschenmassen. Und das ist keine Übertreibung!!!

Nun ja, sich in Massen tummelnde Individuen vor griechischen Behörden sind genauso wenig verwunderlich wie die zur „Ablage“ verwendeten Lidl-Einkaufswagen in kretischen Finanzämtern – von daher stiefelte die geneigte Antragsstellerin guten Mutes an den Menschenmassen vorbei in´s Innere des Amtes. Dort das gleiche Bild: Menschenmassen.

Viel Kummer von der Antragstellung bei der Sozialversicherungsbehörde IKA gewohnt, kam immer noch kein Argwohn auf. Ein Blick in die Runde zwecks Suche der Maschine, an der man seine Nummer ziehen kann – Ha!!! – gefunden!!! Bürokratie in Griechenland schärft sogar die primitivsten Sinne eines Antragsstellers….

Frohen Mutes zur Maschine hin und – huch! – eines DIN-A-4-Zettels ansichtig geworden, der über der Taste und dem Ausgabeschlitz der heiß ersehnten Nummer klebte und besagte: „Für heute keine Nummern mehr verfügbar!“

Nun ist man ja als Ausländer auf – so gesehen – ausländischen Behörden ja eher kleinlaut und demütig, sucht die Schuld erst mal bei sich und seinen eventuell unzulänglichen Sprachkenntnissen und fragt erst mal doof nach. Nöööö – war so….

Nix geht in Chania

„Für heute keine Nummern mehr, komm halt morgen wieder. Wir machen um 8h auf – besser ist, du ziehst deine Nummer schon um 7h.“ Wie genau das zu bewerkstelligen sein sollte, hab ich mir zu fragen verkniffen, da ich eh mit dem 7h15 Bus von Paleochora kam, der um ca. 8h45 am Busbahnhof Chania ankommt, von dem aus ich auch im Jogging-Tempo nochmal 15 Min. zum Arbeitsamt brauche. Also: vor 9h realistisch keine Chance…

Na gut – mal wieder dumm-demütig die Schultern gezuckt und auf ein anderes Mal gehofft. Kurze Planänderung – was lag sonst noch so an? Ach ja! Der Schuster. Und das Finanzamt. Auch immer wieder ein vormittagfüllendes Programm, dafür war ja jetzt Zeit. Anderes Thema….

Und der Vorsatz, dann übermorgen, das war ein Freitag, nochmal das Glück bei der OAED zu probieren…. Da ich nicht wusste, ob die biblischen 40 Tage 40 Werk- oder Kalendertage waren, wollte ich das natürlich möglichst bald hinter mich bringen, da ich ja zumindest wissen wollte ob ich

a) im Winter noch Krankenversicherungsschutz habe (auf welchem Level auch immer….) und
b) wann, wieviel und für wie lange Arbeitslosengeld bekomme…

Nun gut, am übernächsten Tag wieder die Bustour dort hin – gleiche Story, „Nummern für heute aus“. In meiner Verzweiflung entdeckte ich aber im Inneren des Gebäudes auch noch ein Schild der OAED, das mich in den ersten Stock führte. Wunderte mich, ob ich vielleicht am vorvergangenen Tag einfach nur an der falschen Stelle war, und stieg guten Mutes die Treppe hoch, allerdings wieder in Erwartung geballter Menschenansammlungen.

Aber weit gefehlt! 4 Schalter besetzt, von den ca. 30 Wartestühlen wiederum nur 6 – gute Quote. Ich setzte mich und wartete auf den „Epómenos“-Aufruf („der Nächste bitte!“ heißt das wohl auf Deutsch, das „Bitte“ spart man sich hier allerdings..). Tja – und das war dann bald ich.

Ich kam zu einem nett aussehenden Herren, der auf meine Frage ob er wohl auch Englisch spräche (für solches Behördengedöhns fühle ich mich im Englischen halt einfach noch wohler, als im Griechischen….) mir ein schlichtes „ooooooooooooochi!“ entgegenschmetterte. Auf mein Angebot, dass ich es ja ansatzweise mal auf Griechisch zumindest versuchen könnte, meinte er, das sei überhaupt gar nicht nötig, da er eine wundervolle Kollegin hätte, die lange in Amerika gelebt hätte, somit prima Englisch spräche und dann auch gleich frei sei. Nach mir kam keiner mehr – prima Pause für meinen ersten Ansprechpartner….

„Eine amerikanische Kollegin“

Aber egal, die „Gr-Amerikanische“ Kollegin war ein ausgesprochener Schatz und kümmerte sich ganz wundervoll um mich und meine Belange. Allein die Tatsache, dass ich von Geburts- über Heiratsurkunde, Telefon- und Stromrechnung, Bankbuch, Steuerbescheid und Kopien meines sowie des Personalausweises meines Göttergattens alle Unterlagen am Mann respektive der Frau trug, veranlasste sie zu wahren Heiterkeitsausbrüchen, denn sie hatte wohl selten so komplett ausgestattete und auf fast alles vorbereitete Antragsteller (man lernt ja dazu…).

Nur war da das Thema des Bankbuches. Ich schmetterte ihr siegesbewusst mein „Piraeus Bank“-Buch auf den Schreibtisch und erntete ein wirklich bedauerndes Kopfschütteln.

Neee, Sweetie, du brauchst ein Konto bei der Griechischen Nationalbank!“
„Hab ich nicht, Darling!“
„Brauchst du aber, Sugar!“
„Hmpf hmpf hmpf!!!“
„Du weisst, wo die Nationalbank ist?“
„Ja klar, hier die Strasse runter.“
„Genau. Da gehst du mit diesem Zettel (sie kritzelt was auf ´n Fresspapier) rein und gleich links sitzt ein ganz liebes Mädel. Da gehst du hin und gibst ihr den Zettel, die macht das dann schon.“
„Okay, dann geh ich jetzt los.“
„Ja, und dann gehst du unten zu der Abteilung im Erdgeschoss – die machen dann den Rest.“
„Hmmmm, aber deswegen bin ich ja eigentlich hier, denn ich komme von Paleochora, kann wegen des Busses erst so gegen neun hier sein und dann sind alle Nummer immer schon vergeben.“
„Aber wenn du von weiter herkommst MÜSSEN die dich dran nehmen!“
„Hmmmmmpf…..“
„Okay, Honey, du gehst jetzt zur Nationalbank, machst dein Konto und kommst genau wieder hierher. Aber verrat das niemandem. NIEMALS!“
„Never ever. Großes Indianerehrenwort!!! Und – DAAAANKEEEE!!!!“

Losgeflitzt zur Nationalbank, links vom Eingang einer superlieben Mitarbeiterin den kleinen Zettel in die Hand gedrückt und innerhalb einer Viertelstunde ein Nationalbankkonto eröffnet. Erneute Heiterkeitsausbrüche ob der mehr als vollständigen Unterlagensammlung, nettes Gespräch und Einladung auf einen Kaffee. Da mir das Thema aber erst mal unter den Nägeln brannte, verschoben wir das auf ein nächstes Mal. Noch drei Unterschriften von vier verschiedenen „Verantwortlichen“ ergattert und fertig. Wozu ich das Konto nun genau brauchte, wusste ich zwar immer noch nicht, aber man lernt hier auch, nicht alles genau zu hinterfragen.

Aber auch ohne Frage wurde ich belehrt: das Arbeitsamt überweist Zahlungen, wenn überhaupt, ausschließlich auf Nationalbankkonten…… Aha!

Nun gut – im Stechschritt zurück zu meinem OAED Engel, Vollzug meldend. Wir schrieben den 14. November 2014, ich wurde angewiesen, nach weiteren biblischen 40 Tagen (die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Antrages…) mal auf mein Konto zu schauen, ob denn Geld drauf sei.

Und auf jeden Fall zwischen dem 14. Januar und dem 13. Februar nochmal bei meinem „heimlichen“ englischsprachigen Engel vorstellig zu werden – denn dann könnte sie mir sagen, ob, wann und für wie lange ich Arbeitslosengeld in welcher Höhe auch immer (zwischen 100 und 250 Euro pro Monat war die unverbindliche Schätzung) bekäme. Meine Akte versah sie auch mit dem Vermerk „spricht ausschließlich Englisch!“. Auf meine leicht beleidigte Anmerkung, dass ich des Griechischen schon so leidlich mächtig sei, zwinkerte sie mir zu und sagte „Liebelein, das weiss ich doch, aber so ist garantiert, dass im Fall der Fälle ICH dich anrufe!“. Das war mir dann doch wieder sehr recht….

Da ich von meiner Scheffin schon dahingehend informiert war, dass ich nach mindestens 120 Saison-Arbeitstagen zum Minimal-Tarif im ersten Winter wahrscheinlich erst mal kein Arbeitslosengeld bekäme, dann aber im darauffolgenden Winter nach neuerlichen mindestens 120 Arbeitstagen (die ich in einer Saison ja nunmal auf der rechten A…backe absolviere….) erstmals Anspruch darauf hätte (sollte sich nicht wieder etwas an der
Gesetzeslage geändert haben….), hatte ich mir sowieso kaum Hoffnung gemacht.

Und wie ich nun nach meinem Besuch dort am Freitag, dem 13. bestätigt bekam, zu Recht! Mein Engel war leider nicht da, dafür war im Erdgeschoss so wenig los, dass ich nicht mal eine Nummer – von denen es an diesem Tag jede Menge gegeben hätte – ziehen musste. Und die Sachbearbeiterin war auch nicht der Garstigsten eine. Glück gehabt!!!


Also, zwar kein Arbeitslosengeld, dafür aber ein Arbeitslosenkärtchen, für dessen Erneuerung ich 5 Tage vor oder nach dem 13. Mai auf der OAED-Website registriert sein und die Erneuerung beantragen sollte. Mein Hinweis „ab April arbeite ich aber wieder“ wurde mit Schulterzucken und dem Kommentar „na, dann nicht!“ quittiert. Aha! Dann is ja gut!

Also – wir sprechen uns im November wieder, liebe OAED. Ob ich mich darauf freue überlege ich mir bis dahin noch….

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Geschichten aus Absurdistan: „Neulich im Finanzamt“.