Griechenland am Ende 2014: Zahlen – Daten – Fakten.

Von Gregor Kritidis

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in Griechenland ist die erste Runde der Präsidentschaftswahlen mit einer Niederlage der Regierung zu Ende gegangen. Die regierende Koalition aus ND und PASOK benötigte 200 Stimmen im Parlament, damit ihr Kandidat, der ehemalige EU-Kommissar Stavros Dimas, gewählt wird. 160 Stimmen konnte Dimas auf sich vereinen. Die regierende Koalition hatte auf 163 – 165 Stimmen (155 eigene sowie zusätzliche von den fraktionslosen Abgeordneten) gehofft. Im zweiten Wahlgang sind ebenfalls 200, im dritten Wahlgang 180 Stimmen erforderlich. Sollte im dritten Wahlgang eine Mehrheit von 180 Stimmen nicht zustande kommen, erfolgen Neuwahlen am 25. Januar oder 1. Februar.

Kaum jemand rechnet damit, dass die Regierung Samaras überlebt. Damit ist eine Regierungsübernahme durch die Linkskoalition SYRIZA in greifbare Nähe gerückt. In der internationalen Presse hat bereits eine Kampagne gegen SYRIZA und für die bestehende Regierungskoalition eingesetzt, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch in Deutschland gegen SYRIZA, eine Ende der Austeritätspolitik und eine Aufweichung des EU-Stabilitätspakts polemisiert wird. Schon hat Jean-Claude Juncker verkündet, er sehe lieber „bekannte Gesichter“ als „extreme Kräfte“ in griechischen Regierungsämtern. Gefragt, ob die Linkskoalition SYRIZA eine „extreme Kraft“ sei, sagte er: „Ich glaube, die Griechen, die Schweres durchgemacht haben, wissen sehr genau, was ein falsches Wahlergebnis bedeuten würde“. http://www.kathimerini.gr/795585/article/epikairothta/politikh/gioynker-na-mhn-er8oyn-sthn-e3oysia-akraies-dynameis

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Kann er Griechenland aus der Krise führen?

Samaras selbst reklamiert für sich, ein Garant für Stabilität und der Rückkehr zum wirtschaftlichen Wachstum zu sein, während SYRIZA Chaos bedeuten würde. Tatsächlich ist die „greek success-story“ ein Mythos. Das prognostizierte Wachstum von 0,7 Prozent ist nur ein statistischer Effekt, da die Preise schneller sinken als die Wirtschaftsleistung. Der Verbraucherpreis-Index sank in den letzten 12 Monaten um 1,3%. http://www.statistics.gr/portal/page/portal/ESYE/PAGE-themes?p_param=A0515&r_param=DKT90&y_param=2014_11&mytabs=0

Das scheint nicht viel zu sein, wichtige Güter sind darin aber nicht enthalten. So sanken die Heizölpreise um 17,9 Prozent (Handelsblatt vom 10.11.2011). Die Preise für Wohnungen sind im 3. Quartal 2014 um 9% gesunken (Kathimerini vom 11.12.2014). Die Industrieproduktion sank laut griechischer Statistikbehörde im September 2014 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5,1%, in den letzten 10 Monaten um 3,1%. Die Bautätigkeit ist in den letzten 12 Monaten um 8,9% geschrumpft. http://www.statistics.gr/portal/page/portal/ESYE/PAGE-themes?p_param=A0503&r_param=DKT21&y_param=2014_10&mytabs=0

Der für 2014 geschätzte Primär-Überschuß im Haushalt – das ist das Ergebnis vor Schuldendienst – von 2,9% des BIP (etwa 3,6 Mrd. €) ist angesichts der steigenden Steuerausfälle vernachlässigbar. Die fälligen Steuerschulden an den Fiskus in Griechenland steigen mit einem Rhythmus von monatlich über 1 Milliarde Euro im an. Mittlerweile beläuft sich die Summe der Verbindlichkeiten gegenüber dem Fiskus auf über 70 Mrd. €. http://www.griechenland-blog.gr/?s=steuerschulden

Der Banksektor sieht sich ebenfalls großen Belastungen gegenüber. Die Forderungen der griechischen Banken, die wiederholt mit Mitteln aus den Rettungspaketen restrukturiert worden sind, sind zu 70% faul und müssen mittelfristig zu großen Teilen abgeschrieben werden. http://www.griechenland-blog.gr/?s=faule+kredite+banken

Das BIP ist seit 2010 um rund 1/5 geschrumpft: 2010 betrug es 295 Mrd. €, 2014 250 Mrd. €. Die Staatsverschuldung ist trotz des Schuldenschnitts 2012 Ende 2014 nur geringfügig niedriger (2010 330 Mrd. €, 2014 geschätzt rund 320 Mrd. € In Relation zum BIP ist die Verschuldung sogar höher als vor der Krise und den „Rettungspaketen“: 2009 betrug die Verschuldung des griechischen Staates rund 130% des BIP, 2014 wird sie geschätzt 170% des BIP betragen. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/167463/umfrage/staatsverschuldung-von-griechenland-in-relation-zum-bruttoinlandsprodukt-bip/

Griechenland ist also noch stärker in der Pleite als 2010. Eine Umschuldung, wie sie von SYRIZA und vielen Ökonomen gefordert wird, ist daher unumgänglich. http://yanisvaroufakis.eu/2014/12/11/ten-questions-on-greece-syriza-with-ten-answers-qa-with-jorge-n-rodrigues/#more-6230

Herzliche Grüße,

Gregor Kritidis
Dr. Gregor Kritidis, Dieckbornstrasse 10, 30449 Hannover. Gregor Kritidis: Griechenland – auf dem Weg in den Maßnahmestaat? Autoritäre Krisenpolitik und demokratischer Widerstand (=Kritische Interventionen, Band 13) Mehr unter: www.offizin-verlag.de/Kritische-Interventionen-13-Gregor-Kritidis-Griechenland-%E2%80%93-auf-dem-Weg-in-den-Massnahmestaat-A?source=1&refertype=8


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Ein Kommentar

  1. Mag ja alles richtig sein, aber was ist die Lösung des Problems ? Weiter wie früher ? Zurückdrehen der Reformen ? Von SYRIZA lese ich nur, dass sie mit den Gläubigern „hart verhandeln“ und ggf. „aussteigen“ will ! Woher will sie dann frisches Geld für Investitionen bekommen. Am freien Markt bekommt sie kein Geld – oder nur für horrende Zinsen ! Zurzeit investiert das Kapital wegen der unsicheren Lage und Zukunft lieber in Afrika als in Griechenland ! Einen weiteren Schuldenschnitt fordert sie. Aber der schafft doch weder neue Arbeitsplätze noch höhere Gehälter oder Steuereinnahmen ! Wo ist die Liste der Projekte, mit denen der Niedergang gestoppt und das Wirtschaftswachstum angekurbelt werden soll ?

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