Nikos erzählt…. Panos und die Arbeitsunfähigkeitsrente.

Nikos erzählt…. Geschichten von Kreta.

Panos ist 58 Jahr jung, lebt in Heraklion und kommt aus dem wunderschönen Dorf Fodele. Jeder, der schon einmal die Hauptstraße von Heraklion nach Rethymno gefahren ist, kann sich bestimmt an die unzähligen Stände voller Orangen erinnern, die dort zum Verkauf in Tüten oder Beuteln bereitstehen. Fodele hat knapp 450 Einwohner und jedem, der dort vorbeifährt, möchte ich die Besichtigung der kleinen byzantinischen Kuppelkirche aus dem 11. Jahrhundert nahe legen.

Fodele soll auch der Geburtsort von Domenicos Theotokopoulos sein, der unter seinem Künstlernamen „El Greco“ bekannter ist.

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Fodele, der Geburtsort von El Greco. Bild: Helga Papadakis.

Dieser ist wie wir wissen auf der Suche nach dem Glück zuerst nach Italien, dann an den spanischen Hof gegangen, unser Freund Panos jedoch lediglich zwanzig Kilometer östlich nach Heraklion. Dort heiratete er, zog zwei Töchter groß und arbeitete sehr viele Jahre als Vertreter eines namhaften Molkereibetriebs aus den Niederlanden. Daneben betrieb er noch eine typische kretische Kneipe, die in und um Heraklion sehr großen Anklang gefunden hatte.

Alles lief perfekt und Panos wäre kein Grieche, wenn er nicht das Wort „Leben“ vor die Wörter „Sicherheit und Sparen“ gesetzt hätte. Vor circa acht Jahren musste sein Kompagnon im Rakadiko aus gesundheitlichen Gründen den Job niederlegen. So verpachteten Panos und dieser Partner das Lokal. In der Zwischenzeit hat es drei Mal den Besitzer gewechselt, und da die Verträge so verfasst wurden, wie sie eben verfasst worden sind, entstanden Schulden, die sich auf weit über zwanzigtausend Euro angehäuft haben. Die Pächter zahlten weder Strom noch Steuern oder Abgaben und somit haftet der Besitzer des Anwesens hierfür.

Panos selbst, seine Ehefrau und seine zwei Töchter, ebenfalls arbeitslos, mussten schauen, wie sie sich über Wasser halten. Panos, der Lebenskünstler und begnadete Koch, heuerte in den Sommermonaten in mittelgroßen Hotels an und verdiente so von Mai bis Oktober seinen Lebensunterhalt für die Familie. In den Wintermonaten erntete er in Fodele seine Olivenbäume ab und somit hatte die Familie das Jahr über Öl und Oliven für den eigenen Gebrauch.

Wie jedoch das Leben seine eigenen Geschichten schreibt, bekam Panos eine Nierenkolik und bei der Operation Anfang Januar entnahm man ihm ein Stück der Niere und sandte es zum Begutachten nach Frankreich. Bei der darauf folgenden Untersuchung sagte der Arzt zu Pano, dass die Probe Krebserreger aufweist und man müsste, inzwischen war es Anfang April, die Niere sofort entfernen.

Panos suchte einen weiteren Arzt auf, der ihn ermahnte, die Operation umgehend anzugehen. „Aber ich fange Mitte April mit der Arbeit in einem Hotel an“, sagte Panos. Der Arzt erwiderte: „Willst Du leben oder arbeiten? Wenn Du Dich nicht operieren lässt, wirst Du sterben“. „Wenn ich nicht arbeite, werde ich auch sterben“, sagte Panos. „Wie soll ich meine Familie ernähren?“

Ein Bekannter schlug vor, Panos solle sich bei der IKA melden und eine Erwerbsminderungsrente beantragen. Das tat Panos auch, doch die Bearbeitung der Unterlagen würde 18 Monate in Anspruch nehmen.

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Byzantinische Kirche in Fodele. Bild: Helga Papadakis.

Um die Arztkosten bezahlen zu können, hat Panos inzwischen seine Olivenbäume verkauft. Da seine älteste Tochter bei einer Autovermietung Arbeit gefunden hat, bringt sie jetzt 500 Euro im Monat heim und von diesen 500 Euro müssen Steuern und Abgaben und die Mäuler von 4 Erwachsenen gestopft werden.

Als ich diese Tage mit Kosta telefonierte und er über unseren Freund Pano berichtete, meinte er, dass wenn wir in zwei Wochen zum Osterfest kommen, wir Pano nicht anmerken lassen sollen, dass wir dies alles wissen, und das Panos uns zum Osterlammessen einladen möchte. Wir werden Pano besuchen, das weiß ich, das Osterlamm hat jedoch Kostas schon auf unsere Rechnung bestellt. Panos darf gerne einige Male den Spieß drehen.

Menschen wie Pano gibt es viele auf Kreta und die Tatsache, dass es in Heraklion inzwischen über einhundert Wände der Barmherzigkeit gibt zeigt, dass die Krise auf Kreta überall zu finden ist, die Menschlichkeit jedoch alles überstrahlt.

Wie sagt Kostas so treffend: Gott, wir haben doch nur ein Leben. Danke, dass ich es als Grieche leben darf.

Euer Niko


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2 Kommentare

  1. Lieber Niko, das war wieder einmal die Geschichte eines ergreifenden Schicksals.

    Hierzu mein Kommentar:

    In einem Forum in der BRD eines – politisch neutralen – Magazins schrieb ein Leser u.a. folgendes:
    „So lange Griechenland Reformen jeder Art ablehnt, wird der Spaß so lange weitergehen, wie man dem Land die nötigen Einschnitte erspart.“

    Was ich darauf geantwortet habe, würde hier zu weit führen!!!

    Ich kann nur mit Kostas Worten bemerken: lieber Gott, es ist schade, dass ich nicht als Grieche geboren bin, sondern als Deutscher – unter vielen dummen und unwissenden Menschen.

    Eine allgemeine Bemerkung von mir (uns), leider sind kaum Kommentare auf die vielen und interessanten Beiträge von Radio-Kreta zu lesen. Vielleicht lässt sich dieses noch forcieren!?

    Freundlichen Grüße von Barbara und Jürgen

  2. Unglaublich anrührend! Bezeichnend dass immer diejenigen, denen es am Schlechtesten geht, noch so gastfreundlich sind und das Wenige das sie besitzen mit anderen teilen.
    Liebe Grüße
    Brigitte

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