Nikos erzählt…. Die Rivalität zwischen Heraklion und Chania. Teil 2.

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Tante Filareti

Nikos erzählt…. Heraklion – Chania, Teil 2.

Über die Rivalität zwischen Heraklion und Chania haben wir im ersten Teil der Geschichte einige Beispiele erfahren. Tante Filareti hatte sogar einmal gesagt, dass sie lieber einen Leprakranken küssen würde als Chania jemals zu betreten.

Arschlochsohn Michalis hatte wieder mal eine Idee. Nur kurz sei erwähnt, dass er seinen letzten Job als Bratwurstvertreter einer Fleischerei aus Thessaloniki verloren hatte. Wie kam es dazu? Von den Supermärkten oder sonstigen Geschäften, in denen er seine Ware anpries, erhielt er einen Vorschuss auf die Bestellung. Von der Ware, die er aus Thessaloniki erhielt, lieferte er das meiste an die Endkunden aus. Wenn sein Lieferant dann die Begleichung der Rechnungen anmahnte, antwortete er, die Ware sei verdorben angekommen. Der Rest der gelieferten Wurst wurde mehrfach verkauft, natürlich nur auf dem Papier. Die Ware behielt er selber. In diesem Fall behauptete er, er hätte die Auftragsbücher verloren.

Es kam, wie es kommen musste: der Lieferant stellte die Lieferungen ein, da er nie einen müden Euro gesehen hatte.

Den Kunden erzählte unser Michalis, dass der Lieferant sicherlich aus Chania stammen würde und absolut unzuverlässig sei. Er hätte die Anzahlung behalten, keine Ware geschickt und wenn man ehrlich wäre, müssten alle zugeben, dass der Geschmack der Wurst auch nicht so toll war.

So war er dann zwar seinen Job los, aber er und seine Frau hatten einige Wochen Bratwürste auf den Tisch. Als diese jedoch zu neige gingen, besann er sich seiner Mutter.

Die knappen 400 Euro, die sie als Rente bekommt, reichen ihr meistens bis zum 22. oder 23. des Monats. Den Nachbarn sei Dank hat sie jedoch die restliche Zeit bis zur nächsten Rentenzahlung auch was zu essen.

Die erfundene Wurstfabrik

Als wir nach Heraklion kamen, war es der 13. und wir erfuhren, dass der Arschlochsohn vor drei Wochen umziehen musste, da er mehrere Monate seine Miete nicht begleichen konnte. Er hatte den Erzählungen nach niedergeschlagen und am Boden zerstört seine Mutter aufgesucht. Sie fragte ihn was los sei und er sagte, dass in der neuen Wohnung kein Herd sei und seine Frau und er nicht einmal Wasser für einen Tee erwärmen könnten. Filareti gab ihren letzten Cent und somit hatte sie noch zweieinhalb Liter Milch und eine Packung Zwieback für den Rest des Monats. Sie meinte, dass sie dann ihre Milch und den Zwieback nur morgens essen würde und abends nichts, so würde sie bis zum Dreißigsten auskommen. Als wir ihr am Abend einen Karton Milch und mehrere Packungen Zwieback in ihre Küche schmuggelten, schimpfte sie, das sei doch nicht nötig, sie hätte doch noch so viel. Zwar ist sie bekanntlich schon 92, aber ihren Stolz und ihre Würde hat sie nie verloren.

In ihrer Schublade mit der Unterwäsche hatte sie jedoch noch eine eiserne Reserve: sie hatte im Laufe der Jahre 200 Euro angespart, für den  Fall ihres Todes. Diese allerletzte Würde in Form von 200 Euro hat ihr der Arschlochsohn auch genommen. Eines Tages stand er mit  Krokodilstränen in den Augen vor ihr und behauptete, dass er 200 € Strafe zahlen müsste, weil sein Auto kein TÜV hätte. Ansonsten müsste er unverzüglich ins Gefängnis. So erfuhr er von der Existenz dieser 200 Euro, denn Filaretti holte mitleidig 150€ aus der Schublade. Wie könnte er jedoch noch an die restlichen 50 € kommen?

Nun, er erfand kurzerhand eine Wurstwarenfabrik in Chania und berichtete seiner Mutter, dass alles, was sie über Chania ihr Leben lang gehört hatte, nicht wahr wäre. Die Leute dort wären sehr geradlinig, sehr ehrlich und geschäftstüchtig. Er müsste unbedingt nach Chania fahren, um mit dem Fabrikanten, der am Telefon einen sehr guten Eindruck machte, einen Vertrag abzuschließen, dann würde er die Vertretung für Heraklion bekommen. Er redete so lange, bis seine leichtgläubige Mutter ihm die allerletzten 50 Euro gab, damit er den Sprit nach Chania bezahlen könne.

Das verfeindete Chania wurde auf einmal als Tür zum Paradies gesehen und der Arschlochsohn würde endlich jemanden finden, der ihm pünktlich sein Gehalt zahlen würde und wer weiß, vielleicht hätte sie bald wieder 200 Euro in der Unterwäscheschublade.

Michalis verschaffte sich vorsorglich drei Monate Zeit, indem er ihr berichtete, dass er zunächst auf Provision arbeiten würde und erst ab dem vierten Monat einen Monatsscheck kriegen würde.

Kostas, der das Ganze wie immer still betrachtete meinte nur: „So hat er jetzt 90 Tage Zeit, andere Lügen zu erfinden“, trank einen Schluck von seiner heißen Schokolade und meinte: „Lieber Gott, wir haben doch nur ein Leben, danke dass ich es als Grieche leben darf.“

Euer Niko


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