Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, hat seine Mitglieder zur Hilfe für Griechenland aufgerufen. Mit Erfolg: Mehr als 50 wollen griechische Bürgermeister beraten.
Kehle wird sie brauchen. Denn in seinem soeben wieder bestätigten Amt als Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebunds organisiert der einstige Bürgermeister von Wernau bundesweit Hilfe für Griechenland – die mit Rücksicht auf das angeschlagene Selbstbewusstsein der Griechen „Wissenstransfer“ heißt. „Wir können nicht immer nur diskutieren, was andere nicht leisten, wir bieten unsere Erfahrung an, entscheiden müssen dann die Griechen selbst.“
Und die haben in vielen Vorgesprächen Beratungsbedarf auf vielen Feldern angemeldet: Tourismus, erneuerbare Energien, Abfallwirtschaft, Wasserfragen, um nur einige zu nennen. In der vorigen Woche bekam der deutsche Einsatz in Thessaloniki ein Stück mehr Struktur: Ein Büro wurde eröffnet, das als feste Anlaufstelle griechischen Bürgermeistern zunächst mit deutschem Rat zur Verfügung steht. Zur Eröffnung kam neben Kehle der Griechenlandbeauftragte der Bundeskanzlerin, Hans-Joachim Fuchtel, angereist. „Ich bin in Griechenland wesentlich bekannter als hier“, lacht der Calwer CDU-Abgeordnete, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium.
Seit er seine Aufgabe vor einem knappen Jahr übernahm, ermuntert der pragmatische Christdemokrat zu Partnerschaften zwischen deutschen und griechischen Kommunen („man muss unten anfangen“), vermittelt Expertenwissen, knüpft Ausbildungskontakte. „Das zieht Kreise“: So habe die Schömberger Feuerwehr ihr ausgemustertes Fahrzeug überholt und nach Kreta gebracht, „die können’s brauchen“, freut sich Fuchtel. Im Herbst erwartet er junge arbeitslose Griechen in Schwarzwälder Gastronomiebetrieben, „das können beide brauchen“.
So robust Fuchtel daherkommt, auch er weiß, was Roger Kehle so formuliert: „Sehr viel Fingerspitzengefühl ist nötig, die Griechen warten nicht auf den Deutschen, der ausstrahlt, dass er das Problem am besten und am schnellsten löst.“ Wer anders auftritt, dem schlägt ehrliches Interesse entgegen“.
Beeindrucken ließ sich Kehle von Thessalonikis Bürgermeister Giannis Boutaris, den er bei seinem ersten Besuch im Frühsommer kennengelernt hat. Der 70-Jährige, der erst seit zwei Jahren im Amt ist, ist erfolgreich dabei, seine marode Stadtverwaltung zu sanieren. In Hamburg hat er sich angesehen, wie ein moderner Hafen funktioniert, in Berlin das Abfallmanagement studiert. „Der geht mit Kompetenz an die Probleme ran.“
Es ist kein Zufall, dass das Büro in der mit fast einer Million Einwohnern zweitgrößten griechischen Stadt eröffnet wird. Schon vom Oktober an sollen sich dort ehrenamtliche deutsche Experten einfinden. Die Reisekosten trägt der Bund, die Griechen tragen den Rest. Viele junge deutschsprechende Griechen können übersetzen. Als „wissensbegierig und hilfsbereit“ hat Kehle sie erlebt.
In einer ersten Pilotphase bis Dezember sind zunächst zweitägige Beratungseinsätze geplant. Später können intensivere Beratungen oder Projektbegleitungen erfolgen. „Die Kollegen sollen das Problem erkennen. Später machen wir Lösungsvorschläge, am besten gemeinsam erarbeitete, denn sie müssen tragfähig sein.“ In allen Beratungsprojekten werden Fragen der Verwaltungsorganisation und des Verwaltungsmanagements anzusprechen sein“, heißt es in Kehles Bürgermeisterbrief.
Denn ohne das kleine und große Einmaleins kommunaler Verwaltung geht nichts. „Man muss wissen, wer entscheidet was im Rathaus. Schnelle medienwirksame Ergebnisse werde es nicht geben: „Eine funktionierende kommunale Struktur aufzubauen, ist kein Schnellläuferprozess, man braucht Ausdauer und Mut.“ Aber eines sei auch klar: „Wir werden nichts verändern, wenn wir bloß in der Analyse verharren.“
Quelle: Badische Zeitung