Die meisten Kreta-Liebhaber schätzen an der „Insel der Götter“ ja nicht nur Sonne, Sand und Meer, sondern auch die Natur, Kultur und Historie, die dem Besucher ja auf Schritt und Tritt quasi „anspringen“. Und für ebendiese Besucher haben wir uns heute mal die 7 imposantesten und architektonisch herausragendsten historischen Festungen auf Kreta vorgenommen.
Alle haben gemeinsam, dass sie während der rund 450 Jahre dauernden Besetzung Kretas durch die Venezianer errichtet wurden (1204 – 1669 n. Chr) und recht militärischen Charakter haben. Im 6. Venezianischen Türkenkrieg (1645 bis 1669) eroberten die Osmanen als eine der letzten venezianischen Bastionen auch Kreta – als letzte Bastion fiel Chania nach rund 20-jähriger Belagerung. Unter dieser türkischen Herrschaft ab 1669 (Turkokratie – Τουρκοκρατία) wurden auch die venezianischen Festungsanlagen auf Kreta „weiterbenutzt“ und tragen deshalb teilweise auch heute noch türkische (Bei-)Namen.
Wie gesagt haben wir die 7 wohl imposantesten Befestigungen herausgepickt und wollen Euch diese hier auch vorstellen.
Die Festung „Firkas“ in Chania.
Diese Festung, die heute noch den türkischen Namen „Firkas“ (Kaserne) trägt, war Teil eines Verteidigungssystems, das im Jahre 1538 vom Ingenieur Michele Sanmichele begonnen wurde (dieser entwarf auch die Verteidigungsanlage Heraklions, aber dazu später mehr).
Die „Firkas“ wurde im Jahr 1629 fertiggestellt und schützte die Einfahrt zum venezianischen Hafen vor Angreifern. Hierzu wurde eine dicke Kette, die von der Festung bis zum Fuß des Leuchtturms gespannt, um den Hafen vor Eindringlingen zu schützen. Der Leuchtturm ist übrigens auch ein venezianisches „Relikt“, und wurde 1570 erbaut.
Der Name „Firkas“ ist der Tatsache geschuldet, dass sich in dieser Festung die Kaserne der türkischen Armee in Chania befand.
Aber auch in der „Neuzeit“ hatte die Festung Firkas eine große Bedeutung: die Vereinigung Kretas mit Griechenland wurde 1913 hier feierlich gefeiert. Die türkische Flagge wurde für immer vom Mast heruntergelassen und an ihrer Stelle wurde die blau-weiße Flagge Griechenlands gehisst, die seitdem stolz weht.
Die Festung „Frangokastello“ im Süden von Chania
Frangokastello ist einer der meistbesuchten Orte der Insel Kreta. Dieser liegt an der Südküste Kretas, etwa 12 km östlich von Sfakia in der Präfektur Chania und ist beliebt für seine einzigartige Architektur und mindestens eine faszinierende Legende. Die Festung von Frangokastello wurde 1371 direkt am Strand erbaut, um die Siedlung vor Piraten zu schützen.
Aber vor allem ist auch sie für eine Schlacht mit den Türken im Jahr 1828 bekannt. Während dieser Schlacht kämpften 600 Griechen gegen eine Armee von Türken, die über 8000 Soldaten zählte. Die Schlacht dauerte eine Woche. Letztlich verloren die Türken 800 Soldaten – diesen gegenüber lagen 335 griechische Krieger mit ihrem Anführer tot und unbegraben im Sand, bis der Wind vom benachbarten Strand „Orthi Ammos“ weiteren Sand brachte und sie damit bedeckte.
Frangokastello ist eine der berühmtesten Burgen Griechenlands, denn hier findet man um den Jahrestag dieser schrecklichen Schlacht ein als „Drosoulites“ (Δροσουλίτες) bekanntes Phänomen, das in manchen Jahren im späten Frühling, meist um Ende Mai/Anfang Juni, in der Nähe der Burg beobachtet wird.
Dann kann man im feuchten Morgendunst am Strand eine Fata Morgana von wandelnden menschlichen Figuren sehen. Eine Prozession von Männern in schwarzen Rüstungen marschiert und reitet von der zerstörten Kirche von Agios Charalambos zur Burg. Man glaubt, dass es sich dabei um die Geister der griechischen Soldaten handelt. Sobald diese Prozession das Meer erreicht, löst sich diese Vision nach ca. 10 Minuten mit den ersten Sonnenstrahlen auf.
Diese Fata Morgana soll so real sein, dass 1890 eine türkische Armee das Feuer auf die Vision eröffnete. Während des Zweiten Weltkriegs gab es eine ähnliche Situation, als eine deutsche Patrouille auf diese scheinbare Prozession schoss.
Solltet Ihr in den Genuss dieses Naturschauspieles kommen – bitte nicht schießen, die sind schon alle tot!
Die Festung „Kastro Gramvousa“
Die Festung von Gramvousa (Κάστρο Γραμβούσας), wie wir sie heute kennen, wurde im 16. Jahrhundert (1579–1584) von den Venezianern aus Angst vor der Expansionspolitik der Osmanen errichtet. Sie gilt als architektonisches Meisterwerk und war eine unbezwingbare Festung.
Die strategische Position der Festung ermöglichte es ihren venezianischen Herrschern, die Meerenge zwischen Westkreta und dem Peloponnes zu kontrollieren.
Trotzdem konnte die Eroberung durch die Türken nicht verhindert werden und von da an, war auf Gramvousa richtig was los: die Venezianer nutzen Gramvousa als Brückenkopf zur Zurückeroberung Kretas, die Kreter widersetzten sich der „Turkokratia“ (s.o.). Allerdings war alles vergebens, denn 1692 wurde die Festung vom venezianischen Kommandeur von Kalabrien an die Osmanen übergeben.
Während des griechischen Aufstandes gegen die Osmanen spielte Gramvousa eine wichtige und entscheidende Rolle. Nach mehreren Versuchen wurde die Festung schließlich 1825 von kretischen Rebellen erobert, als es einigen von ihnen gelang, sich als Osmanen verkleidet in die Festung zu schleichen.
Von hier aus begann der Befreiungsschlag gegen die osmanische Besetzung. Gramvousa diente als Zuflucht für mehr als 3.000 Menschen und wurde zum Startpunkt für sämtliche rebellische Aktivitäten. Von hier aus wurden die Osmanen terrorisiert, die mit ihren bewaffneten Streitkräften Überfälle auf die Christen begangen.
Durch diese Rebellion erschwerten sich die Lebensbedingungen der dortigen Menschen, die in der Piraterie Abhilfe suchten. Erklärtes Zielgebiet dieser Piraten war die Meerenge zwischen Gramvousa und Antikithira und die dort kommerziell verkehrenden internationalen Schiffe. Dies brachte die europäische Öffentlichkeit gegen sie auf.
Nach der Unterzeichnung einer Vereinbarung mit der griechischen Regierung besetzte die britische und französische Marine 1828 die Festung und vertrieb die kretischen Piraten. Die Londoner Protokolle bestimmten 1931, dass Kreta in den Händen der Osmanen verblieb (bis 1913, wie wir bereits wissen).
Die Festung „Koules Apteras“
Die Festung von Koules befindet sich im Gebiet von Paleokastro, 12 km östlich von Chania, in der Nähe der Ruinen des antiken Aptera (ebenfalls sehr sehenswert!). Die Festung wurde von den Türken nach der kretischen Revolution von 1866 ausschließlich aus Verteidigungsgründen, aber auch für die umfassendere Kontrolle des Gebietes gebaut, wie es bei vielen von den Osmanen errichteten Festungen der Fall war. Auf diese Weise wollten sie das Apokoronas-Tal kontrollieren, das eine wichtige und bekannte Passage nach Chania war und ist.
Die Festung war eine der größten Befestigungsarbeiten ihrer Zeit und wurde in einer symmetrischen Form um einen rechteckigen Hof entwickelt. Zwei Rundtürme besetzten die südwestlichen und südöstlichen Ecken der Festung, das Haupttor lag auf der Ostseite. Bei einem Besuch der Festung stellt man fest, wie imposant und massiv diese Konstruktion ist – auch deswegen ist der Bau von 1866 auch heute noch in sehr gutem Zustand.
Die Festung „Koule“ in Heraklion
Hier wollen wir durch den Namen „Koule“ keine Verwirrung stiften – das war/ist ein „Beiname“ mancher Festungen und kommt vom türkischen Namen „Su Kulesi“ (Wasserfestung).
Während der venezianischen Zeit hieß diese imposante Festung „Rocca a Mare“ oder „Castello a Mare“ – also quasi „Wasserfestung“ auf italienisch. Die Venezianer bauten diese Festung während Ihrer Besatzungszeit Kretas Anfang des 16. Jahrhunderts da, wo wir sie heute noch finden – direkt am Anfang des westlichen Wellenbrechers – auf den Resten eines ehemaligen Rundturmes, der während der Zweiten Byzantinischen Epoche (961-1204 n.Chr) erbaut und im Jahre 1303 von einem Erdbeben zerstört worden war. Aber es gab nicht nur diese „große“ Koules, sondern auch noch eine „kleine Koules“. Bei Letzterer handelt es sich um eine kleinere Festung auf dem Gebiet der heutigen Marina, die aus Platzgründen allerdings im 20. Jahrhundert abgerissen wurde.
Der Bau der Festung wurde im Jahre 1540 abgeschlossen und stellt noch heute ein architektonisches Meisterwerk dar. Die Keller und die Plattformen wurden u.a. mit Felsbrocken von der Insel Dia gebaut – und um die schützenden Meeresmauern zu bauen, wurden alte Schiffe mit Steinen beladen und versenkt.Praktisch veranlagt, diese Venezianer!
Die Festung besteht aus zwei Etagen. Im Erdgeschoss befanden sich Lebensmittellager, Munitionsdepots, Regenwassertanks und Gefängnisse – das Fort wurde auch mit einer Bäckerei, Mühle und einer kleinen Kirche ausgestattet. In der ersten Etage waren die jeweiligen Garnisonen beherbergt, an der nördlichen Ecke befand sich der Leuchtturm.
Die Festung sollte den Hafen schützen, der die zentrale Seestraße der Venezianer und der Hauptfrachtterminal von Kreta war. Trotz der großen Kunst und Sorgfalt, mit der es erbaut wurde, erlitt das Fort aufgrund der dauernden Erosion der Nordwand oft Beschädigungen und brauchte ständige Reparaturen. Als Heraklion nach 1669 an die Türken fiel, setzten diese notgedrungen diese Instandhaltungsmaßnahmen der nun „Koules“ genannten Festung fort.
Im Gefängnis von Koules wurden viele kretische Rebellen eingesperrt – so auch 70 Sfakiotische Rebellen, die 1770 an der Revolution von Daskalogiannis teilgenommen hatten. Sie konnten aber entkommen.
Heute ist Koules offen für die Besucher und zeigt u.a. Ausstellungsstücke des legendären Ozeanographen Jacques-Yves Cousteau aus den 1970er Jahren. Die Anlage wird auch häufig für kulturelle Veranstaltungen genutzt.
Die „Fortezza“ in Rethymno
Zu den markantesten Sehenswürdigkeiten und Wahrzeichen der Stadt Rethymno gehört zweifelsohne die venezianische Festung „Fortezza“, die als die größte je errichtete venezianische Burg bekannt und berühmt ist.
Die im 16. Jahrhundert durch die Venezianer errichtete Festungsanlage wurde auf der Anhöhe Paleokastro (Παλαιόκαστρο – ‚Alte Burg‘) im Nordwesten der Altstadt von Rethymno auf dem Gelände der Zitadelle der alten Rithimna und des Tempels der Artemis Rokkea gebaut. Sie ist an der Nordost-, Nord- und Westseite vom Meer umgeben und wurde beim Bau der Außenmauern dem felsigen Gelände angepasst, weswegen sie auch fünfeckig ist. Die Gesamtlänge der vollständig erhaltenen Umfassungsmauer beträgt 1307 Meter.
Damit ist die Fortezza so groß, dass sie die ganze Bevölkerung der Stadt schützen könnte – das ist ja schon einmal beruhigend….
Sie beherbergte mehrere Kasernen, eine Kirche, ein Krankenhaus und einige Abstellräume. Am Eingang, dem Haupttor, befindet sich auch die ehemalige Waffenkammer – ein großes zweistöckiges Gebäude mit Bögen im Innenraum, das heute kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen beherbergt. Im Inneren befindet sich auch das Theater „Erofili“, in dem jeden Sommer kulturelle Veranstaltungen stattfinden. In der Nähe des zentralen Platzes der Festung, steht die schöne Moschee des Sultans Ibrahim – ein ursprünglich christliches Gebäude, das mit dem Einzug der Osmanen umfunktioniert wurde.
Obwohl die Fortezza eine große und gut befestigte Anlage ist, scheint sie zu venezianischen und türkischen Zeiten im Vergleich z.B. zur „Koules“ in Heraklion, keine besondere Rolle gespielt zu haben. Während der deutschen Besatzung wurde die Festung als Gefängnis für kretische Widerstandskämpfer verwendet, die später hingerichtet wurden.
Und last but not least…
Die venezianische Festung Karzama in Sitia
Bereits in byzantinischer Zeit entstanden Festungswälle um Sitia herum. Die Genueser und die Venezianer bauten diese Anlagen später aus, die allerdings nie eine nennenswerte Stärke. Die „Kazarma“ (Casa di Arma – Haus der Waffen) genannte venezianische Festung wurde im 13. Jahrhundert auf einem Hügel in der Nähe des Hafens von Sitia gebaut.
Mehrere Erdbeben, die Aufstände der Einheimischen gegen die Venezianer und der Überfall von Barbarossa und seinen Mannen im Jahre 1539 verursachten erhebliche Schäden an den Mauern und der Festung selbst. Die Mauern wurden irgendwann von den Venezianern niedergerissen; sie hatten zwar vor, sie stärker und besser wieder aufzubauen, taten es aber nicht. Als die Venezianer die Stadt 1651 aufgaben, zerstörten sie fast alles, damit den Türken so wenig wie möglich in die Hände fallen konnte.
Glücklicherweise hatte die Kazarma ein besseres Schicksal; auf den Ruinen der venezianischen Festung errichteten die Türken eine neue Anlage und nahmen auch einige Ergänzungen an der Konstruktion vor, die heute noch sichtbar sind. Die kuppelförmigen Aussichtspunkte auf den Zinnen der Festung z.B. sind ein typisches Beispiel für den osmanischen „Touch“ dieses Bauwerks.
Was der Besucher heute sieht, sind hauptsächlich die türkischen Ruinen. Seit 1966 steht die „Kazarma“ unter Denkmalschutz, im Sommer finden auch hier verschiedene kulturelle Veranstaltungen statt.
Wir hoffen, Euch einen kleinen Überblick über 7 der vielen sehenswertesten Festungen Kretas gegeben zu haben – natürlich ohne den geringsten Anspruch auf Vollständigkeit, die den hier vorhandenen Rahmen definitiv sprengen würde. Aber ein paar Anregungen sind hoffentlich für Euch dabei!
Radio Kreta – immer gute Ausflugtipps.
Und auch Ierapetra fehlt 😉
Schöner Bericht, aber unvollständig: es fehlt Spinalonga bei Agios Nicolaos – ein „must have seen“ wenn es um Festungen geht!!