Nikos erzählt…. Der Bäcker von Idomeni.

Nikos erzählt vom Bäcker in Idomeni

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Reicht grad zum Überleben.

Kostas, mein Cousin aus Heraklion, rief mich an. Nichts Neues, wir telefonieren mehrmals in der Woche. Dieses Mal waren es jedoch nicht Themen, die in Kreta angesiedelt sind sondern solche vom gegenüberliegenden Ende Griechenlands. Er hatte gerade einen Bericht im Fernsehen gesehen und wollte mir darüber berichten.

Kostas erzählte die Geschichte von dem Bäcker, dessen Vorfahren Anfang der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts gezwungen wurden, aus Ostthrakien in die nordgriechische Region Zentralmakedonien umzusiedeln in das Dorf, das inzwischen durch Funk und Fernsehen wegen der Berichterstattung über die Flüchtlingskrise fast jeden Tag erwähnt wird.

Idomeni ist eine der drei Teil Gemeinden von Peonia mit insgesamt 309 Einwohnern. Insgesamt halten sich in Griechenland mittlerweile seit der Grenzschließung des Nachbarstaates Mazedonien etwas mehr als 50.000 Flüchtlinge und Migranten auf.

Die deutsche Kanzlerin sprach Griechenland Unterstützung zu, während Österreichs Verteidigungsminister Mazedonien Hilfe bei der Grenzsicherung anbot. Große Worte, große Taten auf Kosten von Hilfsbedürftigen, auf Kosten der Menschlichkeit.

Und jetzt sind weit mehr als zehntausend Menschen in Idomeni und vegetieren vor sich hin. Man kann alles kritisch betrachten. Man kann alles verneinen oder befürworten, man kann seine Meinung äußern und es muss nicht nur ein Abnicken für ein „Ja“ oder ein „Nein“ sein. Aber man kann doch nicht wortlos zusehen, wie Kinder statt einer Kante Brot Schlamm und Morast essen.

Und die Menschen von Idomeni, die selbst nur das Nötigste zum Überleben haben, die, die den täglichen Kampf zum Überleben jeden Morgen neu aufnehmen müssen, diese Menschen helfen den Flüchtlingen und Migranten mit allem, was sie haben. Bettlaken werden zu Kleidungstücken. Und die Bäckerei ist vierundzwanzig Stunden lang im Betrieb. „Solange ich Mehl habe, solange werde ich auch Brote backen und an die Kinder verteilen“, sagt der Bäcker des Dorfes.

Wenn es einen Nobelpreis für Menschlichkeit gibt, dann gebührt er den einfachen Menschen Griechenlands, die selber in den letzten Jahren massiv gebeutelt wurden und jetzt das Wenige, was sie haben, mit noch Bedürftigeren teilen.

Die Geschichte vom Mann auf der Insel

Vor einigen Jahren hatte ich mal die Freude, ein Programm des Schweizer Kabarettisten und Schriftstellers Franz Hohler zu sehen. Seine Geschichte vom Mann auf der Insel fiel mir ein:

Eines Tages bemerkte der Mann, dass die Insel unter ihm zitterte.
„Sollte ich vielleicht etwas tun?” dachte er. Aber als die Insel zu zittern aufhörte, beschloss er, erst einmal abzuwarten.

Wenig später brach ein Stück der Küste ab und fiel tosend ins Meer. Der Mann war beunruhigt.
„Sollte ich vielleicht etwas tun?” dachte er. Da er aber auch gut ohne das Stück leben konnte, beschloss er, weiter abzuwarten.

Kurz danach fiel ein zweites Stück seiner Insel ins Meer. Der Mann erschrak nun heftiger.
„Sollte ich vielleicht etwas tun?” dachte er. Doch als nichts weiter passierte, beschloss er, abzuwarten.
„Bis jetzt” sagte er sich, “ist ja alles gut gegangen.”

Es dauerte nicht lange, da versank die ganze Insel im Meer und mit ihr der Mann, der sie bewohnt hatte. „Vielleicht hätte ich doch etwas tun sollen” war sein letzter Gedanke, bevor er ertrank.

Kostas sagte, dass der Mann auf dieser Insel bestimmt kein Grieche wäre und das Beispiel des Bäckers bezeugt das. Obligatorisch sagte er zum Schluss des Gesprächs: „Lieber Gott, wir haben nur ein Leben. Danke, dass ich es als Grieche leben darf.“

Euer Niko


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