Beamte sind ja per se immer eher Gegenstand und Ursache öffentlichen Ungemaches, als wirkliche „Freunde und Helfer“ – da schlägt halt immer wieder die Bürokratie durch, die die Hellenen wohl zur Perfektion betreiben (naja, irgendwas kann ja jeder RICHTIG gut…).
Mein Freund Alexandros von der Süddeutschen Zeitung hat sich auch zu diesem Thema im Magazin 05/2010 ausgelassen und mir ganz genau erklärt, wie das mit den Beamten hier in Griechenland so läuft.
Läuft zwar blöd, ist aber in Teilbereichen fast nachvollziehbar. Aktion – Reaktion. Oder halt: keine Aktion – keine Reaktion…. Da ist der Grieche an sich konsequent.
Aber lest selbst, was Alexandros zum Thema sagt:
„DHMOSIOS ΥPALLHLOS – Der Beamte
Seit Beginn der jüngsten griechischen Demokratie im Jahr 1974 ist unter Griechen kein Job begehrter als der des Staatsdieners. Schätzungen zufolge (eine glaubwürdige Statistik existiert in Griechenland nicht, weil Staatsdiener die Zahlen gern manipulieren, siehe EU-Stabilitätskriterien) arbeiten mehr als eine Million Menschen für den Staat. Das ist fast jeder vierte Erwerbstätige. Es ist ein bisschen so wie früher in den kommunistischen Blockstaaten, der Staat ist der größte Arbeitgeber, von ihm hängt alles ab.
Mein Onkel, nennen wir ihn Herkules – ich kann seinen richtigen Namen aus verschiedenen Gründen, die gleich folgen werden, nicht nennen –, arbeitet auch für den griechischen Staat. Als Beamter. Morgens steht Herkules gegen 7:30 Uhr auf, bringt seine Tochter zur Schule und fährt ins Büro. Dort bestellt er bei seiner Sekretärin einen Kaffee, zündet sich trotz Rauchverbots in öffentlichen Gebäuden eine Zigarette an, setzt sich vor seinen Computer, schaltet ihn ein und googelt.
Er recherchiert nicht im Netz, seine Funktion als Stadtplaner im Bauamt erfordert das nicht. Eigentlich erfordert nichts die Anwesenheit meines Onkels. Müsste ich sein Jobprofil erstellen, würde ich einen langen Strich malen. Schaut man sich zum Beispiel Griechenlands zweitgrößte Stadt Thessaloniki auf Google Maps an, wird schnell klar, dass Stadtplanung in Griechenland zum letzten Mal in der Antike ein Thema war. Da müsste man schon Pergament aufrollen. Entlohnt wird mein Onkel allerdings mit knapp 2300 Euro pro Monat. Das ist für griechische Verhältnisse sehr viel Geld, das durchschnittliche Monatseinkommen liegt bei etwa 700 Euro.
Herkules ist seit seinem 19. Lebensjahr Beamter. Damals kam ein älteres Mitglied unserer Familie auf ihn zu, fragte ihn, welcher Partei er nahe- stehe, Herkules sagte »Nea Dimokratia« (das ist die Partei der Familie Karamanlis) – und er hatte einen Job. Ohne Studium, ohne Ausbildung, aber mit der richtigen Gesinnung. Immer wenn eine der beiden großen Parteien, Nea Dimokratia oder PASOK, die seit 1974 abwechselnd regieren, an die Macht kommt, erhalten Parteimitglieder oder Angehörige von Parteimitgliedern Posten im Staatsbetrieb.
Als Kostas Karamanlis, Neffe des von 1974 bis 1980 regierenden Kostas Karamanlis, im Jahr 2004 für die Nea Dimokratia an die Macht kam, stellte er in guter alter Tradition 68 000 neue Beamte ein. Alles Nea-Dimokratia-Wähler. Diese Tradition bläht seit mehr als dreißig Jahren den Staatsbetrieb auf und macht die jeweilige Wählerschaft glücklich. Deshalb wählt auch mein Onkel Herkules seit mehr als dreißig Jahren Nea Dimokratia. Er weiß, wem er seinen Lebensunterhalt zu verdanken hat.
Das heißt, das stimmt so nicht ganz: Nach der offiziellen Arbeitszeit trifft sich mein Onkel manchmal in Bars, Clubs oder Tavernen mit angehenden Bauherren. Die Männer diskutieren über die Fußballergebnisse vom Wochenende, reden übers Wetter, dann geht es ans Eingemachte. Um einen »besonderen« Kontakt zum Chef des Bauamts herzustellen, verlangt Herkules 150 Euro. »Es gibt Kollegen, die wollen dafür mehr«, sagt er. Für Tipps, wie man die Bauverordnung trickreich umgeht, bekommt er 300 Euro. Um eine Baugenehmigung zu garantieren, erhält Herkules in der Regel etwas mehr als ein Monatsgehalt. »Die Tarife variieren.«
Hat Herkules keine Gewissensbisse? Wie kann er seine Töchter zu anständigen Menschen erziehen und gleichzeitig seine Verantwortung missbrauchen und den Staat betrügen?
Er sagt: »Als ich mit 19 anfing, habe ich mich stets an die Vorschriften gehalten. Ich wollte ja nicht auffallen. Das Problem war: Ich fiel dadurch auf, dass ich mich penibel an die Vorschriften hielt. Die Kollegen beäugten mich mit bösen Blicken, mein Chef zitierte mich mehrmals zu sich, ich verschlechtere das Büroklima. Mit der Zeit kamen immer weniger Bauvorhaben auf meinen Schreibtisch, eines Tages kam keines mehr. Ich hatte also die Wahl: Entweder nichts tun und weiter von den Kollegen geächtet werden. Oder nichts tun und eine Menge Geld verdienen. Was hättest du getan? Nimm’s mir übel, wenn du willst. Aber so funktioniert nun mal das griechische System.«
Übrigens: Nächstes Jahr geht Herkules in Rente. Mit 51 Jahren. Kein unübliches Renteneintrittsalter für griechische Beamte. Erfreulich für ihn: Griechische Ruheständler erhalten laut OECD-Zahlen von 2007 im Schnitt etwa 94 Prozent ihres letzten Gehalts, deutsche Rentner nur 43 Prozent.“
So läuft das also im Öffentlichen Dienst in Griechenland. Da muss man sich noch wundern? Nö, also ich nich. Ich als kleiner Hund habe zwar wenig Ahnung, aber selbst ich wittere da: das konnte und kann nich gut gehen…
Aber was Alexandros mir zum Thema „STHN MAURH – Schwarzarbeit“ erzählt hat, könnt Ihr im Teil VI vom „Highway to Hellas“ erfahren.