Griechische Musik- Ein Interview mit der Gruppe Drosostalides
Wir alle wissen, dass die griechische Musik vielseitig und einzigartig in ihrer Art ist. Dabei nimmt die Volksmusik einen sehr hohen Stellenwert ein.
Geprägt sind diese Stilrichtungen durch die Partisanenaufstände gegen die türkische Herrschaft. Damals entstanden meist sentimentale, traurige Weisen, die immer noch die Seele der griechischen Musik bilden. Diese überlieferten Lieder werden heute noch sehr gerne gesungen. Wir kommen jetzt zu der Musik, die Drosostalides so vortrefflich beherrscht: dem Rembetiko. Hier zeichnen sich Bouzouki und Baglamas aus, diese typischen Instrumente, die von Vamvakaris, Tsitsanis und Chiotis meisterlich beherrscht wurden. Und hier muss ich jedem den Film „Rembetiko“ von Kostas Ferris aus dem Jahre 1983 ans Herz legen.
Dieser Film gibt den Lebensstil dieser Epoche und dieser Musik eindrucksvoll wieder. Hier fallen viele Parallelen zu dem Blues auf wie die schwermütige Stimmung der Ärmsten der Armen. Als Tsitsanis Anfang der fünfziger Jahre sein Repertoire um viele andere Themen erweiterte, wurde der Rembetiko auch in allen Teilen der Bevölkerung populär. Hier dürfen Namen wie Georg Zambetas, Grigoris Bithikotsis und Stelios Katzantzidis nicht ungenannt bleiben.
Zwar aus der Seele der Griechen erfunden und empfunden, hatte diese Musik sehr lange keine Daseinsberechtigung in den Medien. Die sogenannten gebildeten Kreise ignorierten diese Musik, weil ihr Ursprung in der Türkei lag. Die Jahre vergingen und das populäre Kunstlied entstand. In dem Zusammenhang sind in erster Linie Mikis Theodorakis und Manos Hatzidakis zu erwähnen. Die Texte waren sehr lyrisch und verhalfen vielen griechischen Dichter zu enormer Beachtung.
Die Weiterentwicklung der griechischen Musik wurde von Größen wie Kostas Hatzis und Dionisios Savopoulos begleitet. Das war die s.g. „Neue griechische Welle“, die heute durch Laurentis Maheritsas, Philipos Pliatsikas, Nikos Portokaloglu und Babis Stokas der nächsten Generation nahe gebracht wird.
Aber lasst uns nun zum Interview mit der Gruppe kommen….
Seit einigen Jahren besuche ich die Konzerte dieser Gruppe, die aus sieben festen Mitgliedern besteht und mit verschiedenen Gast-Musikern auftritt. Da diese Gruppe hervorragende Musik macht, möchte ich sie gerne einem breiteren Publikum vorstellen. Klar kann man eine Anzahl von Fragen erdenken und diese jedem Einzelnen stellen, doch wie ich die Hörer und Leser von www.radio-kreta.de inzwischen kenne, würden sie nach wenigen Zeilen auf eine anderen Seite wechseln. Ich wollte also kein typisches Interview machen und war deshalb mit einem besonderen Ohr bei den letzten zwei Konzerten dieser Gruppe und bei einer Generalprobe anwesend.
Zisis Siantidis und Georgios Bakalidis hatten im Jahr 2006 die Idee, eine Formation zu bilden, die das breit gefächerte und hervorragende Liedgut Griechenlands zunächst im Großraum Stuttgart und inzwischen auch in anderen Bundesländern sowie in Österreich und der Schweiz zu präsentieren. Die Stilrichtungen Laiko und Rembetiko dominierten und so stieß Georgios Konstantis als virtuoser Bouzoukispieler dazu.
Mit Gitarre, Akkordeon und Bouzouki hatte man sich instrumental nun gut aufgestellt und so suchte man die stimmliche Ergänzung. Mit Sevi Filipidou und Pavlos Zisakos fand man zwei Meister ihres Fachs, deren Stimmen gut harmonierten. Insbesondere Sevi’s Fähigkeit, die 2. Stimme in unterschiedlicher Tonhöhe zu singen, verleiht der Gruppe ein großes Stück Harmonie und Authentizität. Die beiden singen nicht nur, sie fühlen den Rhythmus und die Zuschauer verlassen die Konzerte mit dem Gefühl, das jeder Grieche verspürt, wenn er Musik von Vamvakaris, Tsitsanis, Theodorakis, Xatzidakis, Kaldaras, Plessas, Kougioumtzis, Loizos, Tokas, Nikolopoulos usw. hört. Das Quintett veröffentlichte erste YouTube Videos.
Als die ersten fünf Mitglieder die Gruppe gründeten, wollten sie authentische Musik machen, die ihnen persönlich gefällt und sich dazu qualitativ auf einem hohen Niveau befindet. Gleichzeitig sollte sie auch ein breites Publikum ansprechen. Musikgruppen gibt es schließlich sehr viele.
„Darum haben wir uns zunächst den alten Liedern gewidmet, und es gibt noch so viele Künstler und Komponisten der alten Epochen, denen wir uns noch widmen wollen und der heutigen Gesellschaft darbieten wollen. Das war auch der Grund, warum wir den Namen Drosostalides ausgesucht haben. Wir wollen wie kleine frische Tautropfen mit den Liedern vergangener Zeiten die Herzen unserer Mitmenschen erfrischen, “ sagt Sevi Filipidou.
Um den Klang noch zu ergänzen, kamen schnell weitere befreundete Musiker dazu: Nikos Hatzis mit Bass-Gitarre und Vangelis Dimopoulos mit Baglama und Percussion.
„Das Rezept für den Erfolg ist eine hohe Probendisziplin, die Arbeitsweise (für alle Songs werden Tabs/Noten verteilt) und die Harmonie in der Gruppe. Maßgeblich ist unsere Überzeugung und Liebe für das Repertoire, das wir spielen,“ ist eine Kernaussage der Musiker. Das erste Konzert sollte eine Hommage an Stelios Katzantzidis sein und hierfür waren über fünfzehn Proben notwendig, um den Klang der untypischen Zusammensetzung der Instrumente mit der führenden Stimme des Mannes (Pavlos) und der Begleitstimme der Frau (Sevi) in Einklang zu bringen. Vangelis Dimopoulos meinte, dass die Gruppe nur dann gut funktioniert, wenn menschlich wie musikalisch die Harmonie stimmt.
Bis zum ersten „Beschnuppern“ im Jahr 2007 waren einige der Bandmitglieder eher in der englischsprachigen Musik beheimatet oder als Einzelkünstler mit diversen kleinen Auftritten unterwegs. Dann wollten sie etwas Neues ausprobieren und kamen auf den Geschmack der Muttersprache. Nach den ersten Kontakten wurde schnell klar, dass sie zusammen Musik machen wollten. Die ersten Proben liefen super, erste kleinere Auftritte in Tavernen klappten auch ganz gut. 2009 entstand dann der Bandname „Drosostalides“. So nahm alles seinen Lauf.
Auf die Frage, was man unterwegs und zuhause hört, kamen Antworten wie „Radio“ und „egal was gespielt wird“ bis hin zu Klassik, Jazz und moderner griechischer Musik und auch Punk Rock, den Sevi früher auch gesungen hatte. Georgios Bakalidis und Georgios Konstantis haben auf Initiative von Pavlos, der nicht nur ein bemerkenswerter Maler ist, sondern auch lyrische Texte verfasst, Kompositionen geschaffen, die auf der CD Emeis oi anthropoi zu finden sind.
„Stichwort Konkurenzdenken: Wie geht ihr damit um? Ich will jetzt keine Wildwest- Geschichten hören.“
„Das Wort Konkurrenzdenken war unter uns niemals ein Thema. Wir sind uns einig, dass jeder sein Instrument beherrschen soll, um gemeinsam einen Einklang zu schaffen. Klar gibt es zwischen anderen Gruppierungen und uns das Eine oder Andere, was verständlich ist, aber unter uns hat bisher die Harmonie die Oberhand gehabt.“
Zisis ergänzte, dass der Beginn zwar mit Stress verbunden war, dass es aber positiver Stress war. Inzwischen kennt man sich und die Stimmungen und Eigenschaften jedes Einzelnen gut und man kann vieles respektieren und tolerieren.
Wie geht Ihr bei der Auswahl der Titel vor?
Wir besprechen es gemeinsam. Musikalisch schaffen wir alle Titel, aber wir müssen Rücksicht auf die Sänger nehmen, weil nicht jeder alles singen kann. So haben wir bei der Hommage an Kaldaras als Gastsängerin Korina Fanaridou gehabt, die seine orientalisch angehauchten Stücke hervorragend interpretierte.
Plant Ihr die Veröffentlichung einer neuer CD?
Lieder selbst zu schreiben ist ein Traum, den viele Menschen mit sich tragen. Wir haben hier bereits einige Songs geschrieben und auch aufgenommen. Gute Songs brauchen ihre Zeit, wir wollen hier nichts überstürzen. Eine zweite Option wäre ein Livemitschnitt. Auch daran arbeiten wir. Momentan sind wir schwer am Grübeln.
Welche CD/Platte habt ihr als erstes gekauft?
Vangelis sagte spontan: Edvard Grieg Peer Gynt Suiten
Georg Bakalidis : Kirchenmusik von Bach
Sevi Filipidou: Aber nicht lachen, ich war ja noch ein Teenie! Die Single „I miss you“ von Haddaway!
Zisis: irgendetwas griechisches, ich glaube Xaris Alexiou.
Ihr habt Hommage-Abende gehabt mit Musik von Tsitsanis / Koujioumtzis, Loizos und Kaldaras: Denkt ihr auch über ein Konzert mit neuerer griechischer Musik nach?
Georgios Bakalidis: „Warum nicht, aber hier sollte auch die Instrumentenzusammensetzung passen. Wir haben deshalb bei einigen Konzerten auch Gastmusiker dabei. Bei den letzten zwei Konzerten war Nektarios Galanis dabei, der Bouzouki, Gitarre und Geige spielt. Seit unserem Auftritt in der Liederhalle begleitet uns Kostas Matzios höchst kreativ am Schlagzeug. Die Leute kennen uns als Gruppe, die sich dem Laiko gewidmet hat. Ob ein Konzert mit moderner Musik Erfolg hat, muss man abwarten. Grundsätzlich jedoch haben wir keine Abneigung, wobei wir Stile gerne auch mischen würden.“
„Ich erinnere mich an die Hommage an Tsitsanis mit Beamer. Warum wiederholt ihr so etwas nicht? “,. fragte ich Georgios Bakalidis. Er meinte, dass die Besucher sich langweilen. Sie wollen keine drei, vierminütige Pausen mit Textpassagen, sondern Musikstück nach Musikstück hören. „Am liebsten möchten wir als Dokumentarmusiker fungieren“, ergänzt Zisis. „Wir wollen mehr Hintergrund schaffen. Der Zuschauer soll nicht nur dreißig Musikstücke am Abend präsentiert bekommen, sondern auch Hintergrundberichte.“
In der Runde kam das Wort Lampenfieber auf und hier war querbeet zu hören, dass bei privaten Feiern, bedingt durch den Begleitlärm, so etwas nicht existiert, aber bei Konzerten alle mal. „Bei Konzerten sitzen die Leute und sind voller Erwartungen, und Du musst sofort 100% geben.“
Wie kam die Zusammenarbeit mit Kostas Antoniadis zu Stande?
„Kostas ist gut in den Siebzigern, ist ein gefeierter Musiker in Griechenland und Deutschland gewesen und tritt gelegentlich immer noch auf. Unser Bouzouki- Spieler Georgios Konstantis kannte ihn, er war bei einem unserer Konzerte und so entstand die Idee, in Frankfurt gemeinsam etwas zu machen.“
Welche musikalischen Vorbilder habt Ihr?
Pavlos: Katzantzidis, Wardis, Parios, Plessas, Hatzidakis
Sevi: Marinella, Xaris Alexiou und Vicky Mosxoliou
Die Instrumentalmusiker zählten die üblichen Verdächtigen auf, die oben schon erwähnt sind.
Was dürfen wir demnächst von Euch erwarten?
Als nächstes werden wir uns wahrscheinlich Manolis Chiotis widmen. Er war ein begnadeter Komponist, Bouzouki-Virtuose und Sänger. Er erlangte auch in den USA Anerkennung, vor allem durch die Würdigung seiner Fähigkeiten durch Jimi Hendrix, der amerikanische Präsident Johnson lud ihn ein, auf seiner Geburtstagsfeier zu spielen! Sein Werk als Ganzes ist hochinteressant, reicht vom Rembetiko über das Laiko bis hin zu Stücken mit Jazz/Swing Einflüssen und bietet viel Spielraum für neue Interpretationen, auch für gewagtere Experimente. Wir wollen damit über uns hinauswachsen und zeigen, dass wir nicht nur „Laiko“ können, sondern sehr viel mehr. Mehr dazu im nächsten Jahr!
Alle, die ich hoffentlich neugierig auf „Drosostalides“ gemacht habe, können sich intensiver unter www.drosostalides.de über die kommenden Auftritte informieren.