Nikos erzählt…. Geschichten von Kreta
Es stimmt! Wir sind seit fünf Tagen auf Kreta und die letzten Monate in Deutschland sind nicht absolut spurlos an uns vorbei gegangen. Kein Tag, ohne dass die schreibende Presse, Radio oder Fernsehen das Gesicht des „faulen Griechen“ gezeigt und geprägt hatten und siehe da, was sehe ich in den Cafés und Bars? Nur von diesen Schmarotzern, die statt zu arbeiten hier die Zeit totschlagen.
Exakt so etwas würde ich schreiben, wenn ich es nicht besser wüsste: nämlich dass diese jungen Menschen so gerne arbeiten würden, wenn Arbeit da wäre, und dass sie stundenlang bei einem Frappe zusammen sitzen, ohne sonst noch etwas zu konsumieren.
Das kleine 1×1 beherrscht fast jeder von uns und hier würde ich gerne von Nancy und Eleni berichten.
Die eine gelernte Visagistin, die andere Köchin. Nancy arbeitet diesen Sommer als Hilfsköchin in einem kleinen Hotel bei Malia. Ihre Arbeitszeiten sind von 7:00 morgens bis 21:00 am Abend. Dazwischen hat sie zwei Stunden Mittagspause auf einer Strandliege in der Küche. Frühstück, Mittagessen und Abendessen für 130 Gäste.
Das heißt, dass nicht einmal die Zeit für einen Zug aus ihrer so heiß geliebten Elektrozigarette möglich ist. Sie arbeitet, die Zeit für Hin-und Rückfahrt abgezogen, 12 Stunden täglich. Bei einem Monat mit dreißig Tagen sind das 360 Stunden. Es gibt keinen Ruhetag versteht sich. Da sie mit ihrem Vater fährt, kann sie sich die Spritkosten sparen und kommt somit auf einen Stundenlohn von € 2,50.
Vor zwei Tagen hat sie sich eine Fingerkuppe an der Wurstschneidemaschine abgeschnitten. Zwei Stunden hat sie wegen der notwendigen ärztlichen Versorgung gefehlt, die am Abend nachgeholt wurden. Der Herd musste ja schließlich bedient werden. Heißt es ein Indianer oder ein Kreter kennt keinen Schmerz?
Ein anderes Beispiel der „faulen Griechen“ ist Eleni. Sie fährt täglich mit dem Bus von Heraklion nach Chersonisos und zahlt knappe 180 Euro dafür. Sie fährt um 10:30 Uhr weg und kommt zwischen 2:00 Uhr und 3:30 Uhr morgens zurück. Einigen wir uns auf 15 Stunden täglich. Das bedeutet abzüglich der Fahrkosten einen Stundenlohn von €1,82. Wenn wir die Zeit, die sie unterwegs ist, abziehen sind es € 2,26 die Stunde. Eleni ist Anfang 60 und bekommt ihr Geld auch nicht regelmäßig, da der Tourismus noch nicht so in die Gänge gekommen ist.
Wenn ich das nächste Mal das Wort von den „faulen Griechen“ höre, dann muss ich Kostas zitieren: „Lieber Gott, wir haben nur ein Leben. Danke dass ich es als Grieche leben darf“.
Euer Niko