Nikos stellt vor…. Miltos Pashalidis.
Spontanität ist ein weiteres Merkmal der Griechen. Dies erlebte ich eine knappe Woche vor dem Konzert von Miltos Paschalidis. Ich setzte mich mit dem Veranstalter in Verbindung, der die drei Konzerte in Stuttgart, Frankfurt und Köln kurzfristig auf die Beine gestellt hatte. Kostas Tsikas, dem ich eine große Veranstalterkarriere voraussage, erklärte sich sofort bereit, zwei Freikarten für die Beantwortung einer Quizfrage zur Verfügung zu stellen und so stand nach nur wenigen Stunden nach Veröffentlichung bei Radio Kreta der Gewinner Stergios Marvin aus Waiblingen fest. Konzerte von Miltos kann man nicht beschreiben. Konzerte muss man erleben und ich möchte mich nach diesem kurzen Vorwort auf das sehr interessante Gespräch mit ihm konzentrieren.
Miltos wurde von Paris Perysiakis begleitet, der Lyra und Mandoline spielte, sowie von der mehr als nur talentierten Mirela Pachou, die sang und Akkordeon und Piano spielte. Die Drei harmonisierten perfekt, improvisierten und boten eine homogene Einheit. Zweieinhalb Stunden Griechenland im Kursaal Bad Cannstatt brachten das Gefühl, in Griechenland, speziell auf Kreta zu sein. Der Untertitel seiner vorletzten CD heißt „Kreta in mir“, und das spürten die Zuhörer.
Miltos, danke Dir für Deine Zeit und entschuldige mein etwas holperiges Griechisch“. Daraufhin antwortete er in einem nahezu akzentfreien Deutsch.
Kein Problem, wir können auch deutsch sprechen, aber lieber wäre es mir auf Griechisch
Wie kommt es, dass Du deutsch sprechen kannst?
Als ich noch zur Schule ging, schickten alle Eltern ihre Kinder zum Französisch und Englisch lernen. Mein Vater wollte, dass ich deutsch lerne. Beim Lernen merkte ich, dass es eine sehr schwierige Sprache ist, aber ich habe sehr gerne Deutsch gelernt und versuche es immer wieder zum Einsatz zu bringen.
Milto, ein herzliches Willkommen in Deutschland. Bevor ich Dir einige Fragen stelle, erlaube mir, Dich von meinen Cousins Kosta und Georg zu grüßen. Kannst Du Dich an die Zeit erinnern, als Du in der Ouzeri Vigla in Heraklion gesungen hast?
Waaas? Das gibt es doch nicht, wie geht es den beiden, mein Gott, die haben mich, als ich 18 war, durchgefüttert, die haben mich großgezogen. Bitte grüße sie aus der Tiefe meines Herzens.
Dich begleitete damals Maria Karnavaki, und ein Lied werden die beiden niemals vergessen: Du hast damals „Piroga“ gesungen.
Ja genau, von Thanos Mikroutsikos. Wahnsinniges Lied. Bitte vergesse nicht, ihnen zu sagen, dass ich sehr ergriffen bin, nach so lange Zeit wieder von ihnen zu hören. Ich habe sie immer in meinem Herzen.
Kleine Kinder träumen davon, Pilot zu werden oder Feuerwehrmann. Was hast Du geträumt?
Ich wollte immer Fußballspieler werden. Möglichst bei AEK Athen.
AEK hat schwierige Zeiten, wie hier meine Lieblingsmannschaft, der VfB Stuttgart.
Fußball ist wie im richtigen Leben. Einmal oben, irgendwann unten. Positiv denken.
Deine Mutter hat Dich dann zum Gitarrenunterricht geschickt und Du wolltest Flöte lernen, stimmt das?
Ja, weißt Du, in Griechenland folgt man dem Wunsch der Mutter und ich bin ihr dankbar. Flöte habe ich nicht gelernt, aber ich bin froh darüber.
1986 bist Du mit 18 nach Heraklion gekommen, um Mathematik zu studieren. Welche Beziehung hast Du heute zu Heraklion?
Ich war wie Du richtig sagst 18 und lebte sechs Jahre dort und dann etwas kürzer in Rethymnon. Die Zeit hat mich intensiv geprägt und ich liebe Kreta sehr.
In Rethymnon hattest Du Kurse in Philosophie belegt.
Mathematik und Philosophie, ja ich wollte was aus mir machen.
Dazwischen warst Du Mitglied der Gruppe Hainides und ihr hattet 1991 eure erste Platte herausgebracht. Wie war die Zeit damals?
Wahnsinnig gut. Wir waren zu dritt. Die Gruppe hat sich öfters verabschiedet und sich immer wieder neu formiert. Zwei sind der Gruppe treu geblieben und sind jetzt seit 25 Jahre zusammen.
Welche Rolle spielt Manos Xidous in Deinem Leben und wie war die Zusammenarbeit mit Pyx-Lax?
In Griechenland sagt man, dass der Beginn die Hälfte der Ewigkeit ist. Manos war für mich der Beginn, er hat meine erste Solo- CD produziert, und zusammen mit Philipos Pliatsikas und Babis Stokas, den Pyx-Lax, habe ich meine allerersten eigene Lieder aufgenommen.
Die waren damals die Großen der griechischen Musikszene.
Absolut richtig, Sie waren die großen Stars und ich ein Neuling. Vor wenigen Wochen, als in zwei Konzerten mein zwanzig jähriges CD- Jubiläum gefeiert wurde, waren sie wieder alle dabei. Manos hat uns von seiner Wolke aus beobachtet, ich bin da absolut überzeugt. Zum Anfang wollte ich zusammen mit diesen Menschen spielen, die ich liebe. Ich bin froh, es geschafft zuhaben
Dann hattest Du Auftritte mit Dimitra Galani, Lavrentis Maheritsas, Vassilis Papakostantinou und, und, und. Nicht zu vergessen Deine Zusammenarbeit mit Mitropanos.
Wir alle lieben die Musik, und wenn ein Kollege ein schönes Lied gesungen hat, dann singe ich es gern auch. Hier gibt es keinen Egoismus. Schau mal, bevor jeder von uns begann, Lieder zu schreiben, hat er Lieder von Anderen gehört und zu seinen Lieblingsliedern gemacht. Niemand ist als Komponist geboren. Du hast drei, fünf, zehn Lieder gehört, die Dein Leben verändert haben und Du fragst dich, kann ich vielleicht auch so etwas machen?
Vor ca. 6 Jahren hattest Du eine Tournee mit Thanos Mikroutsikos. Wie war die Zusammenarbeit zweier begnadeter Musiker?
Wenn wir gemeinsam spielen ist es wie Dynamit. Thanos ist für uns alle wie ein großer Onkel. Er ist ein Teil der Familie, der immer für einen da ist. Wenn ich irgendeine Idee habe und Rat benötige, rufe ich Thanos an und er hat immer die passende Antwort.
Neben Deiner Musik sind Deine Texte immer sehr wichtig gewesen. Du hast mit sehr guten Textern zusammengearbeitet, aber auch sehr vieles selber geschrieben. Was macht Dir mehr Spaß?
Es ist wirklich nicht konstant zu sehen. Momentan schreibe ich sehr gerne Musik. Dann kommen Zeiten, in denen ich lieber Texte verfasse. Das kommt und geht. Es ist niemals gleich.
Ich möchte jetzt auf Deine schriftstellerischen Werke kommen. Ich kenne zwei Romane von Dir. Das heißt ich habe sie leider nicht gelesen, weil mein griechisch nicht sehr gut ist. Erlaube mir trotzdem meine Neugier zu stillen.
Vor einigen Wochen ist sogar mein drittes Buch erschienen. Es sind Episoden meiner Freundschaft zu Alkis Alkeos, der nicht mehr unter uns weilt. Mit dem Buch erschien auch eine CD mit noch unveröffentlichten Lieder. Das Buch half mir, meine Trauer zu überwinden. Es ist keine Biografie sondern das, was wir in zwanzig Jahre Freundschaft gemeinsam erlebten.
In Deinem ersten Werk „Dio nichtes sto Saranti“ ist Nikos Kaloumenos im Mittelpunkt. Nikos ist 80 und Analphabet, aber schlau und raffiniert. Nikos kennt sich in Musik und Fußball aus. Miltos ist der andere Protagonist. Man kennt Dich als großen Musiker und leidenschaftlichen Fußballfan.
Miltos im Roman, das bin ich 1:1. Ich kenne jemanden, der ein sehr schwieriges Leben hinter sich hat und er hat so vieles erlebt und kann die letzten achtzig Jahre wunderbar in Prosa wiedergeben. Mir gefallen Geschichten. Ich höre Menschen sehr gerne zu.
Der 80jährige Niko sagt, dass nichts zufällig geschieht. Überlässt Du nichts dem Zufall?
Ja, es stimmt, zufällig geschieht nichts, aber ich glaube an Bestimmung, sei es privat oder in der Karriere.
Kritiker sagen, Du wärst ein sehr guter Beobachter und Du kannst das Gesehene auch in Worte umsetzen, z.B. „Es kommt nicht drauf an was Du siehst, es kommt darauf an wie du das siehst (Simasia den echi ti wlepis, simasia echi pos to wlepis).“
Manchmal habe ich schlaue Sätze geschrieben.
Jemand hat Deine Art zu schreiben mit der von Seferis verglichen.
Mein Gott, nein, niemals. Seferis ist einzigartig. Mich mit seinem Namen in Verbindung zu bringen ist eine Ehre, aber das ist nicht gerecht. Seferis ist ein Dichtergott.
Zwei Jahre später, also 2012, erschien Dein zweites Buch ‚Der Wächter (Epoptis )‘. Wir wissen, Du hast in Rethymnon studiert. Bill, der Hauptdarsteller, ist ein ewiger Student und zu Beginn der Geschichte 27 Jahre alt. Ist Bill auch Miltos?
Nein, überhaupt nicht, irgendwelche Ähnlichkeiten findet man immer, aber Bill ist eine Fiktion. Das Umfeld ist jedoch das, was ich erlebt habe. Bill beschreibt die Welt mit seinen Worten. Ich habe jedes Wort geschrieben, aber es sind nicht Worte von Miltos, sondern von Bill.
Ich will Dich jetzt etwas hinterlistig fragen: Was ist für Dich Kunst?
Kunst ist ein Hilfsmittel für eine Behinderung. Schau mal, alle Künstler haben eine Art Behinderung und die Kunst hilft uns, das Leben zu meistern. Kunst hilft mir, aufrecht zu gehen, ohne die Kunst hinke ich.
Und jetzt der Grund meiner Frage:
„Και σου τα `λεγε η μαμά σου
να κοιτάζεις τη δουλειά σου
Μάθε, κούκλα μου, μια τέχνη
Τι τον θες τον καλλιτέχνη“
(Deine Mutter sagt Dir
Pass auf und lerne
Mach Dich schlau meine Tochter
Und lass den Künstler zur Seite)
Ja so sind die Mütter. Sie wollen, dass die Töchter einen Beamten mit sicherem Einkommen heiraten und keinen Luftkünstler. Aber die Frauen verlieben sich halt in die Künstler.
Ich möchte Dir recht herzlich danken für die wunderbaren Lieder, die Du uns geschenkt hast. Ich wünsche Dir viele, viele Ideen für die Zukunft und danke Dir besonders für diesen Vierzeiler:
Της αγάπης την ουσία
τη μετρώ στην απουσία
κι όλο γίνομαι κομμάτια
πράσινα γλυκά μου μάτια
(Den Geschmack der Liebe
Findest Du in der Abwesenheit
Und ich zerreiße mich
für grüne, süße Augen)
Während des gesamten Konzertes versuchte Miltos, den Kontakt mit dem Publikum nicht zu verlieren. Sei es, als er Lieder von Manos Xidous, Dimitris Mitropanos, Sakis Boulas oder Alkis Alkeos interpretierte. Für Euch meine Freunde, sagte er und ich freute mich, als er das Lied Apousia sang und sagte: Dieses Lied ist jetzt speziell für Niko, weil er es so liebt.