Kreta und seine Musik
Wenn wir von großen „Alten“ sprechen, dann sind nicht ältere Leute gemeint, die um die zwei Meter groß sind, sondern um Personen, in diesem Fall Personen der Musikszene, die „Großes“ geleistet haben. Da Vassilis Skoulas im nächsten Februar siebzig Jahre sein wird, trifft beides auf ihn zu.
Durch unseren Freund Georg Loukakis haben wir seine Telefonnummer erhalten und als ich anrief und ihm sagte, dass wir gerne ein kleines Portrait von ihm auf radio-kreta.de veröffentlichen wollten, haben wir uns für den übernächsten Tag bei ihm in Anogia verabredet.
Wir kannten ihn aus dem Fernsehen und wir wussten, es ist ein sehr ernster Mensch und so befassten sich meine Frau und ich in erster Linie damit, einiges Wissenswertes über ihn zu erfahren.
Vassilis aus Anogia
Zunächst jedoch stießen wir auf seinen Geburtsort Anogia und die Tatsache, dass aus Anogia nicht nur der leider längst verstorbene Nikos Xilouris stammt, sondern nicht weit weg vom Ortskern soll Zeus geboren sein. Wir erfuhren, dass Anogia drei Mal zerstört wurde 1822, 1867 und 1941, dass dort circa 2500 Menschen wohnen sowie 80 000 Schafe. Die erste Nennung Anogias war im Jahre 1182, als seinerzeit Kreta in 12 Grafschaften aufgeteilt wurde. Interessant ist, dass die auf Kreta übliche Namensendung “akis“ in Anogia sehr selten vorkommt. Ein Insider Witz, den ich leider nicht verstehe, ist, dass man Wörter bildet, in denen die Buchstaben L und R besonders oft vorkommen. So erkennt man in Kreta die Anogianer.
Punkt 17:30 Uhr erreichten wir das Cafe Delina, das sich einen knappen Kilometer vom Ortskern in einer wunderschönen Anlage mit Hotel, Restaurant, Kirche, einem kleines See und einem atemberaubenden Ausblick befindet.
Vassilis Skoulas kam uns entgegen und bot uns Kaffee und Wasser an. Er beäugte uns, meine Frau beladen mit einer Photoaurüstung und mich mit meinem Notizblock bewaffnet, etwas vorsichtig und nachdem ich mich für seine Zeit bedankte, bombardierte er uns mit Fragen. Wo kommt ihr her, was macht ihr, wo seid ihr geboren, was arbeitet ihr im richtigen Leben. Ich merkte nicht, dass nicht ich ihm die vorbereiteten Fragen stellen konnte, sondern er den Spieß einfach umgedreht hatte.
Meine Frau schoss einige Bilder, aber ich musste mich auf diesen Mann so konzentrieren, dass ich keine einzige Silbe notieren konnte.
Als er seinen Wissensdrang gestillt hatte erfuhren wir, dass sein Großvater Michalis ein bedeutender Lyraspieler war und sein Vater, nachdem er mehrere Berufe bis zu seiner Pensionierung ausgeübt hatte, zu einem sehr beeindruckenden Künstler wurde.
Einige Skulpturen und Zeichnungen sind im Kafenion, in dem wir saßen, zu sehen. Mit sieben begann Skoulas mit dem Lyraspiel, und mit sechszehn durfte er bereits mit den großer Musiker seiner Zeit spielen. Seine erste LP war eine Zusammenarbeit mit Niko Xilouris im Jahre 1965. Er war damals neunzehn Jahre alt. Seine erste Solo-LP wurde 1969 produziert.
Früher, sagte er, hat er die ganze Welt bereist, er hatte mehrere Konzerte in den USA und Australien gegeben. Er erinnert sich heute noch sehr gern daran, als er musikalischer Leiter bei dem Theaterstück „Kapitän Michalis“ nach einem Roman von Nikos Katzantzakis war und an die Intensität der Musik. Weiter fuhr er fort, dass man das wahre Gesicht eines Menschen in seiner politischen Seele wieder findet. Und die Musik ist die Sprache der Seele.
Schon 1980 erkannte er, dass die traditionelle kretische Musik sehr viel Verbindung schaffte mit den jüngeren Künstlern und Musikanten Griechenlands. Mit den Protagonisten des „Entekno Tragoudi“ hatte er viele gemeinsame Konzerte.
Die momentane Lage Griechenlands
Traurig mache ihn die momentane Lage in Griechenland. Viele Kinder ohne Zukunft, „ein riesengroßer Schraubstock umklammert uns“, sagte er. „Das griechische Volk wird niemals untergehen, es ist zwar jetzt schwer unterdrückt, aber das griechische Volk wird, wie schon mehrmals geschehen, wieder aufrecht stehen.“ Seine Augen waren hell und tief. „So jetzt führe ich Euch gerne und zeige mein Anwesen“, und wir gingen mit ihm und sahen diese imponierende Landschaft, die uns ein imponierender Mensch zeigte.
„Ich darf nicht vergessen“, sagte er uns zum Abschied, „dass eine Gruppe aus Deutschland mit meiner Musik Musik-Therapie- Kurse abhält, die waren vor kurzem wieder hier und es war so faszinierend. Du spielst und Menschen, die die Sprache nicht verstehen, tanzen und singen mit dir. Das ist Musik, wir müssen nicht die Worte verstehen, wir müssen die Musik empfinden.“
Euer Niko
Kalimera, danke für den interessanten Bericht.
Im Kreta-Forum findet gerade eine Diskussion über den Unterschied von Griechischer und Kretischer Musik statt.
http://www.kretaforum.info/showthread.php?21805-Kretische-und-griechische-Musik-Was-ist-der-Unterschied
vg, kv