Ein Interview mit…. Iosif Aligizakis.

Von Edit Engelmann

Liebe Freunde der neuen griechischen Literatur,

manchmal will man ja etwas mehr wissen über ein Buch und seinen Autor. Ganz besonders, wenn einem das Buch gefällt und einen mit diesem Gefühl von gewissem Etwas zurücklässt. Wenn es Interpretationen zulässt, ja geradezu herausfordert – und wenn man das Buch aus mehr als nur einem Blickwinkel betrachten kann. Als lyrisches Werk mit einer wirklich ausgefeilten Sprache und Melodie, die mich persönlich an die Antike erinnert. Als provokantes Werk, das eine „verbotene Liebe“ intonalisiert? Als Andeutung eines Tabubruches, denn das Objekt der Begierde ist ein Schüler …

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Okay, dachte ich mir, ich weiss jetzt, wie ICH das Buch interpretiere. Aber warum hat er Autor es nun wirklich geschrieben? Bevor ich eine Analyse, nämlich MEINE, über das Buch zum Besten gebe, lassen wir doch den Autor selbst sprechen. Ich habe ihn um ein Interview gebeten:

Edit: Iosif, was ist die Idee des Buches mit dem ursprünglich griechischen Titel ΤΡΕΙΣ ΛΕΥΚΕΣ ΣΕΛΙΔΕΣ (wörtlich zu übersetzen als: „Drei leere Seiten“)?

Iosif: Die Idee war es, über die männliche Psychologie der beiden jungen Männer – einem jugendlichen Lehrer und seinem noch minderjährige Schüler – die Macht des Jüngeren über den Älteren darzustellen und ihre persönlichen und sozialen Grenzen auszuloten. Tiefe Gefühle zerstört durch die sentimentale Besessenheit des Protagonisten.

Edit: Was hat Dich daran fasziniert, gerade diesen Roman mit diesem Thema zu schreiben?

Iosif: Dieses Buch war eine sentimentale Ausschwemmen einer extremen Wut bei gleichzeitiger Lerletzlichkeit aus der Sicht des männlichen Charakters. Allerdings ist seine Sucht auf eine Art und Weise dargestellt, dass insbesondere auch weibliche Leser eine Zuneigung zu dem Helden fassen lässt. Das ist doch eine schöne Bestätigung meiner Arbeit.

Edit: Warum orientierst Du dich in Richtung LGBTQI -Literatur?

Iosif: Ich denke, dass das alles vor 25 Jahren wie eine sentimentale Explosion begann, als sich stöbern in vorhandener Literatur in griechischen Buchhandelungen diese Charatäre immer nur als Randfiguren mitspielten, die im Schatten der anderen, der „normalen“, agierten.

Edit: Du meinst, dass es in der zeitgenössischen griechischen Literatur in diesem Bereich nichts gibt?

Iosif: Seit den 80er Jahren hat es zaghafte Versuche gegeben, als Kurzgeschichten oder kleinere Novellen. Aber ich glaube, dass es hier noch immer selten ist, dass sich ein Autor dieses Themas in einem Roman animmt.

Edit: Das heisst also, dass Du mit einer der Vorreiter auf diesem literarischen Gebiet bist, was in der griechischen Sprache bisher so gut wie nicht existiert.

Iosif: Das könnte man so sagen. Natürlich ist es nicht meine Absicht oder mein Wunsch, nur eine literarische Lücke zu füllen, sondern es geht mit um eine indigene griechische LGBTQI Literatur, wo diese Charat’re ihren Platz finden und sich als Hauptfiguren im Roman etablieren.

Edit: Würdest Du Deine Bücher unter em Label „Erotik“ einordnen?

Iosif: Es gibt immer natürlich eine Art von Liebesgeschichte in meinen Büchern, aber ich würde nicht sagen, dass Erotik mein literarisches Ziel ist. Die Liebesgeschichte ist nur die Fassade, um andere politische oder soziale Probleme aufzuzeigen, die nicht nur Griechenland, sondern vielleicht auch andere Gesellschaften auf die eine oder andere Weise zu quälen. Es ist in der Tat interessant, dass ein Roman dieses Genres, ohne „erotische Einlage“, mit einem ausgereiften griechischen Sprachstil und literarischem Wert, nur schwer in der Verlagwelt meines Landes zu finden ist.

Edit: Du bist also so etwas wie ein Schriftsteller-Aktivist?

Iosif: Ich muss zugeben, dass ich eine Person bin, die durch ihre Bücher ihre Standpunkte deutlich machen will, die in einer Art und Weise geschickt vernachlässigt, zur Seite gestossen oder zensiert worden sind, dass unsere literarischen Stimme nicht wie die anderer Schriftsteller in anderen Ländern gehört werden kann.

Edit: Ist es vielleicht, dass es kaum eine Leserschaft für diese Bücher in Griechenland gibt, so dass diese nur mit Schwierigkeiten ihren Weg in die Druckerei finden?

Iosif: Damit hast Du vielleicht sogar Recht. Das Problem ist vielfältig. Aus politischen Gründen hat der Staat nie wirklich geholfen, eine Art von Legalität für die Zehntausenden von homosexuellen und lesbischen Paaren zu schaffen. Aus religiösen Gründen ist die Kirche auf diesem Auge blind und hegt keinerlei Absicht zu helfen. So sind diese sicherlich keine perfekten Verbündeten für Familien, deren Kinder eben nicht dem „Mainstream der sexuellen Orientierung“angehören. Was jedoch noch wichtiger ist in Griechenland, ist, dass alle Betroffenen ihre soziale und politische Macht verstehen, die sie als Gruppe auf sich vereinigen können. Damit würde sich auch hier eine starke LGBTQI + Leserschaft einstellen.

Edit: Welches Deiner Bücher ist eigentlich Dein Lieblingsbuch?

Iosif: Das ist die tödliche Frage, die ein Schriftsteller keinesfalls hören will. Jedes Buch, das ich geschrieben habe, ist ein anderer Ansatz zu LGBTQI + Fragen und zeigen gleichzeitig einen großen Respekt für die Sprache, die in diesem speziellen Umfeld nötig ist. Ich schreibe, wenn und weil ich etwas für mich Wichtiges erklären will. Ich schreibe nie nur, um bis zu meiner Liste von Romanen n eine weitere Lektüre hinzu zu fügen. Weisst Du, in Griechenland gibt es nur sehr selten Vollzeit Schriftsteller, die den Luxus geniessen, nichts anderes tun zu brauchen ausser zu Schreiben. Wir anderen kämpfen und uns mit allen möglichen anderen Jobs so gut wie möglich am Leben zu erhalten.

Edit: Danke, Iosif, für diese Einführung in griechische LGBTQI Literatur und in Deine ganz persönliche literarische Welt. Jetzt kann ich Dein Buch noch besser verstehen und noch mehr schätzen.

Iosif Alygizakis – Das Blau der Hyazinthe – ein Buch, das man gelesen haben sollte. Egal ob Mann oder Frau oder L oder G oder B oder sonstwie. Es ist einfach sprachlich ein Genuss und ein Thema, mit dem man/frau sich ruhig einmal beschäftigen sollte.

Eure

Edit Engelmann


streamplus.de

Und die gute Nachricht zum Schluß: Iosif wird einer der Mitorganisatoren beim deutsch-griechischen Lesefestival 2016 in Paleochora.