Auf Kreta ist Schweigen im Fall des Waffengebrauchs das strengste Gesetz. Die Schiesserei als Ausdruck der Freude (“Balothiés“ genannt) wird von der Mehrheit der kretischen Bevölkerung nicht als Verbrechen angesehen. Man kann daraus leicht schließen, das der Waffenbesitz auch nicht als Verbrechen betrachtet wird.
Es ist nicht übertrieben zu sagen, das nur eine geringe Anzahl Kreter keine Waffen besitzt. Der Begriff Waffe reicht von einer traditionellen Luger oder Walther, das heißt Resten der deutschen Besatzung bis zu sowjetischen Schnellfeuergewehren.
Kreter waren immer bereit, gegen die jeweiligen fremden Herren zu kämpfen. Unter diesen Umständen haben sich die Kreter an die Waffen gewöhnt und im Laufe der Zeit sind sie zu einer Art Erweiterung ihrer Persönlichkeit geworden. Das ist die traditionelle Anschauung vom Waffentragen auf Kreta, wie sie aus der Geschichte der letzten 100 Jahre und zwar aus dem mazedonischen Kampf, dem kleinasiatischen Feldzug, der Schlacht um Kreta und aus dem Widerstand gegen die deutschen Besatzer entstanden ist.
Die Sitte des Schiessens in die Luft als Ausdruck der Freude ist sehr alt. Heute hat diese traditionelle Sitte ihre Spontanität verloren und man schießt, um sich in Szene zu setzen. Der Waffenhandel nutzt den Stolz und die angeborene Liebhaberei des Kreters aus, der auf keinen Fall eine Waffe niederer Qualität erwerben will. Dies ist der Ausgangspunkt für einen “Ausrüstungswettbewerb“. Die Händler sorgen dafür, dass die modernsten Schnellfeuergewehre angeboten werden. Der Verbrauch an Munition nimmt zu, da die Waffe immer geladen sein muss. Zwischen Händler und Waffenbesitzer entsteht eine Abhängigkeit, die der zwischen Drogenabhängigen und Dealer entspricht. Besonders im Sommer bei den unzähligen Hochzeiten, die in den letzten zwei Wochen im August stattfinden ist der Verbrauch an Munition besonders hoch. Wenn die Gäste angeheitert sind, fallen bei einer Hochzeit bis zu 10.000 Schüsse. Wenn diese Zahl mit 90 Cent pro Stück (Mindestpreis) und der Zahl der Hochzeiten multipliziert wird, wird man sich des großen Interesses bewusst. Wegen des Preises werden Kugeln kretischer Herstellung oft dreimal benutzt, was besonders gefährlich ist, da sie im Lauf der Gewehre blockieren und explodieren können.
Waffenpreise regeln sich nach Angebot und Nachfrage. Kenner legen Wert auf Reichweite, Treffsicherheit und Ladegeschwindigkeit. Der Einzelpreis einer sechzehnschüssigen Beretta 925 9 mm beträgt 900 – 1200 Euro. Zum selben Preis kann man eine Magnum 357 kaufen. Eine achtschüssige Schnellfeuer-Browning kostet weniger als 650 Euro. Natürlich gibt es auch defekte Waffen auf dem Markt. Die griechische Polizei beschränkt sich auf das Ausüben von Kontrollen und das Schliessen von Geschäften im Falle einer Gesetzesverletzung. Zuweilen versuchte man die Kreter zu überreden die Waffen abzugeben, aber der Versuch erwies sich als erfolglos.
Die meisten Waffen stammen aus der deutschen Besatzungszeit. Viele erwerben ihre Waffe auch im Ausland. Bemerkenswert ist auf jeden Fall, dass trotz der großen Zahl von Waffen auf Kreta, die Zahl der Verbrechen durch Kriegswaffen in umgekehrten Verhältnis zu ihrer Verbreitung steht. Das ist auch beim Alkohol der Fall: Rakí und Wein gehören zum Alltag des Kreters und trotzdem ist der Prozentsatz der Alkoholiker nur gering.
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