Im Rahmen des gestern zu Ende gegangenen griechisch-deutschen Lesefestivals 2016 in Paleochora durften wir unsere „11 Fragen an…“ auch dem Schauspieler, Sänger, Dichter, Tavernenwirt, Bundestverdienstkreuzträger und nimmermüden Kämpfer für die Freiheit Griechenlands Kostas Papanastasiou stellen. Und seine Antworten möchten wir natürlich auch wieder mit Euch teilen. Ein kleiner Einblick in ein bewegtes und oft auch zerrissenes Leben:
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Wenn du nur 5 Worte hast, um dich selbst zu beschreiben. Was würdest du sagen?
Für Griechenland gab ich alles.
- Du hast Griechenland 1954 in Richtung Österreich verlassen, seit 1956 lebst du in Berlin. Was schätzt du am Meisten an deinem Leben hier?
Das Vertrauen zu den Leuten, denn ich habe festgestellt, dass das Jawort ein Ja ist und das Nein ein Nein.
- Besuchst du Griechenland noch mehr oder weniger regelmäßig? Was vermisst du am Meisten von Griechenland in Deutschland – wenn du überhaupt etwas vermisst?
Bis Ende fuhr ich per Auto zwei bis drei mal durch Jugoslawien. Danach, nach dem Jugoslawien Krieg war es fast unmöglich, die „neuen“ Länder ohne Schwierigkeiten zu durchfahren. Danach hat sich das fast so etabliert, dass ich ein Mal im Jahr fliege.
Ich vermisse am Meisten die unbeschreibliche Gastfreundlichkeit der Menschen. Die alten Freunde. Die wunderschönen Landschaften auf dem Festland und die geschätzten auf den so vielen Inseln. Ich vermisse die alte und sehr alte Musik und die Lieder, die mich immer zurück in die Zeit meiner Kindheit versetzen.
- Du bist Sänger und Schauspieler – als Sänger hast du Schallplatten wie „Der Grieche in mir“ besungen und dich in vielen Konzerten der Verbreitung griechischen Liedgutes gewidmet – u.a. mit Liedern von Mikis Theodorakis und Georges Moustakis. Als Schauspieler kennen dich Millionen Deutsche als DEN Lindenstraßenwirt Panagiotis Sarikakis. Wie bist du – ursprünglich ein Student des Bauingenieurwesens in Wien – zur Musik und zur Schauspielerei gekommen?
Als ich Mitte Oktober 1956 nach Berlin kam, gab es wenige griechische Studenten in der Stadt. Gastarbeiter noch keine. Meine gute Gesellschafterin war eine Gitarre, die ich hier gekauft hatte. So konnte ich spielen, singen und etwas komponieren.
In Berlin wohnte ich lange Jahre als Untermieter. Alle meine Wirtinnen fragten, warum ich Ingenieur studiere und nicht Schauspielerei. Alle habe ich belogen indem ich sagte: „Ich war da und dort etc. und nirgends nahm man mich auf“.
Eines Tages lud mich Fräulein Ries in ihr Wohnzimmer zum Kaffee trinken ein. Bald fragte sie mich: „Was ist mit dem Projekt Schauspielschule?“ Ich antwortete wie immer: „Ich gehe am Montag hin“. „Nein, nein“, sagte sie, „am Freitag!“. Ich antwortete: „Fräulein Ries, freitags ist kein Mensch mehr in so einer Schule, sie machen überall langes Wochenende.“ Dann gab sie mir einen Zeitungsausschnitt, in dem stand: „Neugegründete Schauspielschule sucht junge Männer und Frauen, die Schauspieler werden wollen. Für Sprach- und Bewegungsunterricht – 50 DM im Monat.“
„Oh!“, sagte ich, „ich gehe am Montag hin.“ „Nein!“, sagte sie, „ich habe Sie schon immatrikuliert. Da habe ich schon die ersten 50 DM bezahlt und am Freitag gibt es das erste Treffen“. Ich musste also doch hingehen. Da traf ich jede Menge verrückte Männer und auch viele verrückte Mädchen. Ich sagte mir also „OK“.
So geschah es, dass ich diese Schule Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre absolvierte. Dann habe ich lange nichts gemacht. Ich beendete mein Studium als Architekt und 1975 entdeckte mich Bernhard Wicki für „Die Eroberung der Zitadelle“. Dann ging es los…. Ein Film nach dem anderen. Und ab Ende 1985 auch mit der Lindenstraße, als Panajotis Sarikakis.
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- Seit 1972 betreibst du dein griechisches Restaurant „Terzo Mondo“ in Berlin, das gleichzeitig auch Kleinkunstbühne und Galerie ist. Wie kam es dazu, welche Motivation steckt(e) dahinter?
1972 im Dezember war das Terzo Mondo in der Kant/Ecke Wielandstraße. Im Februar 1974 zog ich in die Grolmanstraße 28, Nähe Savignyplatz. Die Räumlichkeiten waren so groß, und ich als Architekt machte aus einem Raum eine Galerie. Da gibt es nicht nur Ausstellungen, sondern auch Lesungen, Jazz, sonstige Musik, Kleinkunsttheater, politische Diskussionen über die Krise, etc.. Kunst ist wichtiger als Politik und Religion.
- Im Oktober 2012 wurde dir das Bundesverdienstkreuz für soziales und kulturelles Engagement verliehen, das du ob der zu dieser Zeit recht antigriechischen Stimmung in Deutschland eigentlich ablehnen wolltest. Wieso hast du deine Meinung geändert und was bedeutet diese Auszeichnung für dich persönlich?
Das Bundesverdienstkreuz für soziales und kulturelles Engagement wollte ich wegen der schlimmen antigriechischen Stimmung in ganz Deutschland ablehnen. Aber kurz vor dem Termin, wo ich Ja oder Nein sagen musste, sah ich im Fernsehen den ehemaligen SPD Kanzler Helmut Schmidt in einem Gespräch mit dem Bundespräsidenten Gauck und einer Moderatorin. In diesem Gespräch sagte Herr Schmidt mehrmals, dass kein Grieche auch nur einen Pfennig vom deutschen Steuerzahler nimmt. Gauck war auch der selben Meinung. Das war der Grund, dass ich meine Meinung geändert habe.
- Stichwort „soziales Engagement“. Du hast das Berliner Forum „Griechenlandhilfe“ ins Leben gerufen und arbeitest eng mit den „Ärzten der Welt“ zusammen. Wie sieht Eure Hilfe aus und welche Unterstützung würdest du dir noch von deinen Landsleuten wünschen?
Mit den „Ärzten der Welt“ gründete ich im Oktober 2012 das Berliner Forum „Hilfe für Griechenland“. An die Ärzte der Welt sind schon mehrere Hunderttausende Euro gespendet worden und ich würde mir wünschen, dass alle griechischen Gemeinden und Restaurants mitmachen würden.
- Vielleicht hast du ja über unsere gemeinsamen Bekannten Andreas Deffner und/oder Peter Völker vom „Griechisch-deutschen Lesefestival in Paleochora“, das vom 13. bis 21. Mai 2016 im Südwesten Kretas stattfindet, erfahren? Was hältst du generell von solchen Initiativen und hättest du vielleicht sogar Lust, selbst daran teilzunehmen? (die Einladung steht!!!)
Ich habe von Peter Völker vom griechisch-deutschen Lesefestival in Paleochora erfahren und finde es sehr wichtig. Ich möchte, wenn alles gut geht, sehr gerne teilnehmen und danke für die Einladung. (Anm. d.Red.: das Lesefestival ist gelaufen, Kostas war hier und wir alle hatten eine interessante, inspirierende und aufregende Zeit!)
- Welche Staatsangehörigkeit hast du? Deutsch, griechisch, oder beide? Und warum?
Die griechische Staatsangehörigkeit wollte ich nie aufgeben. Die Vorteile dadurch wollte ich nicht. Ich wollte als Ausländer behndelt werden.
- Was wünschst du dir für deine eigene Zukunft?
Ich wünsche mir Gesundheit und Courage, um weiter zu wirken.
- Was wünschst du dir für die Zukunft Griechenlands?
Griechenland muss endlich so behandelt werden, wie Deutschland 1953 in London von den Alliierten behandelt worden ist.
Kostas hat zum Lesefestival auch noch 2 Schallplatten aus der Zeit der Diktatur mitgebracht und erklärte uns dazu folgendes:
Die Schallplatte „Der Grieche in mir“ ist ein paar Jahre nach der Militärdiktatur in Griechenland entstanden. Diese Schallplatte wurde von einer deutschen Plattenfirma produziert und die Lieder sind von verschiedenen griechischen Komponisten. Ich habe mir die Lieder ausgesucht, die mir gefallen haben und meiner Meinung nach gut zu mir passten.
Vorher aber, als am 21. April 1967 die Miltärdiktatur zuschlug, schrieb ich entsprechende Gedichte und Lieder für 2 Schallplatten. Die Erste erschien gleich im Jahr 1967 mit dem Titel „Stavrossi 67“ (Kreuzigung 67). Texte und Musik sind alle von mir.
Später habe ich eine LP mit 12 Liedern – „Parussia“ in eigener Produktion in Berlin gemacht, wobei fast alles wieder von mir ist. Nur das Lied „Golgata“ hat nur die Musik von mir – der Text ist von der Dichterin Georgia Deligianni Anastasiadou. Sie schrieb das Gedicht für ihren Sohn, der gerade im Gefängis war und gefoltert wurde.
Als die Junta im Sommer 1974 vorbei war, brachte ich die Platten nach Griechenland, um sie mit besseren Musikern und Sängern neu aufzunehmen. Aber keine Plattenfirma wollte das machen!!
Dann habe ich eine eigene Firma, die ARTE FON, gegründet und die Platten mit Kostas Kammenos und Sania Krystalli neu aufgeommen.
Und tatsächlich hatte Kostas die Schallplatten dabei – richtige große, schwarze Vinylplatten – die auf eine kleine, private Auffühung warteten – allerdings hat Kostas einen Teil sogar live vorgetragen, und das war sicher ergreifender, als jede abgespielte Platte es je hätte sein können!
Aber schaut und hört doch selbst mal rein:
Radio Kreta bedankt sich für dieses Interview – und für Kostas´ bereichernde persönliche, literarische, poetische und musikalische Teilnahme am Lesefestival 2016.