Heute bin ich mal wieder sehr froh, einen Artikel so ganz nach meinen Vorlieben zu schreiben. Ein schönes Thema, ein „Projekt“ mit wundervollem Ausgang, eine Vielzahl Beteiligter, die alle rundum höchstzufrieden wieder ihrer Wege gehen und noch dazu muss ich bei der Niederschrift all dessen kaum „gendern“ (was ich sowieso sehr ungern und deswegen auch äußerst selten tue), denn die ProtagonistINNEN dieses Praktikums sind drei junge Damen, die sich offensichtlich auch als solche fühlen – und um genau diese drei Studentinnen soll es hier auch gehen.
Wie alles begann.
Irgendwann – es müsste so im Mai/Juni diesen Jahres gewesen sein – „blingte“ Scheffredakteurs elektronischer Posteingang mal wieder auf und – oh Schreck!!! – im Betreff befand sich das Wort „Praktikum“!
Da mag sich der geneigte Leser durchaus fragen, was an dem Wort „Praktikum“ so Furcht einflößendes dran sein sollte – aber wer unser Radio-Kreta-Leben und somit uns schon etwas länger oder gar von Anfang an begleitet, wird vermutlich an Erlebnisberichte erinnert, seit denen dieses Wort spontane Fluchtreflexe, Magenkrämpfe sowie akute Migräneanfälle in der Scheffredaktion hervorruft.
Dies war auch in diesem Fall kurzzeitig die instinktive Reaktion der Redaktion, allerdings las sich die Bewerbung um ein Praktikum bei Radio Kreta durchaus ernst gemeint und durchdacht, entbehrte jeglicher orthographischer Fehler und ließ darauf schließen, dass die sich bewerbenden – nämlich besagte drei Praktikantinnen – sich bereits ernsthafte Gedanken und Pläne bzgl. zu bearbeitender Themen gemacht hatten. Das war neu!!!
Und da wir immer wieder und gerne offen für Neues sind, wurde kurzerhand beschlossen: „Probieren kann man´s ja mal. Geben wir ihnen einfach 2 Wochen. Entweder es klappt, oder das Praktikum ist beendet, bevor es richtig begonnen hat“.
Sorry Ihr drei – aber wir kannten Euch ja noch nicht und waren praktikumstechnisch eben eher „gebrannte Kinder“.
Und es kam alles anders.
Die drei Mädels – Anna, Marie und Marie (das machte es für den Scheffredakteur schon mal einfacher, sich die Namen zu merken – die jeweilige Zuordnung der Namen zur Person war mit einer Trefferquote von 1:2 ja relativ eingeschränkt) kamen am 5. August an, bezogen ihr Quartier in Paleochora, das sie eigenständig organisiert und gebucht hatten, orientierten sich kurz im Dorf und starteten einfach durch.
Die sowohl redaktions- als auch praktikantinnenseitig vorgeschlagenen Themen wurden jeweils kurz abgestimmt und Anna, Marie und Marie legten los. Einfach so. Ganz selbständig. Noch nie auf Kreta gewesen, der Sprache nicht mächtig, sehr jung und sehr hübsch, zogen sie ihr Ding einfach durch.
Auf Unterstützung von Seiten der Scheffredaktion konnten sie natürlich jederzeit rechnen, man hatte auch ein Auge auf die Drei („soziale Kontrolle“ von überall….), unternahm auch einige „Recherche- und Interview“-Ausflüge gemeinsam – aber die Mädchen waren wirklich sehr eigenständig.
Und was waren nun die Themen?
Tja, da weiss ich fast gar nicht, wo ich anfangen soll: Im Rahmen der Erkundung des Dorfes landeten sie gleich mal am höchsten Punkt der näheren Umgebung – nämlich am den Paleochora überragenden Sendemast, von dem man einen traumhaften Ausblick über die Halbinsel, das Dorf und das libysche Meer hat – so weit die Augen reichen.
Dann kam die Information: „ähm, übrigens, am Freitag und Samstag sind wir nicht hier, sondern in Chania!“ Aha! Auf die Nachfrage, was sie denn dort so alles vorhätten, kam die Auskunft „jaaaa, aaaalso, wir haben ja schon von zu Hause aus im Internet recherchiert, was uns hier so interessieren könnte und da sind wir über das Meeresschildkrötenprojekt „Archelon“ in Chania gestolpert. Wir haben dort angerufen und uns zur „Babyschildkröten-in´s-Meer-begleit-Aktion“ angemeldet. Das findet am Samstag früh morgen, zum Sonnenaufgang statt. Wir nehmen Donnerstag Abend den Bus nach Chania, übernachten dort zweimal – Zimmer haben wir schon reserviert – und kommen am Samstag Mittag dann wieder zurück.“
Wow! Eigeninitiative und Selbständigkeit. Großartig.
Okay…. Wunderbar! Denn für besagten Samstag hatte der Scheffredakteur schon Plätze in Sarakina „reserviert“ – da sollte nämlich das typische und traditionelle Dorffest des Jahres stattfinden. Dieser Besuch führte dann zwar zu einem kleinen Kulturschock bei Anna, Marie und Marie – aber das war vom Scheffredakteur ja im Prinzip schon vorhergesehen und gewollt – und hat wohl auch gar nicht weh getan.
Es wurde zwar spät und später – und auch sind solche traditionellen Dorffeste für Vegetarier(innen) wohl eine ziemliche Herausforderung, wenn man denn nicht hungrig zu Bett gehen mag – aber das musste sein und wurde auch mit einem wohlwollenden Artikel bedacht.
Es folgten Wanderungen durch die Anidri- und die Samariá-Schlucht, eine Wanderung nach Sougia und Lissos incl. Rückfahrt mit der Fähre, ein Interview mit Eftychis „Lucky“ Koukoutsakis in Azogires, eine geführte Tour mit ebendiesem durch „sein“ Dorf, ein Interview mit Peter Petersen zum Thema „Tiny Houses auf Kreta“, die liebe Thalia wurde zum Thema „Kreta und die orthodoxe Kirche“ befragt, die Olivenölfabrik von Adonis Vizakis in Drys wurde ebenso besichtigt, wie ein Wine-Tasting in der Weinbar „Romeiko“ und ein Interview incl. Blick über die Schulter und in die Küche beim „Piraten“ Rigas Rigopoulos Kanellos durchgeführt.
Auch die „Charma“-Brauerei in Zounaki (in der Nähe von Voukoulies) wurde natürlich nicht ausgelassen, was für die Redaktion ebenso bereichernd war wie für die Praktikantinnen, hatten wir diese Brauerei doch schon 2017 einmal besucht und konnten nun die Fortschritte nachvollziehen, die Braumeister Lionakis mit seiner Mannschaft gemeistert hat (nur ein Beispiel: bei unserem 1. Besuch lag die Bier-Produktion bei 70.000 Litern – heute ist man bei 1.000.000 Litern angekommen!).
Und als ob all diese Besuche, Ausflüge, Interviews und neuen Eindrücke, die ja schließlich einerseits natürlich persönlich, als aber auch vielmehr noch in Form von Radio-Kreta-tauglichem Input verarbeitete werden wollten und sollten, nicht schon genug gewesen wären: nein, weit gefehlt!
Denn die Damen wollten natürlich auch gerne zumindest ein paar Wörter, Redewendungen, Grußformeln und Vokabeln für kleine Konversationen erlernen – und wandten sich mit diesem Wunsch an mich, die allerdings in Deutschland weilenden Scheffredakteuse.
Und die dachte „uuuuuups, was kann ich den Mädels denn in den noch knapp 5 verbleibenden Wochen des Praktikums denn von der Sprache nahebringen? Und vor allem WIE?“ Denn eben mal das griechische Alphabet, die kyrillischen Buchstaben, die 5 i´s und die 2 o´s erklären und dann die Studentinnen noch zum Reden bringen – DAS war nun mal in der Kürze der Zeit nicht zu schaffen. Aber alles andere schon!
Kurzum bzw. in mühevoller Kleinarbeit wurde ein kleines „Wörterbuch“ von 20 Din-A-4-Seiten erstellt, in dem die griechischen Wörter und Floskeln quasi in „Lautschrift“ in lateinischen Buchstaben übermittelt wurde, et voilà: bereits nach der 3. Stunde (über Zoom) meldeten Anna, Marie und Marie den Wunsch nach Konversation an. Hätte ich mich niemals, nicht getraut! Und es lief prima! Mit viel Lacherei, echtem Interesse und erstauntem Lauschen zu den Ausführungen der „Lehrerin“ in Bezug auf den Zusammenhang zwischen Sprache und Mentalität – und ganz viel Spaß auf beiden Seiten. Beachtenswert, dass die Drei sich das noch zusätzlich zu ihrem „Praktikums-Programm“ angetan haben. Es war mir eine Freude!!!
Und das soll´s jetzt schon gewesen sein?
Mitnichten! Auf keinen Fall!! Denn die Infektion mit dem Kreta-Virus ist ganz offensichtlich schon weit fortgeschritten, die Begeisterung für Kreta im Allgemeinen und die Südküste im Besonderen ist nicht mehr zu verleugnen und unsere Türen stehen diesen drei „Neuzugängen“ im Kreise der Kreta-Süchtigen selbstverständlich jederzeit offen!
Bleibt noch zu erwähnen, dass Anna, Marie und Marie auch von der Sache her einen wirklich guten Job gemacht haben: die von ihnen verfassten Artikel waren durchweg flüssig, angenehm zu lesen und „Juchuuuuuuu!!!“ frei von orthographischen Fehlern (eine Schande, dass man das heutzutage schon bejubeln muss!!!) – unsere Hoffnung im Sinne „was kommt journalistisch in den nächsten Jahren so auf die Welt zu?“ hat wieder jede Menge Futter bekommen.
Liebe Anna, liebe Marie und auch du, liebe Marie: Es war uns eine aufrichtige Freude, Euch kennengelernt zu haben, mit Euch arbeiten und uns mit Euch austauschen zu dürfen. Ihr habt einen super Job gemacht und Eure Anwesenheit war durchweg angenehm und interessant. Bei aller Euch offensichtlich innewohnenden Freude- und Fröhlichkeit hattet Ihr auch immer das richtige Gespür für angebrachte Ernsthaftigkeit – das ist in Eurem Alter nicht immer selbstverständlich.
Wir hoffen, dass auch wir Euch etwas mitgeben konnten, dass wir in dem Maße für Euch da waren, wie Ihr es gebraucht habt und freuen jetzt schon sehr, Euch irgendwie, irgendwo, irgendwann mal wieder zu sehen. Wobei das „irgendwo“ ja eigentlich überflüssig zu erwähnen ist….. 😉 Bleibt jetzt nur noch zu sagen: Kaló Taxídi – gute Reise! Kommt gut zu Hause an und bleibt uns gewogen!
Wir wünschen Euch alles erdenklich Liebe auf Euren weiteren Wegen – Ihr wisst, wo Ihr uns findet!
Euer Radio Kreta Team Jörg, Susanne und die Tiere Mitso, Leo, Sofie und Marie.