Man kann das griechische Chaos als Zeichen für einen eskalierenden Kampf zwischen Demokratie und Kapitalismus verstehen. Und dieser Kampf gilt ganz Europa.
Von Holger Schmale, Frankfurter Rundschau
Das ist schon eine dumme Sache, wenn die Leute nicht so wählen wie sie sollen. Wie zuletzt die Griechen. So gehe es ja nun gar nicht, heißt es jetzt, die Griechen und ihre Politiker seien einfach zu dämlich oder zu uneinsichtig oder zu frech, um sich zu den Bedingungen unserer besonderen Freunde, der Märkte, retten zu lassen.
Also ziehen wir die ökonomischen Daumenschrauben noch ein wenig an und lassen sie wählen, bis es passt; oder wir schmeißen sie vielleicht besser gleich raus aus unserem schönen Euro-Club. Das ist die vorherrschende Sicht in Berlin und Brüssel.
Man kann es aber auch ganz anders sehen. Man kann das sich in Griechenland entwickelnde Chaos auch als ein erstes richtig erkennbares Zeichen für den eskalierenden Kampf zwischen Demokratie und, jawohl, Kapitalismus verstehen. Denn wenn Wahlen so wie in Griechenland ausgehen, ist der demokratische Kapitalismus an seine Grenzen gestoßen. Es ist ein Aufbäumen gegen eine Expertokratie, in der Regierungen nicht mehr mit dem Vertrauen der Bürger, sondern mit dem Vertrauen unserer besonderen Freunde, der Märkte, ausgestattet sein müssen.
Griechenland ist auch aus dem Verschulden seiner räuberischen, ebenso machtversessenen wie machtvergessenen Eliten das schwächste der europäischen Glieder geworden. Deshalb setzt der Versuch, dem Kapitalismus die Demokratie auszutreiben, ausgerechnet hier, in ihrem Mutterland an. Was wir als griechisches Chaos wahrnehmen ist aber ein Kampf, der ganz Europa gilt.
Quelle: Frankfurter Rundschau und hier geht es weiter: