Aus dem Kochstudio: Lecker Pizza.

Kalter Horror, der mal ein Leckerbissen war

Von Werner Theurich

Hauptsache viel und fettig: Ein wehrloser Teigfladen italienischen Ursprungs wird in schrammeligen Gastronomiebetrieben mit allem belegt, was nicht niet- und nagelfest ist. Anlass genug, den Pizza-Notstand auszurufen.

Die problemlose Pizza? Die Welt-Mahlzeit für alle, überall perfekt zubereitet verfügbar? Fehlanzeige.

Was heute in internationalen Gastbetrieben unter dem Etikett „Pizza“ angeboten wird, hat mit dem puristischen Ideal des delikaten italienischen Teigfladens wenig bis nichts mehr zu tun. Was in seiner reinsten Form, also nur mit Mozzarella, Tomatensugo und Oregano bestückt, wunderbar einzigartig schmeckt, stirbt heute unter dem Ansturm der tausend Beläge dahin. Der Variationen-Wahn („Gyros-Pizza“, „Nudel-Pizza“, „Barbecue-“ oder gar „Ente-mit-Rotkohl-Pizza“) bestimmt die Speisekarten der Restaurants. Kaum weniger schreckbringend operiert das Phänomen „Lieferservice“.

Die beste Pizza gibts bei Manolis in der Pizzeria Odysseas.

Ständig entdeckt man neue Frevel des Zutaten-Unwesens. Hauptsache viel, fettig und gut transportabel.

Der kalte Horror kommt aus dem Supermarkt: Es gibt arme Menschen, die erfuhren ihre Pizza-Sozialisation mit Tiefkühlware. Was bleibt, ist die bedingungslose Kapitulation. Kein Wunder, wenn’s immer weniger originale Qualität gibt. Die bekommt man nur in der Trattoria, frisch aus dem Ofen.

Pizza Marke Eigenbau? Keine gute Idee…

Wer nun meint, er könne die puristische, originäre Pizza im Eigenbau herstellen – Irrtum! Die Pizza aus der heimischen Küche, das ist meist keine gute Idee. Es sei denn, Sie besitzen einen nicht zu kleinen Steinofen, den Sie mittels Holzfeuer auf mindestens 400 Grad bringen können.

Der normale Küchenherd, auch modernere Modelle, können zwar einen Hefeteig backen, doch eine echte Pizza wird nie aus dieser Kuchen- und Bratenröhre kommen. Wenn Sie es dennoch versuchen möchten: Verzichten Sie auf maschinelle Hilfsmittel, Handarbeit ist angesagt.

Und die fängt beim Teig an: Dünn muss er sein, und zwar sehr dünn. Von Hand geknetet und gerollt, keineswegs mit automatischen Knetmaschinen bearbeitet. So, wie auch ein perfektes Rührei nur mit dem Handbesen entstehen kann.

Nicht alles auf einmal, lieber monothematisch genießen

Auf jeden Fall besteht der Teig nur aus Naturhefe, Salz, lauwarmem (!) Wasser und nicht zu feinem Mehl, ca. 200 Gramm für eine schöne runde 30-cm-Pizza (in gut sortierten Supermärkten gibt es spezielles Pizzamehl, muss aber nicht sein). Etwas Olivenöl zum Beträufeln, mehr braucht es nicht. Und mit einer Hitze von ca. 220 Grad kann man auch auskommen.

Fürs perfekte Pizza-Erlebnis führt allerdings kein Weg am Fachmann vorbei – hier ist ein Besuch in der freundlichen Trattoria nebenan angesagt. Dort steht dann hoffentlich besagter magischer Steinofen, der mit Holzfeuer auf die erforderlichen Grade gebracht wird. Ein kundiger Bäcker knetet den schlichten Teig mit Gefühl und Erfahrung, bringt ihn mehr oder minder fix und elegant in die runde Form und schiebt ihn dann direkt auf die heißen Steine im Innern des Ofens. So sieht’s nicht nur zünftig aus, das Ergebnis verspricht dann optimal zu werden.

Wenn sie korrekt dünn gefertigt wird, reagiert die Pizza auf den Belag umso empfindlicher. Schlicht ist’s am besten. Nochmal: Mozzarella, Tomatensugo und ein wenig Oregano (siehe oben!) reichen als Belag tatsächlich aus. Wenn Sie mögen – frisches Basilikum. Basta! Mehr ist schon zuviel. Was geht: feine Salami, eventuell sehr guter Schinken (Parma) oder dünn geschnittener Tiroler Speck. Frische Champignons und (aromatische!) Oliven stören auch nicht weiter. Bitte nicht alles auf einmal, lieber monothematisch genießen.

Kein Zutaten-Amok! Keine Gyrosbrocken!

Alles Mächtige und allzu Intensive dagegen verdient die Verbannung: Der elegante Fladen wurde nicht dafür erdacht, mit Hackfleisch, Ananas oder Thunfisch malträtiert zu werden. Versionen mit den „Quattro Formaggi“, also vier Käsesorten, sind genau das: Käse! Der Belag mutiert in der Regel zu einem schweren Matsch, der kaum Geschmacksnuancen ahnen lässt.

Ganz und gar daneben ist jeder weitere Zutaten-Amok, der den Teig zum Nebendarsteller degradiert. Wenn beispielsweise Gyrosbrocken aufgefahren werden, killt dies jedes elegante Flair, da hilft auch kein Olivenöl mehr. Bereits 1974 in London gesichtet: Die Spielart mit Spinat und Spiegelei – allenfalls optisch ein Gedicht. Geschmacksnerv tötend neudeutsch dagegen der lieblose Berg Rukola, der mit seinem penetranten Pfeffer-Odeur jedem Parmaschinken den Garaus macht.

Pizza muss wieder als Delikatesse zelebriert werden, Schluss mit der Degeneration zum Fast Food!

Zur Aufwertung der Pizza gehört auch, den richtigen, leichten Wein auszuwählen, der zu den erwähnten sparsamen Versionen viel besser passt. Im Sommer ist man mit einem fruchtigen Rosé (muss nicht aus Italien sein) gut beraten, besonders, wenn der Pizza-Belag feiner, dünn geschnittener Schinken ist. Auch ein leichter Roter mundet: Warum nicht den derzeit etwas aus der Mode gekommenen Rhone-Gewächsen eine Chance geben?

Quelle: Spiegel.de

Hier unser einfaches Rezept: Pizza Kreta

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