Von Sandro Compagno, 20min.ch
Athen – Seit fünf Jahren schrumpft die Wirtschaft in Griechenland. Die Krise hat längst auch den Fussball erfasst. Grosse Stars spielen in der heimischen Super League keine mehr.
Am Mittwochabend spielt die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft in Piräus gegen die Auswahl Griechenlands. Die Hafenstadt vor Athen ist derzeit eines der grossen Themen in den griechischen Nachrichten. Nicht wegen des Fussballspiels, sondern wegen der streikenden Seeleute.
Seit Tagen verlässt keine Fähre den grössten Passagierhafen Europas und kein Schiff läuft ein. Die Matrosen, von denen viele seit Monaten auf ihre Löhne warten, blockieren den Hafen und schneiden damit viele griechische Inseln, die über keinen Flughafen verfügen, von der Aussenwelt ab.
Krise ist sichtbar
Die Protestaktion der Seeleute ist nur ein Zeichen für die Misere, in der Griechenland steckt. Auch im Zentrum von Athen ist die Krise sichtbar. Die Restaurants und Cafés sind halbleer, viele Läden haben ihre Rolladen herunter gelassen. Wer kein Geld hat, kauf nicht ein.
Jeder vierte Grieche hat keinen Job, die Jugendarbeitslosigkeit liegt gar bei über 50 Prozent. Die Wirtschaftsleistung des Landes wird 2013 voraussichtlich um 23 Prozent unter ihrem bisherigen Höchstwert im Jahr 2008 liegen.
Super League einst eine reizvolle Destination
Der Niedergang hat auch den Fussball erfasst. In den griechischen Boom-Jahren investierten reiche Unternehmer gerne in die Fussball-Klubs. Die griechische Super League war für viele alternde Stars (Rivaldo, Karembeu, Gilberto Silva, Cissé) eine reizvolle Destination. Die jahrelange Rezession hat dem Mäzenatentum ein Ende gesetzt.
International sind die griechischen Klubs bestenfalls nur noch drittklassig: PAOK Saloniki und Atromitos Athen scheiterten im Sommer schon im Playoff zur Europa League. Panathinaikos schied in der Gruppenphase aus. Einzig Olympiakos Piräus kann international mithalten: Der griechische Meister scheiterte in der Champions League knapp an Schalke und Arsenal.
Die Ein-Team-Meisterschaft
Am Sonntag ereignete sich ganz Erstaunliches in der griechischen Super League: Meister und Leader Olympiakos verlor sein Heimspiel gegen den Athener Klub Atromitos mit 2:3. Da es die erste Niederlage der Mannschaft um die griechischen Internationalen Konstantinos Mitroglou, Giannis Maniatis und José Holebas war, halten sich die Folgen in Grenzen. Der Vorsprung auf das zweitplatzierte Asteras Tripolis beträgt weiter 13 Punkte.
«Wir haben eine Ein-Team-Meisterschaft», sagt der griechische Journalist Alkis Tsavdaras mit einem Schulterzucken. «Es gibt nur noch Olympiakos.» Eingebrochen sind auch die Zuschauerzahlen. Im Athener Olympia-Stadion mit mehr als 70.000 Plätzen, wo die Traditionsklubs AEK und Panathinaikos ihre Heimspiele austragen, verlieren sich im Durchschnitt keine 100.00 Fans.
Obst und Müsli bei AEK
Der Fussball in Griechenland ist langweilig, das Niveau schwächer geworden. Ausländische Stars sucht man vergebens. Auch die besten Griechen haben die Pleite-Liga verlassen. Einer davon ist Giorgios Karagounis, Europameister 2004. Der kleine Mittelfeldspieler mit dem grossen Kämpferherzen verliess im Sommer 2012 Panathinaikos Athen und heuerte mit 35 Jahren beim FC Fulham an.
Wie schlecht es um den griechischen Klub-Fussball steht, zeigt ein drastisches Beispiel des Traditionsvereins AEK Athen. «Diese Jungs verdienen hier so dürftig, dass sie sich kaum die Butter auf dem Brot leisten können. Viele liefen morgens mit knurrendem Magen zum Training auf», sagte der deutsche Trainer Ewald Lienen im Dezember gegenüber der «Bild»-Zeitung. Lienen hatte den ehemaligen Spitzenklub nach fünf Runden am Tabellenende übernommen und führte ihn immerhin wieder auf Platz 12 der 16er-Liga. Einer der Gründe dürfte das gemeinsame Frühstück mit Obst und Müsli sein.