„O topos mou“ – Eine Revolte gegen das Nichtstun

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Unter dem Titel „Revolte gegen das Nichtstun“ erschien am vergangenen Sonntag ein interessanter Artikel zum Thema „Selbsthilfe in Griechenland“ in der Süddeutschen Zeitung.
Zugegeben, er ist ziemlich lang, dafür aber ausführlich und gut geschrieben – und irgendwie macht er sogar Mut!

Eine Kostprobe davon gibt es hier im Anschluss:

„Die Krise in Griechenland stürzt gerade jene in Existenznot, die am allerwenigsten dazu beigetragen haben. Die Wut ist groß und viele haben es satt, auf Hilfe zu warten. Sie packen selbst an. In einer kleinen Stadt am Fuße des Olymp ist so eine Bewegung entstanden, die längst auf ganz Griechenland ausstrahlt – und womöglich einmal Modell für andere Länder Europas sein wird.

Von Hans von der Hagen und Sonja Sydow

Was tun, wenn das Leben schief läuft? Bürger der griechischen Stadt Katerini direkt am Fuß des Olymp haben eine Antwort darauf gefunden: Viele von ihnen haben sich der Initiative „O topos mou“ („Mein Ort“) angeschlossen, die nicht nur Probleme in der Region lösen will, sondern auch Menschen günstig mit Lebensmitteln versorgt. Viele Griechen haben herbe Einkommenseinbußen zu verkraften.

Selbst 2009, also unmittelbar vor dem offenen Ausbruch der Krise im Land, lag das Durchschnittseinkommen nur bei gut 14.500 Euro im Jahr. Zum Vergleich: In Deutschland ist es eineinhalb mal so hoch. Die Preise in Griechenland liegen hingegen teils drastisch über denen in Deutschland. Das gilt auch für Grundnahrungsmittel: Ein Liter Milch etwa kostet derzeit beim Discounter knapp 60 Prozent mehr als in Deutschland.

Das schon vor der Krise im Jahr 2007 von Elias Tsolakidis gegründete Projekt macht mittlerweile in vielen Regionen des Landes Schule. Tsolakidis, technischer Direktor am „European College of Sport Science“ in Köln, lebt seit 35 Jahren in Deutschland und pendelt regelmäßig nach Griechenland, wo seine Familie wohnt. Darum steckt auch ein Stück Deutschland in dieser Initiative. Eine erstaunliche Geschichte in zwölf Miniaturen.

Es sind bittere Tage, wenn die Kinder zurückkommen. Nicht etwa zu Besuch, aus Lust auf die Eltern. Sondern weil es nicht mehr anders geht. Kiki und Kostas Sidiropoulus, eine Familie in Katerini, kennt die anstrengenden Seiten erzwungener Solidarität, mit der sich viele Griechen durch die Krise retten müssen. Eigentlich wohnt Kiki auf dem Land, unweit Katerinis.

Ihr Mann Kostas hatte bei einer Tankstelle gearbeitet, die die Krise nicht überlebte. Nun reicht das Geld nicht mehr. „Ich kann es mir nicht leisten, bei mir selbst zu wohnen“, sagt Kiki. Sie brauche 350 Euro, um das Haus zu heizen. Das Benzin, um nach Katerini zu fahren, wo sie noch in einer Konditorei arbeitet und die Kinder zu Schule gehen, koste weitere 100 bis 150 Euro.

Die einzige Lösung war der Umzug zurück in das Haus der Mutter in Katerini. Dort ist es nun eng geworden: zwei Kinder im Wohnzimmer, die Eltern im Schlafzimmer und die Mutter in der Küche. „Was soll man machen?“, fragt Kiki. „Wir haben keine andere Wahl.“ Woher soll das Geld auch kommen?

Sie arbeitet für etwa 650 Euro im Monat. Ihr Mann Kostas findet nur ab und an eine Tätigkeit, was weitere 100 bis 150 Euro bringen kann. Von den dann insgesamt rund 800 Euro gehen noch Steuern ab und das Haus muss abbezahlt werden. Für die beiden Kinder gibt es 280 Euro – im Jahr. „Das ist nichts“, sagt Kiki.

Macht das nicht wütend? Oder überwiegt Resignation?

„Ja, es ist Wut.“

Aber die Wut richte sich nicht nur gegen diejenigen, die heute an der Macht sind. „Sondern auch auf uns selbst, weil wir uns nicht gewehrt haben. Jetzt müssen wir den Preis dafür bezahlen.“

Doch wann ist es denn endlich mal gut? Wie weit muss Zusammenhalt gehen? Wie lange müssen Eltern für ihre Kinder haften? Es sei schön, dass Solidarität funktioniere, sagen die Menschen in Griechenland. Aber sie könne doch nicht die einzige Antwort auf die Krise bleiben.

Wie sich noch zeigen wird: Sie bleibt es auch nicht.

Sorgsamkeit
Doch wie konnte es so weit kommen? Georgios Baliakas, Lehrer und Schauspieler am Theater in Katerini, spricht von einer inneren Katastrophe – die Beziehung der Menschen zum Recht habe sich gelöst: „Wir haben gute Gesetze hier. Es fehlt aber ein Gesetz, das sagt, dass auch alle Gesetze gültig sind.“ Was recht ist und was nicht – es war in Griechenland fast egal geworden.

Ein Beispiel: „Die Vertretungen der regierenden Parteien in den Städten hätten wie Geschäfte funktioniert“, sagt Elias Tsolakidis, Initiator der Freiwilligenbewegung in Katerini. „Jeder konnte hingehen und sich mit seinem persönlichen Wunsch in die Reihe stellen. Der eine wollte auf Kreta studieren, der andere beruflich versetzt werden. Solche Wünsche wurden auf Papier notiert und in Ordner sortiert.“

Wie die Faktoren Verdruss, Strenge, Treue, Feuereifer, Bauernschläue, Zuversicht, Glück, Missgunst, Opportunismus und Stolz zum Ge- oder Misslingen des Projektes beitragen (können) und ein aussagekräftiges Video dazu lest und seht Ihr hier f.f.

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