Was Griechen über Deutsche denken

Ein Auszug aus Spiegel.de

Unter Angela Merkel ist Deutschland in der EU tonangebend – und womöglich ebenso unbeliebt. SPIEGEL ONLINE bat bekannte Intellektuelle aus Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien um ihre Einschätzung: Was denkt man in ihrer Heimat über die deutsche Politik?

Christos Ikonomou

Der griechische Schriftsteller Christos Ikonomou wurde 1970 in Athen geboren und wuchs auf Kreta auf. Er arbeitet als freier Autor, Journalist und Übersetzer und lebt in Piräus. Er schreibt unter anderem für die Athener Tageszeitung „Ethnos“. Für seinenzweiten Erzählband „Warte nur, es passiert schon was“ wurde er mit dem griechischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet.

Seit Beginn der Krise vor drei Jahren ist Deutschland in den Augen vieler Griechen zu einem boshaften Gegner geworden. Hier gibt es keinen, der nicht glaubt, dass die Wurzel allen Übels und der Grund für die Misere der großen Mehrheit der Bevölkerung die rachsüchtige und ungerechtfertigte Haltung der deutschen Regierung gegenüber Griechenland ist.

Viele Griechen sind ziemlich sicher, dass Deutschland ihnen eine harte und unverdiente Strafe auferlegt hat, die das ganze Land in ein Labor der zerstörerischen Sparpolitik verwandelt hat. Sie glauben, dass die „Medizin“, die die deutsche Regierung verschrieben hat, den Patient nicht heilt, sondern tötet. Und sie glauben, dass Angela Merkel das gleiche schädliche „Rezept“ dem ganzen europäischen Süden aufzwingt und damit aus der EU eine „Deutsche Union“ machen und, natürlich, vor der Bundestagswahl im Herbst politisches Kapital daraus schlagen will.

Sie halten es auch für inakzeptabel, dass der normale Bürger den hohen Preis für das Versagen des politischen Systems in Griechenland zahlen muss – selbst wenn Merkel und andere bekannte deutsche Politiker gesagt haben, dass das politische System Griechenlands verantwortlich gemacht werden muss für die Not der Griechen.

Auf der anderen Seite glauben zahlreiche Griechen, dass es zu einfach ist, den „bösen Deutschen“ statt den „bösen Griechen“ die Schuld für die finanzielle und humanitäre Krise im Land zuzuschieben. „Merkel macht ihren Job, sie schützt die Interessen des deutschen Volkes. Unsere Politiker haben das nicht gemacht“, sagen sie. „Wir hätten es besser wissen müssen. Wie können wir vom deutschen Steuerzahler erwarten, dass er die Kosten für unsere Verschwendung bezahlt?“

Alles in allem gibt es keine einheitliche Haltung der Griechen gegenüber Deutschland, obwohl die meisten wohl darin übereinstimmen, dass Merkels europäische Politik bald zum Schwanengesang der Euro-Zone oder vielleicht sogar der Europäischen Union wird.

Was Franzosen, Spanier und andere denken, lest Ihr HIER.

 


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