Von Uta Wagner, Der Geschmack von Kreta.
Im März und April, bis Anfang Mai ist auf Kreta die Hauptsaison für Artischocken. Selbst mitten im Sommer sind sie noch zu finden. Es gibt zwei verschiedene Sorten hier: die eine hat lange Stacheln und die andere ist ohne diese hinterhältigen Dinger.
Alle meine kretischen Bekannten bevorzugen die stachelige, da sie mehr Geschmack haben soll. Es gibt die beiden Sorten jeweils in klein und in groß. Hier auf Kreta werden beide Sorten angebaut. Außerdem gibt es auch wilde Artischocken, die jedoch nur noch wenig genutzt werden, da sie sehr bitter sind.
Die Artischocke ist eine Distel und gehört zur Familie der Korbblütler. Bereits an den Wänden der ägyptischen Pharaonengräber finden sich Zeichnungen der Pflanze. Vom Land am Nil aus ist sie dann nach Südeuropa gekommen. Von Ptolemäus gibt es eine Aufzeichnung, in der er beschreibt, dass vor allem Soldaten auf den Feldzügen die wilde Artischocke als Gemüse nutzten. Da sie jedoch sehr bitter war, wurden sie vor der eigentlichen Zubereitung zuerst in Salzwasser eingelegt. Im 18. Jahrhundert galt in Europa der Genuss der damals teuren Artischocke als Privileg des Adels.
Artischocken sind reich an Vitaminen – Vitamin C, Vitamin E, Betakarotin und verschiedene B-Vitamine. Sie enthalten viele wichtige Mineralien und Spurenelementen. Die Disteln sind reich an Kalium, der im Körper für den Flüssigkeitshaushalt und die Weiterleitung von elektrischen Impulsen an Nerven- und Muskelzellen eine wichtige Rolle spielt. Auch der Anteil an Calcium und Magnesium ist relativ hoch.
Calcium ist ein wichtiger Baustein unserer Knochen. Magnesium macht uns weniger anfällig gegen Stress und lässt uns nervliche Belastungen besser vertragen. Besonders hoch ist auch der Eisengehalt der Distelpflanze. Die Spurenelemente Kupfer und Mangan sind ebenfalls enthalten.
Der Bitterstoff der Artischocke ist das Cynarin. Dieser regt den Appetit an, fördert die Verdauung und unterstützt die Arbeit der Leber. Die Distel beschleunigt die Ausscheidung von Giftstoffen, weil sie die Bildung von Gallensaft beschleunigt und damit den Abtransport fördert. Außerdem kann sie mit ihren Inhaltsstoffen freie Radikale bekämpfen, die Zellbestandteile in unserem Körper schädigen und unter Umständen entarten lassen.
Auch die Stiele sind essbar.
Normalerweise ist unsere Leber ziemlich robust. Doch ungesunde Ernährungsgewohnheiten, Alkohol, bestimmte Medikamente und Umweltgifte machen ihr zu schaffen und können sie nachhaltig schädigen. Der häufige Genuss von Artischocken ist purer Balsam für die Leber (Anm. der Red.: Auf Kreta gibt es kleine Artischockenstücke als Meze. Natürlich zusammen mit Raki).
Neuerdings wird immer häufiger von Forschern darauf hingewiesen, dass die Inhaltsstoffe der Artischocke und ihrer Blätter auch eine günstige Wirkung auf Arteriosklerose und die Blutfettwerte ausüben. Sie können einen zu hohen Cholesterinspiegel senken, tasten die normalen Werte offenbar nicht an. Artischocken entwässern und haben damit einen ausleitenden Effekt.
Die Artischocke ist nicht nur ein wichtiger Schutz für das Verdauungssystem, sondern auch eine Delikatesse. Jedenfalls so lange sie nicht so schön blüht wie auf dem Bild links! 😉
Ich kannte früher nur die Zubereitungsform, dass man sie im Ganzen kocht und dann die Blätter abzupft, die Blattgründe „auszuselt“ bis man zu den feinen Härchen kommt. Dazu gab es immer verschiedene Dips, zum Beispiel ist mein Lieblingsdip aus Joghurt, Tomate, Olivenöl und Estragon. Abschließend werden die Härchen entfernt und der freigelegte Blütenboden genossen. Diese Art der Zubereitung ist hier fast unbekannt.
Hier gibt es fast ausschließlich Gerichte bei denen nur der Blütenboden genutzt wird. Zum Beispiel: Eintopf mit Ei-Zitronen-Sauce, Artischockenkuchen, Artischocken mit Bohnen, mit Lamm, mit Schwein, mit Ziege oder mit Meeresfrüchten.
Hier das Rezept: Lamm mit Artischocken in Zitronen-Ei-Sauce