Nikos erzählt…. Geschichten aus Griechenland und anderswo.
Wenn ich manchmal im stillen Kämmerlein bin, frage ich mich, ob ich ein deutscher Kreter oder ein kretischer Deutscher bin. Diese Antwort blieb ich mir schuldig, was jedoch für die Episoden in Istanbul, als ich auf Geschäftsreise war, kaum eine Rolle spielte.
Dieses Mal begleitete mich mein Freund Christo, der zu Istanbul wie alle Griechen „Polis“ sagt. Er ist dort geboren und kann perfekt türkisch sprechen, ist gleichzeitig nicht nur mein ältester Freund, sondern auch ein guter Dolmetscher. Die Tatsache, dass ein Satz wie „ Heute ist ein schöner Tag“ auf Türkisch nicht nur fünf sondern oft das Vielfache an Worte benötigt, kenne ich auch aus dem griechischen, da man gerne trockene Sätze mit netten, zuckersüßen Worten umschmückt. Die wörtliche Übersetzung würde dann heißen: „Heute stand ich morgens auf und spürte in mir das Gefühl, das heute ein sehr schöner Tag werden wird und da ich Dich gerade getroffen habe, verstärkt sich dieses Gefühl und ich weiß, wenn auch der Himmel Nebelschleier trägt, der Tag wird schön werden.“
Mit dem Taxi durch Istanbul
Da die Maschine aus Stuttgart eine halbe Stunde Verspätung hatte und wir im Hotel mit zwei Geschäftspartnern eine Besprechung angesetzt hatten, waren wir zeitlich sehr eingeengt und ich bat Christo, er solle dem Taxifahrer sagen, dass wir es eilig hätten. Ok, das war der erste Fehler, weil bekanntlich die Istanbuler Taxifahrer sowieso lauter Kamikaze- Verkehrsteilnehmer sind, und unserer setzte daraufhin noch eins obendrauf. Ich, der auf den Hintersitz gepresst wurde, sagte auf Griechisch: „Sag ihm, dass ich Frau und Kinder habe.“ Der Taxifahrer sah Christo an, und der sagte etwas auf Türkisch, so dass dieser Mensch noch eine Schippe an Geschwindigkeit drauf legte und mich dabei schelmisch angrinste. Als ich dann Christos fragte, was er eigentlich gesagt hat, meinte er: „Ich habe ihm gesagt, Du hättest gemeint, dass er wie Sebastian Vettel fährt, und er meinte, er wäre der Formel 1 Weltmeister von Istanbul.“ Wir kamen heil an, aber ich musste vor der Besprechung noch mein schweißgebadetes Hemd wechseln.
Mit der Fähre nach Bursa
Da ich gerne nach dem Motto: -Wie Du mir, so ich Du- lebe, kam die Retourkutsche am Folgetag, als wir die Fähre nach Bursa nahmen und es einen hohen Wellengang gab. Eine Loopingbahn ist im Vergleich dazu eine Kinderschaukel. Christo wechselte mehrmals die Hautfarbe und musste für die Rückfahrt am Abend Reisetabletten einnehmen. Es stimmt, dass ich ihn aufzog, aber sehr bald bemerkte, dass er wie ein Häufchen Elend aussah und ich bremste meine Schadensfreude. Die Übelkeit bewirkte, dass er sich am Abend direkt ins Hotel zurückzog. Mein Hunger jedoch ließ mir keine Wahl, ich musste irgendwo eine Kleinigkeit zu mir nehmen. So ging ich die Hauptstraße beim Taxim-Platz hinab, als ich ein deutlich griechisch klingendes Wortgefecht aufnahm: „Wre Pous…..wre Malak…..“ , und dieses exakt dort, wo sich das griechische Generalkonsulat befindet. Purer Zufall, dachte ich. Die Dame, es war wirklich eine Frau, die so brüllte und sich lauthals artikulierte, schnappte sich den Angesprochenen am Haarzopf und drosch auf ihn ein.
Frau schlägt Mann, kann passieren. Frau brüllt Mann an, kann auch passieren, aber mitten auf der Hauptstraße einer Metropole, die bekannt dafür ist, dass Männer das Sagen haben, ist etwas ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist auch die Tatsache, dass dem armen Mann keiner zu Hilfe kam. Ich auch nicht, weil ich gerade wieder mit mir am Kämpfen war, heraus zu finden, ob ich ein deutscher Kreter oder doch eher ein kretischer Deutscher bin. Zur Lösungsfindung rief ich Kostas an, der nur folgendes wusste:
„Lieber Gott, wir haben doch nur ein Leben, danke dass ich es als Grieche leben darf.“