Hohes Arbeitstempo – Alexis Tsipras und die ersten 100 Tage seiner Regierung in Athen.
von Nikos Chilas – aus FaktenCheck:Hellas 2
Er ist durch nichts zu entmutigen. Fast 100 Tage nach seiner Ernennung zum griechischen Regierungschef zeigt sich Alexis Tsipras völlig zuversichtlich. Möge der griechische Staat auch noch so bankrott sein und die „Institutionen“ – ehemals Troika – mit Europäischer Zentralbank, Europäischer Kommission und Internationalem Währungsfonds einen unnachgiebigen Finanzkrieg gegen ihn führen – er bleibt, wie ein Radiokommentator sagte, „cooler als der kühlste Nordeuropäer“.
Diese Coolness zeigte er auch jüngst bei seinem Gespräch mit Angela Merkel in Brüssel am Rande des EU-Sondergipfels für die Flüchtlinge. Dabei ging es um eine für ihn existenzielle Frage: Den Abschluss des inzwischen verlängerten (zweiten) Hilfsprogramms für Griechenland, der die letzte Geldtranche von etwa 7,8 Milliarden Euro für Athen frei machen würde. Der Inhalt des Gesprächs blieb vertraulich, wahrscheinlich hat es auch nicht viel ergeben. Egal: Es hat Tsipras nicht gehindert, sich wieder „optimistisch“ mit Blick auf eine baldige Einigung zu erklären.
Dabei ist der griechische Ministerpräsident kein politischer Naivling. Er weiß sehr wohl, dass er auf Grund der finanziellen Blockade der Gläubiger keine der aufwändigen, angekündigten Projekte realisieren kann. Seine Zuversicht zieht er somit aus einer anderen Quelle: Aus der Umsetzung von Reformen, die oft eher wenig und manchmal auch gar nichts kosten. Klar, dass man derzeit nicht alle Reformen auf einmal und diese schon gar nicht im ursprünglich geplanten Umfang realisieren kann. Aber die schon realisierten stoßen – trotz der hysterischen Polemik der sogenannten „systemischen Massenmedien“ – auf eine deutliche Zustimmung bei einem Großteil der Bevölkerung. Dies verfestigt den Wahlerfolg des 25. Januar und gibt ihm begründete Hoffnung für weitere Erfolge. In der Tat: In den letzten sechs Wochen ist auf seine Veranlassung eine Flut von Gesetzen von den Regierungsparteien, der linken Syriza und der rechtspopulistischen Anel, beschlossen worden, die die Struktur des Landes allmählich verändern. Zahlreiche Ministerialdekrete lindern zudem die Auswirkungen der Sparpolitik der Troika bzw. sie heben die ungerechten Handlungen der vorherigen Regierung auf. Die wichtigsten davon:
Im Sozial- und Gesundheitsbereich
– Das Gesetz zur Bekämpfung der humanitären Krise. Menschen mit sehr niedrigen Einkommen erhalten kostenlosen elektrischen Strom und Zuschüsse zur Miete sowie eine elektronische Karte für den Einkauf von Lebensmitteln in den Supermärkten. Der Einkaufsbetrag bewegt sich, je nach der finanziellen Lage derjenigen, die im Besitz einer solchen Karte sind, zwischen 70 und 220 Euro monatlich.
– Der Patientenbeitrag von 5 Euro für jeden Besuch in den Gesundheitszentren und den Spitälern ist durch ministeriellen Erlass abgeschafft worden
– Angekündigt wurde die sofortige Neueinstellung von 4500 Personen in den öffentlichen Gesundheitsdienst.
Im Wirtschafts- und Arbeitsrechtbereich
– Das Gesetz für die Regelung der Schulden an die Steuerbehörde und die staatlichen Kassen. Die Schuld kann nun in 100 Raten beglichen werden, die Geldbußen werden ersatzlos gestrichen, der Zins für die Restschuld wird auf das Minimum von 3% jährlich festgesetzt und auf Null Prozent bei Schulden bis 5000 Euro. Die Achillesferse des Gesetzes: Es gilt unterschiedslos für alle – für Arme und Reiche, für Klein- und Großschuldner. Die erkennbare Absicht – so schnell und so viel wie möglich Geld den staatlichen Kassen zuzuführen – wird dadurch verschattet: Der Regierung wird vorgeworfen, auf diese Weise auch „die Superreichen und Oligarchen“ – so ein SPD Abgeordneter – zu begünstigen, statt sie, wie im Wahlprogramm versprochen, zur Kasse zu bitten. Inzwischen hat allerdings die stellvertretende Finanzministerin Nadia Valavani die Nachbesserung des Gesetzes zuungunsten der Millionäre angekündigt.
– Das Gesetz für die Rückkehr zu den Kollektivverhandlungen wird bereits in der zuständigen Parlamentskommission behandelt. Dabei ist auch die zweistufige Anhebung des Mindestlohnes von 586 Euro heute auf 750 Euro monatlich im Jahre 2016 vorgesehen. Mit demselben Gesetz wird ein Steuersatz von 26% auf sogenannte „Dreieck-Transaktionen“ eingeführt: Gemeint sind damit Einfuhren, die die multinationalen Unternehmen und Handelsketten über dritte Länder tätigen.
– Das Gesetz für die öffentliche Verwaltung, das einen radikalen Abbau der Bürokratie vorsieht.
– Die Wiedereinstellung von tausenden zu Unrecht entlassenen Bediensteten im öffentlichen Dienst – darunter die etwa 600 Putzfrauen des Finanzministeriums und anderer Regierungsstellen.
Im Justizbereich
– Das Gesetz für die Humanisierung der Gefängnisse, das unter anderem die Abschaffung der Hochsicherheitstrakte vom Typus C sowie die Verwandlung der Gefängnisstrafe in Hausarrest für Gefangene mit mehr als 80% Invalidität vorsieht. Das Gesetz hat den Zorn der USA hervorgerufen, weil sich unter den Begünstigten auch zwei ehemalige Terroristen befinden, die in den siebziger und achtziger Jahren Beamte des amerikanischen Geheimdienstes in Athen ermordet hatten.
Im Medienbereich
– Das Gesetz für die Neueröffnung der ERT, der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehanstalt. Diese war am 11. Juni 2013 von der vorherigen Regierung geschlossen und nach wochenlanger Pause von einem Rundfunk-Surrogat ersetzt worden. Der Vorfall hat damals internationales Aufsehen erregt, nicht nur wegen der putschartigen Schließung, sondern auch wegen eines weltweit einmaligen Experiments im Bereich der Massenmedien: Ein großer Teil der Belegschaft führte fünf Monate lang in Selbstverwaltung den Betrieb fort – bis ein Sonderkommando der Polizei dem Experiment ein Ende setzte. Der Pferdefuß: Das neue ERT-Gesetz berücksichtigt weder die internationalen demokratischen Standards im Bereich des öffentlichen Rundfunks, noch die Erfahrungen der Selbstverwaltung in Griechenland. Überdies erhebt es den für die Massenmedien zuständigen Minister zum „Zaren“ der neueröffneten Anstalt.
Im Erziehungs- und Kultusbereich:
– Das Gesetz für die Schulen und Hochschulen. Es bringt eine weitgehende Demokratisierung vor allem der Hochschulen mit der Wiedereinführung der Studentenbeteiligung an der Wahl der Rektoren, etc. Dazu stellt er das sogenannte Hochschulasyl wieder her, das als wesentliche demokratische Errungenschaft galt, von der vorgängigen Regierung aber praktisch abgeschafft wurde. Der Nachteil des Gesetzes: Es ist nicht das Ergebnis einer methodischen Analyse der neugriechischen Gesellschaft unter den Bedingungen der Krise und erfüllt daher mit eher alten Rezepten ihre laufenden Bedürfnisse.
Mangel an Erfahrung und Vorbereitung, amateurhaftes Handeln, vermeidbare Fehler, unnötige Staatsausgaben, wie die 500 Millionen Euro für die Modernisierung von Militärflugzeugen: Das sind nur einige der Schwachstellen der von der Syriza-Partei angeführten Regierung. Der unablässige Druck der Gläubiger schafft zudem einen finanziellen Notstand, der droht, sich zum staatlichen Notstand auszuwachsen.
Doch Tsipras bleibt cool. Statt mit Notstandsgesetzen antwortet er mit demokratischen Reformen. Und das ist das, was hauptsächlich seine ersten 100 Regierungstage kennzeichnet.
Nikos Chilas: Der Autor lebt in Berlin und Athen. Er ist Deutschlandkorrespondent der griechischen Zeitung „To Vima“.
Nicht nur im Internet, sondern auch als Zeitung zu bestellen: Faktencheckhellas.org
Hallo Heike, Jörg hatte dir bereits gestern morgen um 7h34 geantwortet, vielleicht schaust du dir das einfach mal an…
Hallo Joerg,
ich nochmal!! Hatte dir ja gestern schon geschrieben…wegen guenstiger Unterkunft in Lendas!! Moechte ja nicht unnoetig draengeln,doch die Zeit draengt…Also,kannst du mir nun weiterhelfen??
Nochmals Danke im Voraus
Heike