Als das Busfahren auf Kreta noch ein Abenteuer war.

Und wieder ist eine treue Leserin unserem Aufruf, „Eure“ Geschichten von Kreta zu erzählen, gefolgt.

Diesmal handelt es sich um Sigrun Steinwender, ihres Zeichens bekennende Kretaliebhaberin (wie wir wohl alle) und sie will – Zitat: „vor allem bei der Gelegenheit kundtun, dass ich – die es seit ca 40 Jahren immer wieder nach Kretas Südwesten zieht – durch die vielen Beiträge von Radio Kreta über Land und Leute in allen Lebensbereichen, Kultur, Natur, Geschichte … so viel über diesen Insel –„Kontinent“ dazugelernt habe, dass es mir nur leid tut, die vielen Jahre vorher ohne dieses bereichernde Wissen in Kreta gewesen zu sein!!


Ein großes „efharisto poli!“ an euch emsig Recherchierende! Gerade vor kurzem dachte ich, wie schade, dass ich die vielen kleinen, lustigen oder dramatischen Erlebnisse meiner vielen Kreta-Urlaube nicht tagebuchmäßig durch die Jahre festgehalten habe, so vieles ist inzwischen auch schon Geschichte und, sofern nicht schriftlich irgendwo dokumentiert, der Nachwelt quasi verloren!

Und leider hat mein Gedächtnis (75 Jahre!) schon vieles im Nebelgrau des beinahe Vergessens verschwinden lassen.

Damit genau das nicht passiert, halten wir Sigruns nette und kurzweilige Geschichte gerne hier bei uns fest und teilen sie mit Euch.

Das Abenteuer „Busfahren auf Kreta“

Ich war seit drei Wochen wieder einmal auf Kreta, hatte bereits einige herrliche Wanderungen genossen und nun wollte ich mir einen Ruhetag in Chania gönnen, einem Ort, der zum entspannten Flanieren geradezu einlädt. Ich stand also früh auf, um mit dem Morgenbus zu starten. So praktisch es ist, mit einem Mietauto die Gegend zu erkunden, nicht gebunden an Fahrpläne und Herr (Frau) über die Entscheidung, wohin die Reise gehen soll und mit welchen eventuellen Abstechern z.B. kultureller Art, so „steril“ in einem gewissen Sinn ist diese Art des Reisens.

Ich habe das Fahren mit einheimischen Linienbussen von Dorf zu Dorf über die Jahre hinweg lieben gelernt, die gestenreichen Gespräche älterer Frauen z.B. – meist im Krähenschwarz der Witwen – und ebensolcher Männer, bucklig von der harten Landarbeit, beim Einsteigen mit dem Bus-Chauffeur. Und immer wieder mitten in den oft heftigen Wortduellen wurde eines nie verabsäumt, das Ritual der dreifachen Bekreuzigung, wenn wir an einer Kirche oder auch nur an einer winzigen, fern zwischen Olivenbäumen kaum wahrnehmbaren Kapelle vorbeifuhren. Dieses Ritual wird übrigens auch heute noch von jungen Leuten eingehalten.

Einmal, irgendwo im Gebirge zwischen den Dörfern stieg eine alte Bäuerin zu und weil sie gewohnt war, wie am Land eben üblich, ein Gespräch anzufangen und weil nur noch der Sitz neben mir frei war, sprach sie also mit mir. Mir wurde schnell klar, dass diese Frau sich einfach nicht vorstellen konnte, dass es Menschen gibt, die des Griechischen nicht mächtig sind und so versuchte ich – die ich aus Faulheitsgründen diese so schöne Sprache nur äußerst mangelhaft, um ehrlich zu sein, so gut wie gar nicht beherrsche – der alten Lady nicht das Spiel zu verderben, hörte ihr aufmerksam zu und versuchte, je nach Deutung ihres Gesichtsausdrucks, das unverstanden Gehörte einzureihen in die Worte, deren ich immerhin mächtig war: „ne“ und „ochi“.

Das ging eine Weile ganz gut, wir kommunizierten heftig, jeder auf seine Weise, doch plötzlich – ich weiß nicht mehr, war es bei einem „ne“ oder bei einem „ochi“ — sah mich die Frau an mit einem Ausdruck des Erstaunens, nein, vielmehr des Entsetzens! Sie verstummte wie erstarrt und strafte mich fürderhin mit Schweigen, bis sie beim nächsten Dorf grußlos den Bus verließ. Ich werde nie erfahren, welchen Verbrechens wider das menschliche Einfühlungsvermögen ich mich damals schuldig gemacht habe!

Und noch eine unvergessene Busfahrt

Eine andere Busfahrt – ich schätze, sie ist schon gute zwanzig Jahre her – ist mir unauslöschlich in Erinnerung geblieben und in dieser Art wohl heute, in unserer mit immer mehr Vorschriften genormten, zwar praktischeren, aber zunehmend entzauberten Welt nicht mehr denkbar!

Von Sougia aus gibt es nur einen Bus, den nach Chania. Und dann gab und gibt es noch den Bus, der von Paleohora Richtung Omalos fährt, um die „touristischen Lemminge“ an den Rand der berühmten Samaria-Schlucht zu karren, wo sie sich dann zu Tausenden mit den Lemmingen vieler anderer Busse vereint „in die Schlucht stürzen“. Die beiden Busse, der von Sougia und der von Paleohora, halten auf ihrer Fahrt beide dort, wo die Straße Richtung Omalos abzweigt, damit Wanderer aus Sougia nach Omalos umsteigen können. Aber bevor sie dort ankommen, treffen die beiden Busse kurz vorher aufeinander, nachdem sie miteinander per Funk kommunizieren.

Dieses Mal kommunizierten sie heftig und sowohl der schwarz- und vollbärtige Chauffeur wie auch der damals noch übliche Kartenkontrolleur (der späteren EU- Sparmaßnahmen zum Opfer fiel) gerieten sichtlich in einen euphorischen Zustand, sie gestikulierten heftig und steigerten sich in ein lautstarkes Gelächter, wie zwei pubertierende Buben, die einen Streich aushecken.

Dann lief der Kartenkontrolleur durch den Bus und kurbelte eines der Fenster einen Spalt breit hinunter, während sein Kollege sich weiter per Funk mit dem Chauffeur des anderen Busses unterhielt, der schon in Sichtweite hinter uns heranbrauste. Und dann – auf der dort ziemlich schmalen Straße – überholte uns der Bus aus Paleohora – auch der dortige Kartenkontrolleur hatte ein Fenster geöffnet – und mit schier akrobatischer Präzision schob dieser durch die Öffnung eine Zigarettenpackung herüber, die der Unsere in exaktem Timing entgegennahm.

Die Fenster wurden wieder geschlossen und nun, nach diesem sorgfältig geplanten und geglückten Manöver, rasteten Chauffeur und Kontrolleur erst richtig aus – es war ein Freudentaumel, als hätten sie bei einer olympischen Disziplin (Anm.d.Red: „Zigarettenpäckchen durchs Fenster eines fahrenden Busses werfen“ vielleicht?) den Sieg errungen! Bei einem der nächsten Dörfer machte der Bus kurz Station (heute auch nicht mehr denkbar), die Wirtin des nahen Kafenion brachte zwei Gläschen Raki, die die beiden „Sieger“ kippten und weiter ging die Fahrt mit den beiden siegestrunkenen kretischen Helden.

Inzwischen wurden bei diesen Bussen, wie schon erwähnt, die oft auch für uns touristische Fahrgäste recht unterhaltsamen Kartenkontrolleure eingespart mit der fatalen Folge, dass die Laune der nun vereinsamten Bus-Chauffeure sich sehr verdüstert hat: ist doch der Grieche, und somit auch der Kreter, ein kommunikatives Wesen, das – wie z.B. auch ein Kanarienvogel – allein, ohne die Ansprache von Artgenossen, seelisch verkümmert. 

So trauere ich den heiteren Zeiten nach, als die Welt der Bus-Chauffeure und deren Assistenten noch in Ordnung und so manche Busfahrt ein unverhofftes Abenteuer war.

Radio Kreta sagt Danke für diese schöne Geschichte!

2 Kommentare

  1. Kalimera Sigrun, da ich keinen Führerschein habe nutze ich auch sehr oft den Bus auf Kreta. Trampen tue ich auch viel. Das die Fahrer während der Fahrt rauchen, ist für mich immer das Zeichen, du bist auf Kreta.

    Die Kartenkontrolleure gibt es aber seit ein paar Jahren wieder. Auf der Hauptstrecke Chania – Rethymnon – Heraklion fahren immer Kontrolleure mit und sagen auch die Haltestellen an. Auch auf den Nebenrouten fahren oft Kontrolleure mit. Oft steigt zwischendurch sogar noch ein weiterer Kontrolleur in den Bus und kontrolliert noch mal die Passagiere.

    Ta Leme, kv

  2. Mit dem Bus auf Kreta im Jahr 1982 zu fahren , ein unvergessliches wunderbares Erlebnis. Mit der Musik von Georges Dalaras ging es über die Berge in den Süden der Insel nach Frangokastello.

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