Kunst auf Kreta: Alkibiádes Skoúlas.

Heute geht es um einen großen kretischen Künstler, dem im Bergdorf Anogia ein Museum gewidmet ist:

Alkibiàdes Skoúlas.

Skoulas.

Selten verirrt sich allerdings ein Tourist hierher, denn das kleine Museum in diesem Bergdorf steht weder an prominenter Stelle, noch sticht es äußerlich ins Auge oder ist sonderlich spektakulär. Es ist einem Bewohner des Dorfes, Alkibiádes Skoúlas (Αλκιβιάδης Σκουλάς), auch „Griliós“ (Γρυλιός) – die Grille – genannt, gewidmet und wird seit dessen Tod vor ein paar Jahren liebevoll von seinem Sohn Georgios geleitet und betreut.

Alkibiádes Skoúlas, 1902 geboren, schlug den typischen Beruf viele Kreter ein: Er wurde Schafhirte auf der Nida-Hochebene und verbrachte oft den ganzen Sommer dort oben, seine spärliche Freizeit dazu nutzend, aus Olivenbaumstümpfen, Wurzeln und Steinen fantasievolle Gebilde zu formen. 1944 kamen deutsche Soldaten in sein Heimatdorf und zerstörten es komplett. „Grilios“ musste fliehen und versteckte sich, nachdem er seine Familie wiedergefunden hatte, in den Bergen bei Arkadi.

Als alter kretischer Freiheitskämpfer wusste er natürlich, wohin der zu gehen hatte. nach Kriegsende kehrte Familie Skoúlas ins Dorf zurück. Man begann mit dem Wiederaufbau und Alkibiádes zog sechs Söhne und drei Töchter groß, die ihm bis zum Lebensende an die vierzig Enkel bescherten, und betrieb am Dorfplatz ein Kafenio.

Mit 65 übergab er die „Geschäfte“ an seinen Sohn Georgios. Doch schon bald ergriff den alten umtriebigen Hirten und Freiheitskämpfer die Langeweile. Was tun?

Mit fast 70 wandte er sich der Kunst zu, fertigte zunächst Bleistiftzeichnungen an, kaufte sich dann Ölfarben – dieselben, die er auch zum Streichen seiner Fenster und Türen verwendete – und malte auf Holz „was mir vor die Augen kam“, in klaren, reinen Farben und ohne Perspektive. Er wählte Themen aus seinem eigenen Leben, aus der Dorfgeschichte, stellte Traditionen und Alltagsszenen dar, aber auch politische Ereignisse, wie die Türkenkämpfe. Seine eindrucksvollsten Werke sind die „Landung der Deutschen“ und die „Zerstörung von Anogia“.

In naiv-einfachem Stil berichten seine Bilder vom Ende der türkischen Besatzung, vom Alltag der Menschen und von der leidvollen Geschichte des II. Weltkrieges. Seine Arbeiten sind Ausdruck eines klaren, bodenständigen Geistes – keine Botschaften, kein erhobener Zeigefinger – er hat sein Leben gemalt, kretische Geschichte eingefangen, in Holz geschnitzte, in Stein gemeißelte Zeitzeugnisse geschaffen.

1976 verkaufte er erstmals Bilder an eine Galerie in der Hauptstadt, und niemand traute seinen Augen, als er mit einem beträchtlichen Sümmchen ins Dorf zurückkehrte. Er malte weiter, wurde allmählich bekannter und entschloss sich in den 1980er Jahren, seine Kunstwerke auszustellen.

Ein kleines doppelstöckiges Museum am oberen Dorfrand von Anogia entstand, das er mit einem Teil seiner Bilder und Statuen aus Wurzelholz ausstattete und in dem heute ein Sohn Besucher gerne herumführt.  Es besitzt eine intime, familiäre Atmosphäre, die dem Besucher einen sehr persönlichen Zugang zu den Ausstellungsstücken ermöglicht.

In einer Vitrine am Eingang sind die Werkzeuge ausgestellt, mit denen die lebensnahen Kunstwerke geschaffen wurden. Anfangs hatte Alkibiades Skoulas dieselben Farben verwendet, mit denen er sein Haus gestrichen hat. Erst später kamen die „richtigen“ Malfarben zum Einsatz. Auch die einfachen Instrumente zur Stein- und Holzbearbeitung sind zu sehen – Dinge, die man in einem kretischen Bergdorf eben im Hause hat.

Eine seiner geschnitzten Holzfiguren, ein eigenwilliges Porträt von Eleftherios Venizelos, fand Platz auf dem Dorfplatz des Unterdorfes, neben dem konventionellen Abbild des ehemaligen Ministers; andere sind im Lychnostátis-Museum ausgestellt.

Nachdem Alkibiádes im hohen Alter von über 90 Jahren Anfang der 1990er gestorben ist, führt Sohn Georgios, nicht nur äußerlich das Ebenbild des Vaters, das Museum und freut sich ebenfalls über jeden Gast. Er zeigt Fotos seines Vaters, ihm gelingt es, die Kunstwerke zu erläutern und Menschen in seinen Bann zu ziehen. Dabei hat er sich eigentlich mehr der Musik als der bildenden Kunst verschrieben.

Hin und wieder gibt er vor Museumsbesuchern kretische Lieder – oft Stegreif-Mantinades begleitet von seiner alten Lyra – zum Besten und lässt dermit die Tradition der großen Musiker des Ortes wieder aufleben. Eine rührende, unvergessliche Geste kretischer Gastfreundschaft.

Der Eintritt ins Museum ist natürlich frei, aber Georgios freut sich über freiwillige Spenden, mit denen er den Unterhalt des Museums finanziert. Und noch ein kleiner Tipp. Von Heraklion aus kommend gleich am Ortseingang befindet sich Tarrhaglas, die Glasbläserwerkstatt von unserem Freund Marios. Auch wirklich sehenswert. 

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