Lernt endlich, wieder richtig zu feiern!
Von Holger Czitrich-Stahl.
Man feiert bei uns den Geburtstag und die ehemals christlich begründeten Hochfeste wie Weihnachten oder Ostern. Hochzeiten, Taufen oder Jubiläen gehören ebenfalls in diesen Reigen des Feierns.
Gleichermaßen sind Einschulungen, Abschlüsse oder Betriebsfeste zu erwähnen. Aber damit nicht genug: „Stayfriends“ fordert uns auf, Namenstage zu feiern, für mich als aufgewachsenen Protestanten eine eher fremde Tradition, denn die Heiligen als Namenspatrone überlässt der Protestantismus der Orthodoxie und dem Katholizismus. Aber auch der Börsengewinn wird uns als Grund zu feiern offeriert, das neue Markenauto nicht minder, ein neues Produkt von Apple oder Samsung erfährt eine beinahe adventliche Lobpreisung, bis dann die frohe Botschaft endlich verkündet wird.
Und dann noch das unsägliche „Halloween“!
Das Feiern besaß früher einen anderen, authentischen Charakter. Die christlichen Hochfeste feierten die Geburt und die Auferstehung Jesu und andere sakrale Ereignisse. Auf Geburtstagen und Familienfeiern wurde gegessen, getrunken und gesungen, Betriebsfeste stifteten so manchen Ehebruch, ein Kirchweihfest oder ein Dorffest hingegen stifteten Gemeinsamkeit.
Aber was stiftet die Börse, vergemeinschaftet der Jahreswagen oder das Tablet? Bestenfalls eine Produktsucht, im eigentlichen Sinne also Unsinn, denn frei zu sein bezog sich stets auch auf materielle Abhängigkeit, von der man loskommen wollte. Man feierte das Leben, das erzeugte eine natürliche Feierlichkeit, die alle vereinte. Diese Tugend kommt uns mehr und mehr abhanden.
Aber sie wird Gott sei Dank noch gepflegt.
In Griechenland zum Beispiel ist das Osterfest eine lang andauernde Zeremonie, bei der auf dem Höhepunkt der Liturgie der Pope ausruft „Christos anesti!“ – Christus ist auferstanden! – und die Gemeinde antwortet „Christus ist wahrhaftig auferstanden!“.
Von den gebeutelten Griechen kann man in Sachen Feiern so einiges lernen oder zurück gewinnen. Wie viel Kitsch auch immer auf einem „griechischen Abend“ haften mag, er spricht in seinem Kern in uns eine Seite an, nach der wir uns sehnen: Ausgelassenheit.
Eine schier endlose Polonaise mitten durch Tische und Bänke, Küche und Gastraum steigert auch ohne hohen Weinkonsum die Stimmung von Minute zu Minute, auch das hölzerne Nachahmen griechischer Tanzeleganz weckt die Endorphine und steckt selbst den steifesten Briten oder deutschesten Sandalenträger an.
Und wenn dann der Tavernenwirt mindestens einmal wöchentlich Teller und Dachziegel zerschmeißt, die griechischen Vortänzer trotz aller Routine ihr Bestes geben und der Chef des Hauses mit Spiritus flammende Herzen auf den Fußboden zaubert und die Flammen die Balken empor lodern lässt, dann zeugt das von einer inneren Mission uns gegenüber: „Lernt doch endlich, wieder einmal richtig zu feiern!“ Da sponsert kein Konzern, liked man in keinem social network, da rechnet keine Kaufhauskette mit. Es geht einfach so und ergreift alle!
Lernen wir also, wieder richtig zu feiern.
Ich bin sicher, uns Krisengewinnler bekommt die Krise letztlich viel schlechter als den Griechen. Die haben immer einen Grund zu feiern, einfach so und darüber hinaus viele religiöse und historische Gründe, die das Leben feiern.
Soll der Kapitalismus sich ruhig selbst feiern, möglichst irgendwann unter Ausschluss der Öffentlichkeit! (Geschrieben in Alykes/Zakynthos am 18. August 2014).