Unglaublicherweise ist schon bald mal wieder der 1. Advent und zu diesem Anlass wollen wir Euch ein wundervolles Buch (übrigens auch ein prima (Nikolaus-, Weihnachts- oder sonstiges Geschenk für alle Griechenland-Liebhaber oder vielleicht sogar griechisch-deutsche „Kofferkinder“) in Erinnerung rufen.
Das Buch „Milch in Papier“ vom „Kofferkind“ Stefanos Polis und seine Gedanken zum Advent.
Seine Erinnerungen an die ersten Vorweihnachtszeiten in seiner neuen Heimat Deutschland (Düren im Rheinland) sind heimelig, voller Kerzenschein und neuer Eindrücke, die zumindest seine kulinarische Neugierde, Begeisterung und auch Abneigungen in gewisser Weise nachhaltig geprägt haben.
Wir wollen diese Ausschnitte aus „Milch in Papier“ mit Euch teilen und Euch ggf. auch ein kleines Schmunzeln auf´s Gesicht zaubern.
Viel Spaß dabei!:
„Es gibt kaum etwas Schöneres als die Adventszeit in Deutschland. Kaum ein anderes Volk versteht es besser, die trübe und graue Zeit im Dezember mit so viel Liebe zu gestalten. Vorweihnachtliche Stimmung ist bei mir eng verknüpft mit diesem Land und seinen Bräuchen. Weihnachtlich dekorierte Geschäfte, Straßenbeleuchtung und Weihnachtsmarkt, unzählige Weihnachtslieder. Ein Hauch von Kerzen- und Tannenduft lag in der Luft.
Ganz zu schweigen von den unzähligen Leckereien, ohne die Weihnachten wie eine Frau ohne Oberweite sei, pflegte Hubert, unser Nachbar, zu sagen. Ferner hatte er uns einmal von den sagenumwobenen Printen aus Aachen erzählt. Fortan hatte ich mich auf die Suche nach diesem Schatz gemacht – ohne Erfolg.
Meine Mutter kaufte in den Geschäften nur Waren, die sie gut kannte. Fremder Kram interssierte die meisten Griechen nicht.
Wenn ich morgens meinen Freund Uwe abholte, um zur Schule zu gehen, durfte ich mich mit an den Tisch der Familie Kleefisch setzen. Mutter Kleefisch war eine Meisterin im Dekorieren. Überall im Haus brannten Kerzen in allen Größen und Farben, geschmückt mit Tannengrün. Im ganzen Haus duftete es nach deutscher Weihnacht.
Ich bin nämlich der Meinung, dass griechische Weihnacht anders riecht.
Das schummrige Licht verstärkte dieses Gefühl noch mehr. Auf dem Frühstückstisch standen allerlei Wurstarten und Käse, dampfende Tassen und mehrere Sorten Brot. Trotz der Aufforderung von Uwes Mutter, zuzugreifen, hielt ich mich meistens sehr zurück. Zu deutlich waren die Erinnerungen an meine ersten Essproben bei Familie Kleefisch.
Obwohl meine Mutter uns mittags – und da gab es keine Ausnahme – stets gut bekochte, hatte mich der Gedanke, mal in einer deutschen Familie mitzuessen, sehr gereizt, bis sich schließlich einige Monate vor Weihnachten die Gelegenheit dazu ergeben hatte. Ich hatte bei Familie Kleefisch am Tisch gesessen und die Mutter des Hauses hatte emsig die für mich fremden Speisen verteilt.
Voller Stolz und mit großem Interesse hatte ich zuerst die Tischdekoration ausgiebig begutachtet. An jedem Platz lagen über der Tischdecke ein weiteres, kleineres Deckchen, ein Teller und jeweils eine Gabel und ein Messer. Letztere Gegenstände hatten mir erhebliches Kopfzerbrechen bereitet, weil ich bis dahin nur mit einer Gabel auskam. Größere Stücke vom Essen schnitt meine Mutter uns Kindern immer klein.
Neben den Tellern standen Schälchen, gefüllt mit Salat, der zu meiner Überraschung mit Kondensmilch und Zucker angemacht war. Dieser Salat sollte mein Untergang werden und mein anfängliches Vorurteil, die Rheinländer könnten gar nicht kochen, verfestigen. Frau Kleefisch hatte an jenem Tag darauf bestanden, dass wir den Salat bis auf das letzte Blatt aßen, was ich anstandshalber auch tat.
Die zweite Begegnung mit dem rheinischen Essen sollte Monate später von Frau Kleefischs legendärem Mettigel gekrönt werden, so dass ich mir schwor, nie wieder hungrig Uwes Familie zu besuchen. Lediglich für die berühmt-berüchtigten Printen wollte ich eine Ausnahme machen, denn es hatte ja gerade die langersehnte Adventszeit angefangen.
Schließlich wurde es Weihnachten und ich hatte keine einzige Printe essen können. Die Außentemperatur betrug circa zwölf Grad und der Schnee blieb bedauerlicher Weise aus.
„Winter fünfundvierzig, das war ein Winter, sage ich dir“, sagte Hubert an Heiligabend, als wir uns nachmittags im Hof vor der Gemeinschaftstoilette trafen. „Wir hatten kein Holz zum Heizen und nichts zu fressen.“ Dann trugen seine sonst freundlichen Augen Trauer. Ich hatte mich schon lange gefragt, warum dieser Mann allein lebte, nun wollte ich es unbedingt wissen. Es war schließlich Weihnachten. Niemand sollte Weihnachten allein sein.
Doch wie sollte ich es herausbekommen? Meine Deutschkenntnisse reichten nicht aus.
Obgleich meine Familie großes Mitleid mit ihm hatte, waren unsere Hände gebunden aufgrund von schamerfüllter Unsicherheit.
So feierte Hubert ein weiteres Mal einsam Weihnachten und unser schlechtes Gewissen sollte noch mehr wachsen. Am ersten Weihnachtstag, als wir uns aufmachten, zur Kirche zu gehen, fanden wir vor unserer Tür eine Plastiktüte mit Inhalt. Unsicher hob meine Mutter sie auf und prüfte den Inhalt. Eine Schachtel und drei kleine Schokoladennikoläuse schauten stumm heraus.
Wir nahmen die Tüte an uns und waren zerfressen von Neugier, doch etwas davon nehmen durften wir nicht. Nach der Messe eilten wir nach Hause, um dort weiterzumachen, wo wir vor der Messe aufgehört hatten.
Jeder von uns bekam einen Nikolaus, während mein Vater dabei war, die Schachtel zu öffnen. Mit offenem Mund sah ich im Inneren der Schachtel das Gebäck, wovon alle in den letzten Tagen schwärmten. Freilich probierte ich eine und war ein wenig enttäuscht. Die Printe war steinhart, obgleich nicht fremd im Geschmack. Heute gehört sie zu meinen Lieblingsgebäcksoren und ein Weihnachten ohne Printen wäre undenkbar. Schließlich ist Weihnachten ohne Printen wie eine Frau ohne Oberweite.“
Radio Kreta wünscht einen besinnlichen, kuscheligen und heimeligen 1. Advent und eine schöne Vorweihnachtszeit – und wir liefern ausser Lesestoff natürlich auch die passende Musik dazu!