Alexis Tsipras: „Mein Rettungsplan für Griechenland“

Wenn Syriza die Wahl gewinnt, wollen wir das Land reformieren und den Euro behalten. Dafür müssen wir die Steuereinnahmen steigern. Von Alexis Tsipras

Alexis Tsipras ist Vorsitzender des griechischen linken Parteienbündnisses Syriza, das laut Umfragen die Parlamentswahl am Sonntag gewinnen könnte.

„Um sämtliche Zweifel aus der Welt zu schaffen: Meine Partei, Syriza, tritt dafür ein, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt. Der US-amerikanische Präsident Barack Obama hatte recht, als er vergangenen Freitag sagte: „Lasst uns jetzt alles in unserer Macht Stehende für das Wachstum tun, auch wenn wir zeitgleich einen langfristig angelegten Plan zur Stabilisierung der Schulden und unseres Haushaltsdefizits festzurren und damit beginnen, die Schulden stetig und auf vernünftige Art und Weise zu reduzieren.“

Das trifft ebenso auf mein Land zu. Dass Griechenland eine Chance für echtes Wachstum und eine neue Zukunft bekommen muss, stößt inzwischen auf mehr Zustimmung denn je.

Ich glaube fest daran, dass uns die Bevölkerung der Hellenischen Republik am Sonntag einen klaren demokratischen Auftrag erteilen wird. Mit diesem Mandat werden wir unverzüglich handeln und die korrupten und ineffizienten politischen und regulatorischen Systeme Griechenlands aus der Welt schaffen, die unsere Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten derartig heimgesucht haben. Die Menschen in Griechenland erwarten von uns auch, dass wir unverzüglich die Verantwortung dafür übernehmen, die sich abzeichnende humanitäre Krise des Landes abzuwenden.

Syriza – der Name ist auf Griechisch die Abkürzung für „Koalition der Radikalen Linken“ – ist aktuell die einzige politische Bewegung in Griechenland, die dem Land wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Stabilität bringen kann. Die kurzfristige Stabilisierung Griechenlands wird der Euro-Zone zugutekommen, während sie an einem kritischen Punkt in der Entwicklung der Binnenwährung steht. Schlagen wir keinen anderen Weg ein, wird uns die Sparpolitik mit umso höherer Gewissheit zum Ausstieg aus dem Euro zwingen.

Nur Syriza kann den Griechen Stabilität garantieren, denn wir bringen nicht die politischen Altlasten mit wie jene etablierten Parteien, die Griechenland an den Abgrund geführt haben. Aus diesem Grund unterstützen die Wähler unsere Bemühungen, das Land vom Abgrund zurückzuholen. Durch transparente Regierungsarbeit werden wir das Land auf einen neuen Pfad des Wachstums führen. Ein erneuertes Griechenland wird zu den neuen Grundlagen eines stärker in sich geschlossenen, stärker geeinten Europas beitragen. Die Entwicklungen vergangenes Wochenende in Spanien belegen, dass die Krise gesamteuropäisch ist – und dass bislang völlig ineffektiv mit ihr umgegangen wurde.

Die Bevölkerung Griechenlands will die gescheiterte alte Absichtserklärung – die im März mit der Europäischen Union und dem Internationalem Währungsfonds (IWF) unterzeichnet wurde – ersetzen, durch einen „nationalen Plan für Wiederaufbau und Wachstum“. Das ist notwendig, sowohl um Griechenlands humanitäre Krise abzuwenden als auch zur Rettung der Gemeinschaftswährung.

Griechenlands systemische Haushaltsprobleme sind zu weiten Teilen durch die geringen Einnahmen der öffentlichen Hand begründet. Frühere Regierungen haben Interessengruppen unzählige Steuererleichterungen und -ausnahmen zugestanden. Hinzu kommt ein geringer Effektivsteuersatz auf persönliches Einkommen wie auf Kapitaleinnahmen. Das erklärt – ebenso wie die in hohem Maße ineffektive Methode der Steuereintreibung – einen Großteil des Problems. Laut Eurostat liegt Griechenland beim Verhältnis der staatlichen Einnahmen als Anteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um vier Prozentpunkte unter dem Durchschnitt der Euro-Länder. Das politische Zweiparteiensystem – mit der konservativen Nea Dimokratia und der sozialdemokratischen Pasok – hat jahrzehntelang die Dringlichkeit effektiver Steuerreformen ignoriert und stattdessen die Steuerjagd auf Haushalte mit mittlerem oder niedrigem Einkommen konzentriert.

In unserem Plan für Wiederaufbau und Wachstum verpflichten wir uns auf ein Programm der pragmatischen und sozial gerechten Haushaltsstabilisierung: Die öffentlichen Ausgaben sollen sich bei rund 44 Prozent des BIPs einpendeln, und es soll gewährleistet sein, dass diese Ausgaben gut durchdacht erfolgen. Die Einnahmen aus der Direktbesteuerung sollen im Laufe von vier Jahren auf europäisches Niveau steigen (um mehr als vier Prozent des BIPs). Das Steuerregime soll so überarbeitet werden, dass das Vermögen und die Einnahmen der Bürger festgestellt werden und die Steuerlast anschließend gerecht verteilt wird.

Obwohl griechische Banken mit Geldern der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank refinanziert werden, mangelt es weiter an finanzieller Transparenz. Wir werden sicherstellen, dass lebensfähige Banken transparent und in einer Art und Weise rekapitalisiert werden, die in völligem Einklang mit dem öffentlichen Interesse stehen. Nur so kann sichergestellt sein, dass das gesamte Finanzsystem seine Stabilität vollständig wiederfindet.

Der Autor Arthur Miller schrieb einst, dass eine Ära sich ihrem Ende zuneigt, wenn die sie tragenden Illusionen entschwunden sind. Die Illusion einer guten griechischen Regierung unter dem alten Zweiparteiensystem ist entschwunden, und sie ist überhaupt nicht mehr imstande, die Rückkehr unseres Landes zu Wachstum und zu einer vollständigen Beteiligung an der Euro-Zone zu gewährleisten.

Diesen Sonntag werden wir Griechenland in eine neue Ära des Wachstums und des Wohlstands führen. Beginnen wird die neue Ära am Montag.“

Quelle: FTD.de