Heute muss und will ich mich mal wieder aufregen. Und zwar über meine griechischen Landsleute – sorry!
Ich bin zwar in Deutschland aufgewachsen, ausgebildet und „sozialisiert“ worden, habe aber doch so ziemlich jeden Urlaub, alle meine Sommer- und Semesterferien sowie jede irgendwie freie Zeit in Griechenland bei meiner Familie verbracht.
Eine besonders enge Beziehung habe ich natürlich zu meiner „Yiayia“ (Oma) väterlicherseits, deren Namen ich trage (Ihr habt sie hier auch schon kennengelernt, sie hält mit Ihrer Meinung ja auch selten hinter dem Berg….) und die ich sehr liebe und schätze.
Mit ihr war ich auch neulich unterwegs und uns überfiel um die späte Mittagszeit ein nagendes Hungergefühl. Wären wir bei Yiayia Anna zu Hause oder auch nur in der Nähe gewesen, hätte sie natürlich gesagt „ela poulaki mou, ich koch uns was schönes!“, aber da wir uns ausnahmsweise mal in der großen Stadt befanden, sah ich es als meine Pflicht an, für etwas essbares zu sorgen.
Meine Yiayia mag Restaurants nicht sehr – sie traut keinem Koch, da sie es ja sowieso viel besser kann (was sehr oft sogar stimmt…). Aber sie vertraut mir und ist trotz ihres doch etwas fortgeschrittenen Alters immer noch recht neugierig und unternehmungslustig – so landeten wir in einer kleinen, einladenden und doch recht traditionell ausschauenden Imbissbude mitten in der verwinkelten Altstadt – weitab vom saisonbedingten Touri-trubel.
Lecker: Gyros Pita
Und meine liebe Yiayia wollte nun auch mal essen „was ihr jungen Leute so esst“. Ich sagte ihr, dass mir Sinn und Appetit nach einer der köstlich duftenden und aussehenden Gyros-Pita „apo ola“ (mit allem) stehe, also nach einer Pita mit Gyros, Pommes, Zwiebeln, Tomaten und wahlweise Tsatsiki oder Joghurt. in meinem Falle Joghurt. Yiayia schaute nicht sehr zuversichtlich, wollte sich aber auf ihre alten Tage gerne auf dieses exotische Experiment einlassen und bestellte das Gleiche.
Die Pites wurden frisch zubereitet und landeten knusprig und duftend auf unserem Tisch. Yiayia aß mit sichtlichem Genuss und Vergnügen und meinte, dass man sowas ja durchaus mal machen könnte – auch wenn sie Fleisch bestenfalls 2 Mal im Monat oder zu hohen Feiertagen isst.
Ich lehnte mich zufrieden, glücklich und satt zurück und liess den Blick über das Treiben in der „Psitaria“ schweifen. Yiayia´s Blick folgte dem meinen und nach ein paar Minuten entfuhr ihr ein „Tststs, diese jungen Leute von heute. Keine Zeit, nur noch Hektik und Rennerei – schau mal, die ESSEN sogar im Stehen oder sogar beim Laufen! Und dann haben sie auch noch entweder das Handy am, oder diese Stöpsel im Ohr – DAS hat es bei uns nie gegeben, zum Essen gehört Zeit, die Füße unter den Tisch und die sprichwörtliche „kalí paréa“ – eine gute Gesellschaft, so wie wir beide hier sitzen!“
Pita to go
Tja, wir waren nun mal in einem Grillrestaurant gelandet, das auch „se paketó“ – zum Mitnehmen, oder neudeutsch „to go“ – verkauft. Für meine Yiayia ein Unding, ja eine Abartigkeit des modernen Lebens.
Und ein weiterer Kommentar machte mich noch etwas nachdenklicher. Sie hatte sich das bunte „to-go“-Treiben eine Zeit lang angeschaut und kam zu dem Schluss: „jetzt schau doch mal, Poulaki mou, da rennen die hektisch rum und essen sogar im Laufen und werden doch alle immer fetter! Früher waren wir alle schlank und wussten das Essen zu schätzen – da gab es fast keine fetten Menschen. Nur die Politiker und die Popen waren beleibt – aber die haben ja auch nie gearbeitet und sind ja auch nie gerannt!“
Zugegebenermaßen war mir die vermehrte – na, sagen wir mal ganz nett „Moppeligkeit“ vieler Kinder und Teenager auch schon seit einiger Zeit aufgefallen – und auch ich hatte mir schon Gedanken darüber gemacht, woran das wohl liegen mochte.
Da in diesem Leben ja selten etwas „monokausal“ ist, also viele Gründe zusammenspielen, haben meine liebe Yiayia und ich mal versucht, dieses Phänomen zu erklären. Und da Yiayia Anna keineswegs eine der „Omis“ ist, die jedes moderne Phänomen mit der lapidaren Äußerung „früher war eh alles besser“ abbügeln, entspann sich eine rege Diskussion über „früher“ (inclusive ihrer und meiner Kindheit) und „heute“, wo ich zwar kein Kind mehr bin, meine Yiayia und mich ja aber doch Generationen trennen.
Und doch war die Schlussfolgerung sehr stimmig:
Gerade in den Städten, wo der Familienverband nicht mehr so funktioniert wie in Yiayia´s Dorf, wird zumindest unter der Woche kaum noch zu Hause gekocht und gegessen. Beide Elternteile sind – in der Krise mit viel Glück – berufstätig oder ständig auf der Suche nach Arbeit und leider kocht keine Omi mehr für die aus der Schule heimkommenden Kinder.
Also bekommen die Kinder etwas Geld, um sich beim Bäcker, im Fast-Food Restaurant oder im Supermarkt was zu Essen zu kaufen. Was – das kennen wir sicher aller aus unseren Teenager-Jahren – ernährungsphysio- und psychologisch nicht immer das non plus Ultra ist. Soll heissen, es läuft meist auf „süß“ oder auf „heiß und fettig“ raus. Dazu ne Limo oder ne Cola und fertig.
Lecker: Mayonnaise
Und wenn eine lecker Pita „mit alles“, so wie wir sie genossen haben, gerade mal 2,- Euro kostet, ist das sicher auch budgetentlastend gegenüber dieser Kocherei…
Nur wenn dann – wie mehrfach entsetzt beobachtet – bei in Emfangnahme der „to-go“-Pita auch noch die Mayonnaise-Flasche geordert wird, mit der man die Pita dann auch noch bis zur Unkenntlichkeit in dicken Schichten überzieht, hört einerseits der Spass auf – andererseit erklärt das auch Einiges…
Für meine Yiayia, die leider Zeit ihres Lebens recht entbehrungsreich gelebt hat – früher, weil es nicht anders ging und heute, weil sie es nicht anders kennt und auch gar nicht mehr anders will, dafür aber „besondere“ Tage wie diesen extrem geniessen kann – ein Unding.
Ohne radikal zu sein, würde sie all diese „Moppel“ gerne bei sich aufnehmen, sie auf dem Feld oder beim Schafehüten ganz ohne dieses „Internetz“ arbeiten und lernen lassen und ihnen das zu Essen geben, was Mutter Erde so hergibt und was man daraus machen kann.
Dann klappts auch wieder mit der echten „Kreta Diät“ und gesunden Kindern, die sich an der frischen Luft bewegen und beim Essen die Füße unter den heimischen Tisch stellen.