Buchtipp: „Das gelbe Dossier“ von M. Karagatsis.

Hach, manche Tage sind einfach schöner als andere – und manche Mails erfreulicher als andere. Eine der erfreulicheren hat uns vor kurzem erreicht, man hat uns ein neu erschienenes Buch an´s Herz gelegt – und genau das wollen wir jetzt auch bei unseren Lesern machen.

Nun ja, ganz neu ist das Buch an sich nicht, allerdings gerade im Oktober diesen Jahres erstmals in deutscher Übersetzung erschienen.

Karagatsis Dossier
Unser Buchtipp.

Ein Rezensionsexemplar ist bereits unterwegs zu uns, aber so lange wir das noch nicht selbst gelesen haben und folglich noch keinen eigenen Senf dazu geben können, hier vorab die offizielle Pressemeldung unseres neuen Partners „Literaturtest“:

„Das gelbe Dossier“: das Meisterwerk über einen mysteriösen Selbstmord aus der Feder des wegweisenden griechischen Schriftstellers M. Karagatsis – erstmals in deutscher Übersetzung.

Wie jedes Jahr besucht der Autor M. Karagatsis auch am 5. Mai 1954 das Grab seines Freundes Manos Tassakos. Der bekannte Prosaschriftsteller und Anwalt war am 5. Mai 1938 tot in seinem Arbeitszimmer aufgefunden worden – erschossen. Die Polizei entscheidet schnell, dass sich der Schriftsteller umgebracht haben muss und legt den Fall zu den Akten.

16 Jahre später trifft besagter M. Karagatsis, aus dessen Sicht dieser bedeutende Roman erzählt wird, eine Frau am Grab des Toten. Sie übergibt ihm ein gelbes Dossier, das persönliche Dokumente von Tassakos enthält und das Zweifel an seinem Selbstmord aufkommen lässt. Der Erzähler geht den Hinweisen nach. Wer könnte ein Interesse daran gehabt haben, Tassakos zu ermorden?

„Das gelbe Dossier“ gehört zu den Klassikern der jüngeren griechischen Literatur. M. Karagatsis hat den packenden und psychologisch brillanten Roman, der den Leser in die Athener Bourgeoisie der 1920er­ und 1930er­Jahre entführt, 1956 veröffentlicht. Endlich liegt dieses wichtige Werk europäischer Literatur in einer deutschen Übersetzung von Theo Votsos vor. Der Roman erscheint jetzt im Verlag der Griechenland Zeitung.

Erzählerisch meisterliches Psychogramm

Bereits im Jahr 1938 hatte ein Polizist Zweifel an dem Selbstmord des Rechtsanwalts und Schriftstellers Tassakos geäußert. Zu Beginn des Romans sucht der Erzähler und Freund des Toten diesen Polizisten auf, der dem Besucher seine Zweifel erklärt: „In seelischnervlicher Hinsicht erfreute er sich bis zum Vortag seines Todes der allerbesten Gesundheit, er strotzte geradezu vor Lebenslust und Lebensfreude. Liebeskummer ist vollkommen auszuschließen. Zur damaligen Zeit hatte er ein Verhältnis mit Nina Nikolaou, der berühmten Pianistin, die ihn über alle Maße liebte, ohne dass er selbst die entsprechenden Gefühle für sie empfand.“

Was wie ein Kriminalroman – eine für die griechische Literatur zur damaligen Zeit unpopuläre Gattung – beginnt, entspinnt sich im Laufe der Lektüre zu einem fein ausgearbeiteten und erzählerisch meisterlichen Psychogramm der noblen Athener Gesellschaft in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen – eine Schicht, die zur Zeit der deutschen Besetzung als Kollaborateure immens profitierte. Im Vorwort der deutschen Ausgabe schreibt der Schriftsteller Petros Markaris, der in Deutschland als Krimiautor sehr bekannt ist:

„Es geht um die Bewohner der Burg von Athen, wie man damals den Stadtteil Kolonaki am Fuße des Lykavittos ­Hügels nannte, in dem die reichen Griechen wohnten (…) Es geht ihm (dem Autor) (…) um die Psychologie dieser Schicht und um deren Liebschaften und Leidenschaften, die er bis zum Äußersten treibt.“

Genialer Kunstgriff des Autors

M. Karagatsis (1908–1960), dessen echter Name Dimitrios Rodopoulos war, tritt in seinem eigenen Roman als Erzähler und Ermittler auf. Es ist ein Kunstgriff, mit dem der Autor letzten Endes auch die Frage nach den Möglichkeiten und der Wahrhaftigkeit der Literatur thematisiert. Er kommt einem zweiten geheimnisvollen Leben seines streitbaren und polarisierenden Freundes auf die Schliche.

karagatsis
„Mitsos“ Karagatsis.

Dramatische Ereignisse nehmen ihren Lauf. In Griechenland zählt dieses Buch des in Deutschland leider noch weitgehend unentdeckten Autors zu den wichtigsten Romanen der jüngeren Literaturgeschichte. Der bekannte Literaturkritiker Demosthenes Kourtovik bezeichnete das Buch als „einen der besten griechischen Romane, die je geschrieben worden sind“.

Dank des Verlages der einzigen deutschsprachigen in Griechenland erscheinenden Zeitung kann dieser prägende Roman, der auch einen tiefen Einblick in die Geschichte Griechenlands gibt, nun auch endlich hierzulande entdeckt werden.

Über den Autor: M. Karagatsis ist das Pseudonym von Dimitrios Rodopoulos, der 1908 in Athen geboren wurde und der 1960 ebenfalls in Athen verstarb. Der griechische Prosaautor zählt mit seinem – angesichts seiner nur 52 Lebensjahre – bemerkenswert reichhaltigen Werk zu den bedeutendsten und einflussreichsten griechischen Erzählern des 20. Jahrhunderts.

Es umfasst unter anderem 15 Romane und mehrere Erzählbände, Theaterstücke und Essaysammlungen. Im Verlag der Griechenland Zeitung erschien im Oktober 2016 noch ein weiteres Werk dieses Autors: „Oberst Ljapkin“, das auch bereits auf dem Weg zur Radio-Kreta-Leseratten-Redaktion ist. Und die wird zu gegebener Zeit auch darüber berichten!

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