Kurzgefasst:
Auf den Spuren der Vergangenheit ihrer Familie reist die Archäologin Alexis nach Kreta. Nicht weit entfernt vom Heimatdorf ihrer Mutter entdeckt sie die Insel Spinalonga, bis 1957 Griechenlands Leprakolonie. Endlich erfährt sie, welche Rolle die Insel der Vergessenen über Generationen hinweg im Leben ihrer Familie gespielt hat. Noch ahnt sie nicht, wie stark das Geflecht aus Intrigen, Verrat und enttäuschter Liebe auch ihr eigenes Leben bestimmt.
Das meint Histo-Couch.de: „Bewegende Geschichte um die Lepra im 20. Jahrhundert“
von RITA DELL’AGNESE
Ein kleiner Fleck auf dem Bein zerstört das Glück der Griechin. Denn was die junge Bewohnerin nur wenige Wochen vor ihrer Hochzeit entdeckt, bedeutet Verbannung auf die Insel Spinalonga. Dort befindet sich die Lepra-Kolonie. Anhand ihrer Familiengeschichte, der die Archäologin Alexis nachspürt, wird der Schrecken deutlich, der die älteste bekannte Krankheit der Menschheit noch bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts begleitet hat. Es wird aber auch deutlich, wie sehr Lebensqualität von der eigenen Einstellung und vom Zusammenhalt der Menschen abhängt.
Unerwartete Tiefe
Zunächst scheint Insel der Vergessenen eine unterhaltsame aber eher seichte Geschichte um die Zweifel einer jungen Engländerin zu werden. Denn Alexis lässt ihren Verlobten kurzerhand in einem Badeort auf Kreta zurück, um einen Abstecher in die Heimat ihrer Mutter zu machen. Die Mutter hat um ihre Herkunft stets ein großes Geheimnis gemacht und Alexis möchte diesem nun auf den Grund gehen. Doch schon nach wenigen Seiten bekommt das Buch unerwarteten Tiefgang. Was Alexis im kleinen Fischerdorf antrifft, macht nicht nur die Protagonistin sondern auch die Leserinnen und Leser betroffen. Denn durch die Erzählung einer Freundin ihrer Mutter erfährt Alexis vom jahrzehntelangen Leid, das ihre Familie einst heimgesucht hat.
Spannend aufgebaut
Der belanglose Einstieg macht schnell einer sich sachte aber mit großer Bandbreite entfaltenden Geschichte Platz. Es ist nicht so sehr das Geheimnis, das darin Raum einnimmt, sondern das Elend der von Lepra Betroffenen. Victoria Hislop gerät dabei aber nicht in die Schiene „weinerliches Mitleid“. Gerade ihre verhaltene Optik stellt die Nähe her, die packt und nicht mehr los lässt. Dabei lässt es die Autorin keineswegs bei der Schilderung bewenden, welches Schicksal die Lepra-Kranken ereilte. Vielmehr baut sie hervorragend eine Geschichte um zerstörerische Liebe, um Intrige und Vernichtung ein. Dies so ausgezeichnet, dass es auf den über 400 Seiten kaum eine Länge gibt.
Interessante Charaktere
In einer gut verständlichen, trotz Übersetzung erstaunlich melodiösen Sprache zeichnet Victoria Hislop interessante Charaktere, die zwar manchmal noch etwas mehr Ecken und Kanten vertragen könnten und deren Handlungen doch immer mal wieder leicht klischeehaft sind – wohl der hauptsächliche Schwachpunkt des an sich starken Romans -, die aber schnell ans Herz wachsen.
Insel der Vergessenen ist ein sehr schöner, oft stiller Roman, der ein kaum bekanntes Thema behandelt und gerade dadurch auch betroffen macht, weil Lepra noch heute in vielen Ländern vorkommt.
Eine große Hollywood-Produktion hat sich jetzt die Filmrechte gesichert. Das Buch wird in 13 Episoden verfilmt. Gedreht wird an den Original-Schauplätzen auf Kreta.