Christine Hinkofer, Merkur-Online.de
Griechenland steckt in der Krise. Ganz Griechenland? Nein, an einem sieben Kilometer langen Traumstrand auf der Halbinsel Chalkidiki scheint der Fluch der Wirtschaftsgötter tatsächlich spurlos vorübergegangen zu sein.
Dort beendete ein Urlaubsresort mit mehr als 700 Zimmern die Tourismussaison gerade mit dem besten Ergebnis seit seiner Eröffnung vor 30 Jahren. Beinahe 100 Prozent Auslastung. Mit dieser frohen Kunde im Gepäck reiste Hotelier Dr. Andreas Andreadis noch in der Vorweihnachtszeit nach München. Weil er nämlich auch Vorsitzender des griechischen Tourismusverbandes ist und glaubt, dass sein Modell für die Zukunft des griechischen Tourismus richtungsweisend sein kann. Eine gute Nachricht in schlechten Zeiten:
Ziemlich entspannt lehnt Dr. Andreas Andreadis (59) in den roten Samtpolstern beim weihnachtlich geschmückten Feinkost-Käfer. Ein Rauschgoldengel sitzt ihm am Fenstersims im Nacken, ein Adventsgesteck hängt, einem Lorbeerkranz ähnlich, über seinem Kopf. Ja, er hat sich ein paar Lorbeeren verdient in dieser Saison, der Geschäftsführer des Sani Beach Resorts an der Westküste des Chalkidiki-Ausläufers Kassandra.
700 Zimmer hat die Anlage, die in vier Hotelbereichen an einem sieben Kilometer langen Traumstrand und am Rande eines Natur- und Vogelschutzgebietes verteilt ist. Und beinahe jedes dieser Zimmer war in der für Griechenland durchaus schwierigen Saison 2012 vom frühesten Frühjahr bis in den Spätherbst hinein ausgebucht. „Die teuersten Suiten waren sogar zuerst vergeben“, sagt Sales-Managerin Irina Tioupala. Und spricht dabei von den Suiten, die in der Hauptsaison immerhin an die 2500 Euro am Tag kosten.
War es der Luxus, der das Sani Beach vor der Krise bewahrte? Greift hier die bekannte Schere, von der inzwischen auch alle im Tourismus reden? Dass nur noch die wirklich Reichen verreisen, die aber umso intensiver?
„Definitely not – sicher nicht“, sagt Dr. Andreadis voller Überzeugung und lehnt sich dabei etwas weiter zum Rauschgoldengel zurück. „Unser Erfolg“, erklärt er, „basiert darauf, dass wir ein Family-Lifestyle-Resort sind.“ Soll heißen: Das Hotel als Alleskönner, in dem jeder das findet, was er im Urlaub sucht. Ein Beispiel hat er dafür auch parat: „Wir haben in der Hochsaison bis zu 700 Kinder in der Anlage, aber bei vier Millionen Quadratmetern Gelände fühlt sich keiner zu keinem Zeitpunkt von ihnen gestört. Man sieht sie gar nicht.“ Die Weitläufigkeit der Anlage garantiere, dass auch erholungsbedürftige Paare, die typischen Wellness-Urlauber im Sani Resort, auf ihre Kosten kämen. Wobei das Konzept auch die unterschiedlichsten finanziellen Möglichkeiten der Kunden berücksichtige. Schließlich gibt es nach Angaben von Sales-Managerin Tioupala auch Doppelzimmer, die in der Nebensaison schon ab 88 Euro zu buchen sind. Ein Festpreis für Kinder garantiere zudem Planungssicherheit für Familien.
Am Tag, als Andreas Andreadis nach München kam, vermeldete Torsten Schäfer, Sprecher des Deutschen Reiseverbandes DRV gerade einen Buchungsrückgang für Griechenland um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wie diese Nachricht zur Erfolgsgeschichte des Sani Beach passt? Andreas Andreadis, der nicht nur Hotelier, sondern auch Präsident des griechischen Tourismusverbandes SETE mit mehr als 50.000 Mitgliedern ist, braucht keine Sekunde, um darauf die passende Antwort zu geben. „Die Krise traf diejenigen, bei denen das Preis-Leistungsverhältnis nicht mehr stimmte, wo der Urlauber für sein Geld nicht den entsprechenden Gegenwert bekommen hat, egal, ob im Luxushotel oder in der Zwei-Sterne-Pension.“ Das ist auch der Ansatz, den er als SETE-Präsident sieht: „Wir müssen durchgängig daran arbeiten, die Qualität zu verbessern, auf allen Ebenen.“
Und die Preise? Was ist dran an der Aussage, dass Griechenland in dieser Saison das teuerste Urlaubsland am Mittelmeer war? Auf diese Frage reagiert Andreadis so heftig, dass dem Rauschgoldengel gleich die Flügel zittern. „Das stimmt einfach nicht!“, widerspricht er vehement. Das durchschnittliche griechische Urlaubspaket sei mit 680 Euro für acht Tage sogar günstiger als das türkische oder spanische. „Griechenland ist preiswert!“ Das will er kommunizieren – und das Erfolgsmodell vom Traumstrand der Kassandra übertragen auf das ganze Land.
2,12 Millionen deutsche Urlauber waren in der letzten Saison nach Griechenland gekommen, und Andreadis sagt, dass er jedem einzelnen dankbar ist, weil er damit seine Freundschaft zu den Hellenen in schwierigen Zeiten bewiesen habe. Das neue Jahr werde seiner Meinung nach die Wende zum Positiven bringen. Sein Ziel ist es, den Tourismus um zehn Prozent zu steigern – „nehmen Sie mich beim Wort.“ Und als er das sagt, erleuchtet ein Sonnenstrahl, der aus tiefdunklen Wolken hervorblitzt, den Rauschgoldengel am Fenster. Ein gutes Omen, möchte man meinen. Aber sind dafür bei den Griechen nicht eigentlich die Götter zuständig?