Der Spiegel-Online-Reporter Stephan Orth hat sich auf die Suche nach neuen, kreativen Lösungen für die Griechenland-Krise gemacht – und zwar auf dem Götterberg schlechthin: dem Olymp.
Lest hier den ersten Teil des Artikels, der so ziemlich alle (göttlichen) Möglichkeiten der griechischen Mythologie zur Problembewältigung abklopft und am Ende, unter Umständen, doch tatsächlich den richtigen „Mann der Stunde“ findet. Oder? Aber lest selbst:
„Griechischer Götterberg Olymp
Der Anti-Krisengipfel
Aus Litochoro berichtet Stephan Orth
Nirgendwo in Griechenland ist man weiter weg von der Krise als auf dem Gipfel des Olymp. Auf 2918 Metern Höhe haben die Probleme der Finanzwirtschaft keine Bedeutung. Dafür müssen Bergsteiger andere Schwierigkeiten bewältigen – etwa wenn Göttervater Zeus schlechte Laune hat.
Rechts die überdimensionalen Brüste von Aphrodite, links Europa, vorne das Meer, irgendwo dahinter Asien. Und unten, Tausende Meter tiefer, ganz weit weg, die schlimmste Finanzkrise der Welt. Vom Gipfel des Olymp, dem höchsten Punkt Griechenlands, blicken Wanderer auf ein Land, das in großen Schwierigkeiten ist. Doch sie blicken auch auf ein wunderschönes Land, mit gestaffelten Bergketten und einer in der Morgensonne gleißenden See bis zum Horizont. Eine göttliche Aussicht.
Der 2918 Meter hohe Olymp ist die mythologische Heimat von Zeus, Apollon, Hermes und neun weiteren Göttern der Antike. Und er ist der Anti-Krisengipfel der Griechen: Wer sich auf die beschwerliche Tour zu seinem Mytikas-Gipfel macht, dessen Probleme sind schmerzende Waden, Erschöpfung, Nebel und rutschiges Gestein. Elementare, greifbare Dinge. Probleme, die nichts mit Steuererhöhungen, Ramsch-Ratings und unfähigen Staatschefs zu tun haben.
„Auf dem Berg gibt es keine Krise“, sagt Alexandros. Der 36-Jährige will mit ein paar Kletterfreunden über die Westwand den Stefani besteigen, der direkt neben dem Mytikas emporragt. Der wuchtige Felskoloss sieht von der Talseite wie eine überdimensionale Raubfischflosse aus. Seit der Antike gilt er als Zeus‘ Thron.
Je höher, desto glücklicher
Auch unter Profi-Olympioniken, also den Menschen, die beruflich mit dem Nationalpark zu tun haben, nimmt die Krisenstimmung offenbar ab, je näher sie den Göttern sind. „Wir haben jetzt weniger Geld, um Tiere zu schützen und den Nationalpark zu erhalten“, klagt Pavlos Andredakis, Präsident der Olympus National Park Management Agency (Litochoro, 292 Höhenmeter). „Die Gäste bestellen oft nur eine Suppe oder einen Salat, sie sind sparsamer geworden“, klagt Dionysos Zolota, Betreiber der Hütte Spilios Agapitos (2100 Höhenmeter). „Wir sind hier sehr isoliert, wir kriegen von der Krise nichts mit. In Griechenland könnte ein Krieg ausbrechen, wir würden es kaum merken – und uns lediglich wundern, warum auf einmal Flugzeuge über die Berge fliegen“, sagt George, Wirt der Hütte Christos Kakkalos (2648 Höhenmeter).
In der urigen Kakkalos-Hütte packt Alexandros gerade ein Kletterseil in seinen Rucksack. Er ist zum Bergsteigen hier, nicht, um über Politik zu reden. Doch in fast jedem Gespräch mit anderen Wanderern komme das Thema irgendwann auf. „Wir haben das Gefühl, für etwas zu bezahlen, das andere verbockt haben“, so beschreibt er die nationale Psyche der Griechen.
Olymp-Kraxler können dieses Gefühl allenfalls dann haben, wenn ihnen auf dem brüchigen Grund unter dem Gipfel ein Stein entgegenfliegt, den ein Vorläufer losgetreten hat. Oder wenn sie einen unfähigen Bergführer dabei haben, der ihnen zu viel abverlangt. Doch ansonsten hat ein Wanderer sein Schicksal selbst in der Hand, er selbst muss die Risiken einschätzen.“
Und hier geht’s weiter zu Teil 2 und 3 des Artikels.
Radio Kreta – kreativ durch die Krise.