Da lebt man auf Kreta, erfreut sich jeden Tag an der überwältigenden Natur und Landschaft, am Meer, den Bergen, den Pflanzen und Tieren, berichtet in unserem Falle sogar auch noch ausführlich darüber und merkt irgendwann, dass man eigentlich gar nicht so recht weiss, woher das alles kommt und warum alles so ist, wie es ist.
Grund genug, sich mit der Entstehung der Insel und ihrem Einfluss auf die – oft genug endemische – Flora und Fauna zu beschäftigen. Wie kam es dazu, wann und warum? Nun, diesen Fragen sind wir auf den Grund gegangen – in diesem Falle mit wunderbarer Unterstützung von George Sfikas´ großartigem Buch „Die wilden Blumen Kretas“.
Die geologische Entstehung Kretas und ihr Einfluss auf Flora und Fauna
Im frühen Miozän, also vor rund 26 Mio. Jahren, wurden Europa und das Mittelmeer von großen geologischen Umwälzungen erschüttert. Im Verlauf dieser Erdbewegugnen entstand u.a. die Ägäis, ein schmales Band von trockenem Land, das Südosteuropa mit Kleinasien verband.
Im Mittelmiozän, vor 18 Mio. Jahren, gab es in der Ägäis hohe Berge und tiefe Becken, in denen sich frisches Wasser sammelte. Während all dieser Jahrmillionen war Kreta mit Griechenland und der Türkei verbunden, die ägäischen Inseln waren ein fast ohne Unterbrechung zusammenhängender Landstreifen. Man weiss, dass es am Ende des Miozäns, also vor etwa 14 Mio Jahren, im Gebiet der Ägäis große pflanzenfressende Tiere gab – Elefanten, Flusspferde etc. – die weite Flächen mit üppigem Bewuchs und reiche Wasservorräte brauchten, um leben zu können.
Gegen Ende des Tertiärs, vor 10 Mio Jahren also, begann sich das Gesicht der Ägäis zu ändern. Senkungen und Einbrüche – manche entstanden plötzlich, manche über einen beträchtlichen Zeitraum hinweg – führten zu einem ständigen Anwachsen des Mittelmeeres, und in der Folge zur Zergliederung der einst geschlossenen Landmasse der Ägäis. Vor 8 Mio Jahren war Kreta bereits ganz von Wasser umgeben und sogar in zwei oder drei kleine Inseln unterteilt.
Während des Pliozäns vor 1-3 Mio Jahren wurde das Gebiet von einer neuen Welle ständiger Hebungen und Senkungen erschüttert. Im Laufe dieser geologischen Aktivitäten entstand eine tiefe tektonische Spalte, und das offene Meer um Kreta bekam seine bis heute gültige Beschaffenheit.
Kreta, wie wir es kennen
Aber noch war Kreta keine zusammenhängende Insel: es war weiterhin in mehrere kleine Inseln unterteilt.
Erst im Laufe der Zeit formten weitere Erhebungen die Insel allmählich so, wie wir sie heute kennen. Gegen Ende des Pliozäns und am Anfang des Pleistozäns (vor etwa 1 Mio Jahren) nahm das Mittelmeer immer mehr seine heutige Gestalt an. Trotzdem aber gab es immer noch ununterbrochene Streifen von trockenem Festland im Gebiet der Ägäis. Ein solcher Streifen z.B. verband die Kykladen untereinander. In der südlichen Ägäis hatten die Inseln Kreta, Karpathos, Kassos und Rhodos bereits klar umrissene Formen.
Noch während des gesamten Pleistozäns (vor 1 Mio – 250.000 Jahren) wurde das Gebiet der Ägäis weiter umgeformt, allerdings hatten die geologischen Bewegungen einen kleineren Umfang angenommen. Dannach spielten sie in der Entwicklung der Fauna und Flora Kretas eine bedeutende Rolle, da Kreta erneut mit den angrenzenden Kontinenten und mit den Überresten des ursprünglichen Festlandes Ägäis, wie z.B. den Kykladen in Berührung kam.
Die Zeit des Pleistozäns war geprägt von Hitze- und Kälteperioden – die typischen Schwankungen zwischen Eiszeiten und Zwischeneiszeiten. Diese erheblichen klimatischen Unterschied im Mittelmeerraum wirkten sich natürlich auch auf die Fauna und Flora Kretas aus. Der Haupteinfluss jedoch ist ein eher indirekter: immer, wenn sich das Eis von den beiden Polen aus auch auf die gemäßigteren Zonen ausbreitete, sank der Meeresspiegel der Ägäis; auf diese Weise entstanden zwischen Kreta und dem benachbarten Festland Landbrücken, über die auf der Insel bis dahin unbekannte Pflanzen und Tiere dorthin gelangen konnten.
Man geht davon aus, dass während der ersten drei Eiszeiten (Günz-, Mindel- und Riss-Eiszeit) der Wasserspiegel im Mittelmeer um Hunderte von Metern gesunken war. Während der Riss-Eiszeit waren es z.B. 200 Meter. Nur während der letzten Eiszeit – der Würm – als sich die Eismassen nicht mehr so weit vorschoben, sank der Wasserspiegel nur um rund 90 Meter. Die Anzahl der Pflanzen und Tiere, die während der Eiszeiten über die Landbrücken auf die Insel kamen und sich dort ansiedelten, ist beträchtlich.
Natürlich ist die Behauptung, dass Kreta während des Pleistozäns mit dem Festland verbunden war, nicht unumstritten – allerdings unterstützen phytogeographische und zoographische Daten diese Aussage stark. Und darum geht es im nächsten Abschnitt.
Fortsetzung folgt.