„Tigris“
Moin und Kalimera
Bei einer Wanderung im Oktober 2015 hatte ich eine interessante Begegnung mit zwei Hirten. Ich hatte eine 20km Wanderung an der Ostküste im Hinterland von Mochlos in den Bergen unternommen.
Es ist eine Rundwanderung, die im Dorf Tourloti startet, hoch zur Hirtensiedlung Monokara und die im Dorf Sfaka endet.
Sfaka ist das älteste Dorf in der Region. Die Hirtensiedlung Monokara liegt sehr abgeschieden im Orno-Gebirge am Ende der Welt. Die Hirtensiedlung Monokara besteht nur aus einer handvoll Häuser, die im Sommer von einem Hirten aus dem Dorf Sfaka und seinem Gehilfen Saddam aus Pakistan bewohnt wird.
Saddam, der auch in seiner Heimat Pakistan als Hirte gearbeitet hat, verbringt den ganzen Sommer hier oben mit den Tieren. Wenn der Winter kommt, geht es mit den Tieren herunter in das Dorf Sfaka. Seine Fragen an mich waren interessant, natürlich wo ich herkomme, ob ich verheiratet bin, welche Religion ich habe und ob ich Schweinefleisch esse?
Meine Antworten, dass ich nicht verheiratet bin, nicht an Gott glaube und Schweinfleisch esse, waren für ihn schwer verständlich. Seit ein paar Jahren werden vermehrt Menschen aus Pakistan als Hirten und in der Landwirtschaft (Gewächshäuser) auf Kreta beschäftigt – sie sind noch billigere Arbeitskräfte als die Menschen aus Albanien.
Beim Abstieg zum Dorf Sfaka hatte ich schon 15km hinter mir, war schon gut platt. Musste jetzt noch die restlichen 5 Kilometer auf einer Schotterpiste Richtung Meer runterlaufen. Da kam ein Hirte mit seinem Pick-Up. Ich hielt den Daumen raus und er hat mich mitgenommen. Er trug Camouflage-Klamotten, rauchte, sah wild aus und unter dem Sitz steckte ein Hirtenmesser. Im Radio lief traditionelle kretische Musik.
Ich weiß auch nicht warum, aber ich habe ihn gefragt, ob er Albaner ist. Er schlug sich mit der Faust auf die Brust und meinte energisch das er Kreter wäre und meinte „Fuck Albano“. Ich habe mich sofort bei ihm entschuldigt. Sein Stolz hat ordentlich Eindruck bei mir hinterlassen.
Dann kamen wir auf Psarantonis zu sprechen. Er bewunderte auch Psarantonis. Ich sagte ihm, daß ich Psarantonis in ein paar Tagen Live in Berlin sehen würde, und dass „Tigris“ mein Lieblingslied von Psarantonis sei.
Dann sang er mir das komplette Lied „Tigris“ vor. Das war ein wunderschönes und einmaliges Erlebnis. Der Tag war eh schon interessant gewesen, diese einsame abgelegene und beeindruckende Berglandschaft und dann noch ein Hirte, der mein Lieblingslied singt. Da waren alle Wanderstrapazen vergessen.
Clemens Glismann aus Hamburg