Die Sängerin und der Finanzminister

Nana Mouskouri und Wolfgang Schäuble diskutieren über die Eurokrise

Berlin (dapd-bln). Ein ungleiches Paar sitzt da am Samstag auf der Bühne im sommerfestlich geschmückten Innenhof des Bundesfinanzministeriums in Berlin. Und die beiden Ungleichen wollen Europas vielleicht größtes Problem diskutieren: Links die mittlerweile 77 Jahre alte griechische Schlagersängerin Nana Mouskouri mit ihrem Markenzeichen, der großen schwarz umrandeten Brille. Und rechts der badische Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, nur ausnahmsweise und witterungsbedingt im leichten Sommerhemd.

Mouskouri, die griechische Patriotin und Schäuble, Hüter der deutschen Finanzen – die beiden sind am Tag der offenen Tür der Bundesregierung im schönsten Berliner Spätsommer zusammengekommen, um über die Eurokrise zu reden. Eine Konstellation, die durchaus Sprengstoff birgt. Denn es ist nicht so, dass der Schlagerstar Nana Mouskouri („Weiße Rosen aus Athen“) kein politisches Anliegen hätte: Mouskouri, das wissen wenige, saß von 1994 bis 1999 für die griechische Nea Dimokratia im Europaparlament.

Das Gespräch entpuppt sich aber vor allem als ein Treffen von Idealismus und Pragmatismus: Bei Mouskouri, das wird schnell klar, klingt Politik – anders als bei Schäuble – immer ein wenig nach Lyrik und großen Ideen: „Griechenland hat viele Probleme überlebt und sie immer mit Mut und Kraft und Leiden akzeptiert“, berichtet die Sängerin: „Ich habe Hoffnung, dass das Land auch diese Schwierigkeit überlebt.“

Eine fantastische Idee
Mouskouri wirbt vor allem für seelische Nahrung in der Krise, die das griechische Volk so dringend benötige: „Als Unterstützung ist für Griechenland momentan Vertrauen wichtiger als Geld.“ Und sie wirbt für Europa als Ideal: „Europa ist eine fantastische Idee“, schwärmt die Sängerin.

Diese Vorlage nimmt der Politprofi Schäuble gerne an – freilich etwas ausweichend und ohne rückhaltloses Vertrauen zu versprechen. „Der Traum ist, in Europa ein gemeinsames Haus zu bauen“, sagt er und fügt hinzu: „Ein Haus, in dem wir alle unter den Bedingungen der globalen Wirtschaft wirtschaftlich erfolgreich sein können.“

Ein wenig einig sind sich die beiden auch in den politischen Stilfragen. Ihre Landsleute müssten jetzt von den anderen EU-Mitgliedern motiviert werden, um ihre Schwierigkeiten zu überwinden, fordert Mouskouri moralischen Beistand. Und Schäuble mahnt, etwas nüchterner, politischen Anstand an: „Wir dürfen nicht pfuschen – aber auch nicht übereinander herfallen.“ Es sei „unverantwortlich, wie teilweise auch in den Medien übereinander geredet wird“.

„Frau Mouskouri, Sie träumen viel“
Eine richtige Diskussion mag so nicht aufkommen. Verwundert hat das Nana Mouskouri womöglich nicht: Eingangs der Diskussion hatte die Sängerin erklärt, warum sie ihr Mandat im Europaparlament nach nur einer Legislaturperiode aufgab: „Einmal kam ein EU-Kommissar zu mir und sagte: ‚Frau Mouskouri, Sie träumen viel. Hier ist aber Realität‘.“ Von ihren Träumen wolle sie aber nicht lassen: „Träume sind auch Hoffnung!“

Schäuble antwortet, Träume seien in der Politik nicht fehl am Platz. Man müsse eben versuchen, sie schrittweise zu realisieren. „Und man muss wissen, dass man einen Traum nicht immer Eins zu Eins realisieren kann.“ Als Schäuble am Ende der zwanzigminütigen Diskussion erklärt, er sei derzeit lieber in Deutschland als in Griechenland Finanzminister, lacht das Publikum unter den Sonnenschirmen befreit auf.

Näher gekommen sind sich Ideal und Pragmatismus beim Treffen zwischen Sängerin und Minister nicht – geglückt ist vor allem das erstaunliche Vorhaben, das bedrückende Thema Eurokrise in einen sommerlich angenehmen Rahmen zu setzen: Auf die Bedeutung gegenseitigen Respekts konnten sich schließlich indirekt alle einigen. Das klingt schon fast nach einem Ergebnis.

Quelle: Welt.de


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