Die verarmten griechischen Reichen

Einige Dinge und Hauptakteure beim Namen genannt

Von Wassilis Aswestopoulos

Athen bereitet sich mal wieder auf ein Zittern um die nächste Kredittranche vor. Erneut stehen, das ist bereits absehbar, neue Sparmaßnahmen ins Haus. Die Mehrheit der Medien wird sich auf bekannte, griffige Anekdoten von blinden Taxifahrern und verheirateten Witwern konzentrieren und gleichzeitig Hellenen auf Staatsbesuch feiern. Schwesterblätter der Feiernden schlagen parallel ohne Nennung entscheidender Details auf die am Boden liegende griechische Wirtschaft ein. Diskussionen um verschwindende Listen mit Steuersünder werden weiterhin für Schlagzeilen sorgen. Eine wirkliche Aufklärung der Skandale wird jedoch nur von wenigen verfolgt.

Arme Reiche!
Fast ein Drittel der Griechen, 3,4 Millionen Bürger, hat keine Mittel für eine vernünftige Ernährung, Heizung, die Begleichung von Rechnungen und natürlich auch keine Möglichkeit für eine Woche Urlaub. Die Namen der einzelnen darbenden Griechen sind natürlich nicht bekannt. Tatsächlich bekannt wurden dagegen die ärmlich erscheinenden Steuererklärungen griechischer Oligarchen.

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Yannis Alafouzos, der sich auch Giannis Alafouzos transkribiert, kaufte sich vor wenigen Monaten den Fußballverein Panathinaikos Athen. Alafouzos gehört zu einer der traditionellen Reederfamilien des Landes. Recht erfolgreich beschäftigt sich der gesamte Clan mit der per Verfassungsdekret steuerfreien Schifferei. Darüber hinaus kontrolliert Yannis Alafouzos mit seinem Medienkonzern einen großen Teil der öffentlichen Meinung im Land. Über Skai TV und Radio sowie die Zeitung Kathimerini propagieren überdurchschnittlich entlohnte Journalisten die Notwendigkeit der sozial einschneidenden Sparmaßnahmen. Damit gehört das Medienimperium zur verflochtenen Machtelite, welche die Geschicke Griechenlands seit langem bestimmt.

Skai TV war auch der erste landesweite Sender, der der Chryssi Avgi zwischen den Wahlen des Mais und Junis 2012 ein Podium zur Darstellung ihrer Standpunkte bot. Scheinbar gehört der smarte Medienmogul selbst zur unter Sparmaßnahmen leidenden Mittelklasse. Alafouzos persönliches Einkommen liegt laut vom Finanzamt 2012 akzeptierter Steuererklärung bei 26.160,40 Euro.

Noch schlechter geht es jedoch Andreas Vgenopoulos, einem Mitbesitzer von Panathinaikos. Nur 18.217,41 Euro soll der Vorstandsvorsitzende des Investmentunternehmens Marfin Investment Group, kurz MIG, verdient haben, im kompletten Jahr 2011 versteht sich. Das jedenfalls besagt die ebenfalls 2012 vom zuständigen Finanzamt akzeptierte Steuererklärung. Jobs, wie den des Vizepräsidenten der Fluglinie Olympic Air nimmt der stets adrett gekleidete Vgenopoulos offenbar pro bono wahr. Vgenopoulos auf Zypern registriertes Bankhaus Marfin Laiki Bank gehört zu den Finanzinstituten, die nun auf den Euro-Rettungsschirm für die geteilte Insel hoffen.

Offensichtlich verarmt ist zudem Sokratis Kokkalis. Früher schmückte sich der Software-, Elektronik-, Lotterie- und Bauunternehmerkönig gern mit Eintragungen in die Forbes-Liste der Milliardäre. Heute gibt er an, kleinere Brötchen zu backen. Noch 2010 hatte er, nachdem seine Kinder die Nachfolge im Unternehmen antragen, den Fußballverein und die Basketballabteilung des Serienmeisters in beiden Sportarten, Olympiakos Piräus, sowie ein geschätztes Privatvermögen von knapp 200 Millionen Euro. Mit 26.870,11 Euro Jahreseinkommen zählt er nun nur noch zum unteren Mittelstand.

Dem griechischen Finanzamt kam es nicht spanisch vor, dass eine konservative Geldanlage von Kokkalis privatem Vermögen ein Vielfaches an Zinserträgen generiert hätte. Unter diesen Voraussetzungen verwundert kaum, dass 1960 noch 50,8 Prozent der vom Fiskus eingenommen direkten Steuern aus den Portemonnaies der Industriellen und Händler stammten, 2012 waren es nur noch 7,9 Prozent.

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Ein Herz für arme Industrielle
Aus diesem Grund hat der ansonsten strenge Finanzminister Yannis Stournaras sein Herz für die verarmte Elite des Landes entdeckt. Er schaffte zu Weihnachten die Luxussteuer auf Pools, teure Fahrzeuge, Yachten und luxuriöse Villen ab. Die fadenscheinige Begründung des Ministeriums: „Die erhobene Steuer war eine außerordentliche Belastung zur Bewältigung der Krise.“

Statt der 100 Millionen Einnahmen, die diese erst 2011 eingeführte Abgabe pro Jahr generierte, sollen solche Einnahmen nun unter anderem über die stillgelegten PKWs erzielt werden. Erneut haben Tausende ihre Fahrzeuge abgemeldet, weil sie die seit Krisenausbruch vielfach erhöhten KFZ-Steuern nicht mehr aufbringen konnten. Eine Stilllegungsabgabe soll hier Abhilfe schaffen.

Zudem droht jedem Bürger, der dem Staat einen Betrag ab 1.000 Euro schuldig bleibt, die sofortige Verhaftung samt Schnellgericht und Knast. Zudem behält sich der Staat vor, von Schuldnern außer Zinsen auch noch eine „Entschädigung für die verletze Ehre“ zu verlangen. Für seine Gläubiger, denen der Fiskus nunmehr zwölf Milliarden Euro schuldig bleibt, hat der Staat natürlich weder eine Entschädigung noch Zinsen eingeplant.

New Deal: Spendet für die darbenden Reichen!
Petros Doukas, mehrmaliger Wirtschaftsminister, schlug in diesem Sinn einen New Deal II zur Rettung des Landes vor. Er argumentierte in einem seit seiner Erstveröffentlichung auf Doukas Webpräsenz mehrfach geändertem Manifest, dass die am Boden liegenden griechischen Industriellen nur dann gerettet werden könnten, wenn die Arbeitslosen des Landes ohne jeglichen Lohn und auch ohne Sozialbezüge in Arbeitskolonnen organisiert und bei einem Zwangsarbeitsdienst Hand anlegen würden. Nur so könnten diese ihrer patriotischen Pflicht gerecht werden.

Doukas, der einer Verurteilung wegen seiner Verwicklung in den Vatopedi-Grundstücksskandal nur wegen einer für Politiker geltenden schnellen Verjährung entgehen konnte, versucht derzeit eine neue politische Karriere aufzubauen. Die griechische Blogosphäre reagierte mit Spott und assoziierte Doukas Theorie mit dem Dritten Reich.

Wie funktioniert die Medienwelt im Chaos?

Die Süddeutsche konnte von Istanbul aus vollkommen korrekt beschreiben, wie der Deal der Medien mit den Mächtigen in Griechenland abläuft. Denn die alten Seilschaften funktionieren immer noch.

98 Millionen Euro Kredit gab es für den klammen Privatsender MEGA TV, der mehrheitlich Bauunternehmern und Reedern gehört. So teilte das Betreiberunternehmen von MEGA, Tiletypos AG, in einer aktienrechtlich vorgeschriebenen Meldung mit. Für die Opposition, allen voran SYRIZA, war damit klar, dass es sich um ein Regierungsgeschenk für die Hofberichterstattung handeln müsse. MEGA TV dementiert dies aufs Entschiedene.
Die von der eigenen Mutterfirma verbreiteten Berichte über einen 98 Millionen Euro Kredit seien an den Haaren herbeigezogen, vielmehr habe der Sender einen Kredit von 10 Millionen Euro erhalten, davon aber nur 8,5 Millionen ausgezahlt bekommen. Schließlich hätten, so MEGA TV in den Hauptnachrichten, die Banken eine außergewöhnlich hohe Provision sowie Sicherheiten über 140 Millionen Euro verlangt. Tatsächlich hat MEGA den 10 Millionen Euro Kredit erhalten. Die 98 Millionen Euro an Tiletypos dienten nur einer Umschuldung. Demnach müsste der hoffnungslos überschuldete Medienkonzern in einer Zeit, in der Banken fast überhaupt gar keine Kredite vergeben, knapp 110 Millionen Euro erhalten haben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Eine gute Nachricht zum Schluss
Zumindest scheinen die beiden Finanzstaatsanwälte Grigoris Peponis und Spyros Mouzakitis im allgemeinem Getümmel, recht erfolgreich bei der Suche nach den Bösen im Land zu arbeiten. Außer dem stark korruptionsverdächtigem Beinahe-Premier Akis Tsochatzopoulos haben sie den Banker Lavrentis Lavrentiadis und seit knapp vierzehn Monaten pro Tag mindestens einen hochkarätigen Finanzsünder festsetzen können.
Dabei wurden Sachwerte und Konten im Wert von mehr als einer Milliarde Euro beschlagnahmt, womit die beiden Einzelkämpfer ungleich erfolgreicher als die gesamte Steuerfahndung und die nach verschwundenen Listen suchende Politik agieren. Doch auch bei dem Thema der Listen haben sie mittlerweile ihre Finger im Spiel. Das erlaubt zumindest noch einen Funken Hoffnung.

Gute Recherche. Danke Wassilis.


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