DAS INTERVIEW ZUM FESTIVAL: TODOR TODOROV
Guten Morgen aus Kreta. Im Rahmen dieser Serie wollen wir Ihnen vorab alle Autoren/Innen vorstellen, die an unserem Festival teilnehmen. Heute ist Todor Todorov unser Gast:
Vita:
Todor Todorov ist 1977 in der bulgarischen Hauptstadt Sofia geboren, absolvierte dort von 1995 bis 2000 sein Philosophie-Studium und arbeitet heute als Dozent an der ›St. Kliment Ohridski‹ Universität von Sofia, wo er Philosophie des Mittelalters und der Renaissance; Mittelalterliche Arabische Philosophie; Geschichte der Philosophie; und Photographie unterrichtet. Für seine Dissertation hat er von 2001 bis 2002 in Deutschland gelebt und geforscht, und sich am Thomas Institut an der Universität Köln auf Mittelalterliche Philosophie spezialisiert.
Der Autor hat zahlreiche literarische und fotografische Veröffentli-chungen in Tageszeitungen und Zeitschriften. 2010 fand unter dem Titel ›Märchen für melancholische Kinder‹ seine erste photographische Ausstellung in der Stadtbibliothek von Sofia statt. Für seine Geschichte ›Van Gogh in Paris‹ ist er mit dem Literaturpreis für die beste Kurzgeschichte des Jahres 2011 ausgezeichnet worden und im gleichen Jahr startete er zusammen mit zwei DJs das Projekt ›Literatur im Dunkeln‹, (Nachtlesungen, Sound and Vision Parties), das sich erfolgreich als Reihe etabliert hat.
Publikationen: ›Märchen für melancholische Kinder‹, Kurzgeschichten, Vlg. Ciela / Sofia 2010; übersetzt ins Serbische und Deutsche (Hexen, Mörder, Nixen, Dichter).
Todor Todorov ist ein Liebhaber der Nachtlesung und vertritt die Idee, dass Lesen und Träumen miteinander verwandt sind. Bei Märchen kann sich der Leser manchmal wach, manchmal tief und langsam wie im Schlaf fallen lassen. Das Lesen wirkt wie eine Droge, wie eine geheime Tür. Die beste Tür, die je geöffnet wurde und die den Leser zu einer unvergesslichen Reise einlädt.

Und hier ihre/seine Antworten auf unsere Preisfragen:
Wenn Sie nur 5 Worte haben, um sich selbst zu beschreiben. Was würden Sie sagen?
Man braucht ein dickes Wörterbuch dafür. Ich gebe was nur von „L“ Seite hier: Liebe, Lust, Leichtigkeit, Luft und Limonade.
Was war Ihr Lieblingsbuch als Kind und als Jugendlicher?
Drei lustige Gesellen von Eno Raud. Geschichtliche Romane und Sci-Fi. Arthur Clarke, 2001 Odyssee im Weltraum, Stanislaw Lem, Solaris. Und viele, viele andere.
Was lesen Sie heute am liebsten?
Meine letzte Welle: Amerikanische Gegenwartsliteratur. Jonathan Franzen, Jeffrey Eugenides, Paul Auster…
Gibt es auch Bücher, die Sie nur gezwungenermassen gelesen haben?
Ja, klar. Deshalb gibt es auch ein Kanon. Vieles was man an der Schule bekommt, liest man gezwungen. Die Welt wirkt auch als eine Maschine.
Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Erinnere mich nicht genau, war zu klein. Hab angefangen an der Schreibmaschine zu spielen. Habe viele kleine, witzige, meistens sci-fi Geschichten im gewissen Sinne tatsächlich gespielt. Das war meine Welt.
Welches Genre lesen Sie selbst am liebsten?
Dunkel sado-magische Folternthriller. Na ja, wissen Sie, Genre sind für Journalisten und Geschäftsmänner. Und Strandleser. Ich lese einfach gute Bücher.
Wer ist für Sie der bedeutendste lebende Mensch?
Ich glaube nicht an Kategorien der Einzigkeit. Liebe und Bedeutung wären dann so ungerecht. Lieben und bewundern heißt anders sein, sich immer neu verwandeln. Und als Philosoph muss ich auch sagen: Bedeutung ist immer plural. Bedeutung hat viele Bedeutungen.
Wen bewundern Sie am meisten?
Ah, nicht wieder. Aber ernst: ich bewundere die Leute, die Grenzen überqueren können, es ist eine harte Kunst. Ich bewundere auch die, die den Wahnsinn beherrschen. Die wahren Künstler.
Wenn eine gute Fee vorbeikäme und Sie hätten drei Wünsche frei. Was würden Sie sich wünschen?
Die gute Fee kenn ich schon, tut mir leid. Jetzt muss sie mir jeden Tag einen Wunsch erfüllen. Es ist eine Frage der Laune. Und der Freiheit. Also ehrlich: Gott sei Dank solche Situationen gibt es nicht. Die Menschen sind sowieso Sklaven ihrer Träume. Vielleicht wünsch ich mir, dass die Fee meine Sklavin wird. Dann kehrt ihr zurück zum Anfang meiner Antwort.
Sie nehmen an einem dt.griech. Lesefestival teil. Erzählen Sie uns ein wenig über Ihr Verständnis des dt.-griech. Verhältnisses und wie Sie denken und was Sie sich für die Beziehungen beider Länder wünschen.
Ich wünsche Verständnis. Und Solidarität. Es ist eine harte Welt. Auch für uns, Bulgaren.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Mehr. Oder heißt das eigentlich weniger?
Die Fragen stellte Edit Engelmann, die Initiatorin des ersten Lesefestivals auf Kreta.