Flüchtlingsdrama im Mittelmeer: „Ich schäme mich“. Ein Kommentar.

Von Holger, dem Griechenland-Liebhaber.

Ich schäme mich!

Bemerkungen zum Terror gegen Flüchtlinge in Deutschland. Leserbrief für die Presse vom 25. August 2015

Freital, Heidenau, Nauen – Ortsnamen, die weltweit nun für eine Form der Fremdenfeindlichkeit stehen, wie man sie in unserem Land seit rund 15 Jahren nicht mehr erlebt hat. Eine braune Brühe aus PEGIDA und Nazis ergießt sich nicht nur im Osten Deutschlands über Menschen, die nach Europa flüchten, weil sie in Syrien, in Afghanistan, im Irak ihres Todes gewisser sein können als ihres Überlebens.

In Griechenland

Ich habe auf Leros, einer Nachbarinsel von Kos in der griechischen Ägäis, den Beginn des Exodus miterlebt. Täglich kamen Hunderte von Flüchtlingen aus dem türkischen Bodrum herüber nach Kos und Leros,um ihr Leben in Sicherheit zu bringen. Viele von ihnen waren junge Familien mit Kindern.Fast alle sprachen ein verständliches Englisch, ein Zeichen für eine solide Ausbildung in Syrien. Sie kamen über das Wasser aus dem Bürgerkrieg, in dem gerade der Terror des IS jungen Frauen jegliche Perspektive zerstört, sie mit dem Tod bedroht, wenn sie sich nicht den archaischen Regeln dieses IS-Regimes unterwerfen.

Ich habe mit einigen von ihnen näheren Kontakt aufgenommen, ihre Namen allerdings hier verändert. Mit Sharif habe ich mich lange über die Lage in Syrien unterhalten, der Staat existiert eigentlich nicht mehr, es gibt einfach keine Zukunft für die Menschen, weder für die gut ausgebildeten Mittelschichten noch für die Ärmsten der Armen. Sharif setzte sich in die Türkei ab. Bashir war Bauunternehmer in Bagdad, ein Muslim der schiitischen Richtung. Er versuchte, mehrfach nach Bombenattentaten die Straßen wieder her zu richten, drei Mal entging er knapp Mordanschlägen.

ks-fluechtlinge
Karikatur von Freund Klaus Stuttmann.

Hassan verlor seinen ältesten Sohn bei einem Sprengstoffattentat in Bagdad. Sie flohen, weil es für sie nichts mehr zu retten gibt außer ihr Leben. Sie kamen übers Wasser,und so war es fast schon symbolisch, dass wir zusammen zwei Stunden lang Wasserball spielten und viel Freude hatten, abends sogar noch ein griechisches Weinfest besuchten. Am nächsten Tag reisten alle, die ich gesehen und gesprochen hatte, zum Registrieren nach Athen weiter. Wir verabschiedeten uns herzlich voneinander, manche weinten.

Sie sind Menschen wie Du und ich, und wenn wir uns fragten, wie wir in einer solchen Situation handeln würden, wäre die Antwort eindeutig: wir würden fliehen. Und für einen Tag hat das Wasser, dem sie auf der Flucht ihr Leben anvertrauten, uns im Spiel und im Lachen verbunden. Ich schäme mich, dass es offensichtlich auf das Löschwasser der Feuerwehr ankommt, um ihr Leben erneut zu sichern. Das Gegenteil von Fremdenhass aber ist die Nächstenliebe. Die kennt man übrigens im Islam genau so wie im Christentum. Das unterscheidet uns von Brandstiftern und Volksverhetzern.

Dr. Holger Czitrich-Stahl, Glienicke.


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8 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Bernhart,

    was oder wie denn jetzt: Auf einmal hat es doch keine neuen Anreize gegeben? Jetzt ist die Ursache plötzlich, dass „jeder Afrikaner“ ein Smartphone hat? Und in Deutschland gibt es alles umsonst? Betrüblich, solche Denkweisen aus dem Elementarbereich.

  2. Sehr geehrter Herr Thomas –
    wer es nicht verstehen will sind Sie ! Es mag keine neuen Anreitze gegeben haben aber inzwischen hat jeder Afrikaner ein smartphone mit dem er durchfunken kann das es im Deutschland alles umsonst gibt! Das sah vor 10 Jahren noch anders aus.
    Aber wer so gerne für andere zahlt ist nicht zu überzeugen ! Wie es richtig gemacht wird sehen wir in Norwegen : http://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_politik/article145595949/In-Norwegen-dauert-ein-Asylverfahren-48-Stunden.html?fb_action_ids=806463452784862&fb_action_types=og.recommends&fb_ref=top.right

  3. Sehr geehrter Herr Bernhart,

    Sie haben es nicht verstanden.

    Was Sie „Fakt“ nennen ist in meinen Augen nur eine fadenscheinige und sehr subjektive „Begründung“ für ihr propagiertes „St. Florians Prinzip“. Meines Wissens haben sich in den letzten Jahren für Kriegsflüchtlinge keine neuen/anderen/zusätzlichen „Anreize“ in Deutschland selbst ergeben. Was sich aber sehr wohl verändert hat ist die Lage in den Ländern, aus denen sich die Flüchtlinge auf den Weg nach D und anderen EU-Ländern machen. Deshalb auch mein Link im obigen Beitrag.

    Und ihre „Definition“ von „Wirtschaftsflüchtlingen“ geht auch völlig daneben.

  4. Sehr geehrter Herr Dr. Holger Czitrich-Stahl,
    Fremdenhass/Ausländerfeindlichkeit sind zu verurteilen! Nur scheint es mir mit der Nächstenliebe im Islam nicht allzu weit her, oder warum flüchten all diese Menschen vor ihren Landsleuten?

  5. Sehr geehrter Herr Thomas,
    Wenn Deutschland an die Syrien angrenzen würde kaeme kein Syrischer Flüchtling auf die Idee in die (hypothetisch) 5 Staaten entfernte Türkei weiterzuziehen. Ganz einfach weil niemand in der Türkei auf die idee kaeme, Auslaender , egal woher , bis zum Harz 4 Satz zu versorgen!
    Es sind 2 Millionen Syrer in der Türkei , aehnlich viele in Jordanien und die Völkergemeinschaft bezhlt deren (echte) Grundversorgung. Sie leben in Sicherheit aber natürlich ohne jeglichen Komfort.
    Wenn in Deutschland Bürgerkrieg waere würden sie ja auch nicht gerade in Die Türkei fliehen, wesentlich logischer waeren doch da Oesterreich, Holland ect. oder ?
    (4 jungen Syrischen Flüchtlingen hat das wohl nicht gereicht, die haben gestern in Alanya ein Deutsches Rentnerehepaar mit vorgehaltener Waffe um Geld und Auto beraubt . Sollte Deutschland für diese besonders traumatisierten Flüchtling nicht auch noch ein Flugticket nach Deutschland bereitstellen ? )
    Ironie Ende.
    Fakt ist: da kein Flüchtling aus Syrien in der Türkei um sein Leben fürchten muss, ist er bei der Weiterreise nach Deutschland ein Wirtschaftsflüchtling. Das ist nachvollziehbar aber dauerhaft von Deutschland nicht zu Schultern!
    Zu Herrn kokkinos vrachos : Auch ich nehme mir das Recht heraus in jedes Land zu reisen in das ich möchte und in dem ich ein Visum erhalte. Und – SOFERN İCH ES MİR LEİSTEN KANN!

  6. Sehr geehrter Herr Bernhart,

    nein, der IS ist nicht in Bodrum, aber woraus soll die Verpflichtung für die Anrainerstaaten (in diesem Fall also der Türkei) resultieren, alleine für die Flüchtlinge aufzukommen? Wenn Deutschland geografisch z.B. direkt an Syrien grenzen würde, wie sähe ihre Argumentation denn dann aus?

    Kleiner Tipp: http://www.nachdenkseiten.de/?p=27313#h01 und dort den Hinweis auf „Ein Brief im Zorn“. Evtl. öffnet dies ja ihre Augen ein wenig, wenn ich auch meine Zweifel daran habe.

    Übrigens: Schon mal daran gedacht, dass die Flüchtlinge aus Syrien auch direkt aus ihrem „Heimatland“ nach Europa flüchten könnte, dies aber wegen des sehr viel längeren Seeweges und den damit unverhältnismäßig größeren Gefahren (übervolle Boote etc.) keine Alternative darstellt?

  7. Meine Frage : ist der IS in Bodrum so das die Flüchtlinge sich auf Kos in Sicherheit bringen mussten?
    Da scheint mir etwas entgangen zu sein !
    Sollte es nicht so sein flohen die Syrer natürlich nicht aus Angst um ihr Leben aus Bodrum, sondern weil die Versorgung in Deutschland besser sein dürfte.
    Darum vor Flüchtlingsheimen zu demonstrieren ist natürlich grundsaetzlich zu verurteilen. Politiker die die Anreize schaffen aus denen sich über kurz oder lang halb Afrika nach Deutschland aufmachen dürfte sind die Schuldigen und darum sollte natürlich vor dem Reichstag protestiert werden !

  8. Hallo Holger, hab mich gefreut über deinen Text hier bei Radio-Kreta. Ergänzen möchte ich noch, das zur Zeit die Menschen hauptsächlich vor Krieg nach Europa fliehen, Sie hätten aber auch das Recht ohne Krieg, Klimakatastrophen ect. in andere Länder zu gehen. Jeder Mensch hat das Recht auf Bewegungsfreiheit.
    Wie du schon absolut richtig geschrieben hast „Sie sind Menschen wie Du und ich“.

    http://www.borderline-europe.de/

    https://clandestinenglish.wordpress.com/

    vg, kv

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