Frieden verbindet.

Frieden verbindet. Begleiterscheinungen, Teil 57 vom 16. Oktober 2015 für www.radio-kreta.de.

Von Dr. Holger Czitrich-Stahl.

Eigentlich hatte ich mich schon damit abgefunden, einen Kretaurlaub verbracht zu haben, ohne dass mir die Idee für eine weitere Begleiterscheinung gekommen wäre. Mein blaues griechisches Schreibheft lag bereits auf dem für die Rückreise bereitgelegten Stapel der bewältigten Lektüre, denn eine ungeratene „Kopfgeburt“ wollte ich nun auch wieder nicht zu Papier gebracht haben. Doch der allabendliche Sonnenuntergang am Kommos bei einem Mythos-Bier (vgl. Begleiterscheinung 56) gebar schlussendlich doch die Idee für eine kleine Reminiszenz. Da die begehrten beiden Sitzbänke oberhalb des Kommos-Strandes und die Stühle vor der „Kantina“ stets heiß begehrt sind, um das imposante Farbenspiel beim immer wieder beeindruckenden und überraschend schnellen “Iliovasilema“ (Sonnenuntergang) zu genießen, teilten wir unseren Platz mit einem Paar, das mit einem Wohnmobil vorgefahren war.

Schnell kamen wir in einem improvisierten Gespräch auf Englisch darin überein, dass wir – die beiden waren Italienerinnen und Italiener aus Triest, Gemeinsamkeiten besaßen. So konnten wir feststellen, dass wir den Genuss dieses Naturschauspiels sehr schätzten, ebenso das Gefühl, das dieses immer wieder auslöst. Gleich wo die Menschen leben und wo Fremde vor solch einer Kulisse aufeinandertreffen, bildet sich ein Gefühl des Geeintseins im Schönen und Friedvollen. Völlig unpolitisch und dennoch absolut vielsagend.

Kommos Beach

Kommos Beach.

Nur wenige Tage darauf nahm ich eine Tramperin mit zurück ins Dorf, die sich über die kretische Musik im Autoradio freute und dabei anmerkte, dass sie selbst Geigerin und Musiktherapeutin sei und von daher ein Faible für die kretische Lyra besäße. Der Zufall brachte es mit sich, dass sie meiner Frau und mir am gleichen Abend noch einmal begegnete, meine Frau unterhielt sich längere Zeit mit ihr und tauschten mit ihr Gedanken über Frieden, geistige und tatsächliche Aufrüstung etc. aus. Ganz sicher kamen hierin auch gemeinsame Erfahrungen aus der großen Friedensbewegung der 19870er Jahre zum Ausdruck, und die Erkenntnis, dass es einer solchen wieder dringend bedarf, um der „großen Politik“ vor Augen zu führen, dass Krieg und Gewalt die falschesten aller Mittel in der internationalen Politik sind. Das sind Augenblicke, die sicher nicht nur Pitsidia oder Paleochora bieten, aber die ganz sicher hier heimisch sind.

Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden ist nicht alles, sagte einmal Willy Brandt, aber ohne Frieden ist alles nichts, fügte er hinzu. Und Frieden, so vertonten es John Lennon und Johnny Cash, hat auch etwas mit dem Frieden in uns selbst zu tun. Womöglich bräuchten es unserer „Staatenlenker“ häufiger einmal, an einem schönen Strand zu sitzen, unerwartet auf fremde Menschen zu treffen, um dann mit ihnen festzustellen, dass man sich in vielen Empfindungen und Dingen recht ähnlich ist. Sollten die selbsternannten Herren der Welt doch ruhig häufiger ihre elitären und streng bewachten Blasen verlassen und zu dieser Erkenntnis kommen, so können sie sicher sein, dass nicht nur in der Ukraine oder im Nahen Osten, sondern überall die Menschen ihnen dankbar sind.

(Geschrieben am Kommos, Südkreta).

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