Für oder gegen Tsipras – eine Polemik. Macht nachdenklich…

27. Juli 2015 um 10:10 Uhr

Für oder gegen Tsipras – eine Polemik

Verantwortlich: Albrecht Müller

Der griechische Ministerpräsident hat alles falsch gemacht. Ein Verräter! Er hat alles richtig gemacht, meinen andere. Und dann auch noch diese Kommunisten und Marxisten! Die Polemik gegen sie gründet auf der Gefühlswelt der Fünfzigerjahre.

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Karikatur von Freund Klaus Stuttmann.

Im Netz und sonst wo tobt die Debatte. Und zwar ganz schön nach dem Schema links/rechts. Und ganz Schlaue wie der Nobelpreisträger Krugmann beklagen sich, Tsipras hätte nicht gesagt, dass er keinen Plan B hat. Hätte Herr Krugman ihn ja fragen können, er hat ihn ja persönlich getroffen.

Plan B, ein ominöses Wort, aber in aller Munde. Wäre ja ganz gut gewesen, so etwas zu haben. Aber so einfach, wie sich das manche Kritiker vorstellen, ist es nicht. Mir scheint, es gibt einen gravierenden Fehler des Chefs von Syriza und der griechischen Regierung: Er hat den Zynismus und die Menschenverachtung der auf europäischer – maßgeblich deutscher – Seite handelnden Personen weit unterschätzt.

Und er hat vor allem nicht wahrgenommen, dass Personen wie Merkel, Schäuble und die Verantwortlichen bei der EU das totale Scheitern Griechenlands brauchen, um sich und ihre Länder vor dem Hintergrund der düsteren griechischen Wirklichkeit umso glanzvoller darzustellen und damit vergessen zu machen, wie laienhaft und fehlerhaft ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik ist.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar:

Nachdenkseiten Tsipras – Eine Polemik

Möglicherweise hat der griechische Sozialist die Fähigkeit eines deutschen Christdemokraten zum Mitleid überschätzt.

Mehr gute Infos hier: Nachdenkseiten.de – die kritische Website.

3 Kommentare

  1. Eine heikle Frage, ob Tsipras nun schändlich eingenkickt ist oder sich schlicht einer überwältigenden Übermacht ergeben musste. (Im Sprachschatz deutscher Politiker würde hier jetzt das unvermeidliche „alternativlos“ zum Einsatz kommen.) Eine heikle Frage, zu der viele ihre Meinung haben – ich leiste mir den Luxus, mir diese Meinung erst zu bilden.

    Die oft gehörte Forderung allerdings, die derzeitige griechische Regierung solle nun endlich ein „umfassendes Sanierungskonzept“ auf den Tisch legen, ist zum aktuellen Zeitpunkt schlicht lächerlich. Die, unbestrittenen, Fehlentwicklungen in Griechenland haben Anfang der 80er unter Papandreou angefangen und sich über Jahrzehnte fortgesetzt und gefestigt. Und jetzt wird von der Syriza/ANEL-Regierung nach ein paar Monaten erwartet, die Lösung für all diese Probleme zu präsentieren – also etwas zu tun, wozu keine Vorgängerregierung in der Lage war (allerdings ohne für dieses Versagen heftig attackiert zu werden).

    Mehr noch: Die Syriza/ANEL-Regierung ist nicht nur erst seit ein paar Monaten im Amt, sondern auch vom ersten Tag im Würgegriff der Troika, war also vollauf damit beschäftigt, das Land auf Tagesbasis schlecht und recht über Wasser zu halten. Wer da auf die Schnelle ein „umfassendes Sanierungskonzept“ fordert, würde von einem Hausbesitzer auch ein gründliches Reinemachen erwarten, wenn dessen Haus gerade in Flammen steht.

  2. Merkel & Co. brauchen das totale Scheitern Griechenlands, um sich glanzvoller darstellen zu können ? Das ist der größte Blödsinn, den ich je gelesen habe !
    Natürlich hat Tsipras weder alles falsch noch alles richtig gemacht ! Sich nach dem Scheitern der Verhandlungen als „Retter Griechenlands“ feiern zu lassen, ist allerdings eine Meisterleistung, die vor ihm nur wenige geschafft haben (u.a. Putin) – leider zulasten des Volks ! Deshalb ist er wohl „alternativlos“.
    Leider fehlt auch noch immer ein umfassendes Sanierungskonzept, das nur von Tsipras & Co. kommen kann, denn alles, was von außen kommt, beschädigt die „Würde“ Griechenlands und hat wenig Chancen auf Realisierung !
    Wir sind noch lange nicht am Ziel !!

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