Griechenland: Gastfreundschaft und Wirtschaftskrise

exakt vom 11.05.2010

Griechenland: Gastfreundschaft und Wirtschaftskrise

Manuskript des Beitrages
von Alex Roth

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ierapetra-am-morgenKann man noch unbeschwert in Griechenland Urlaub machen? Viele Deutsche sind nach den Ausschreitungen in Athen und der Schlammschlacht in der Presse verunsichert. – Die griechischen Urlaubsparadiese sind nicht Athen, hier sind Gäste jederzeit willkommen. Gerade die kleinen Tourismusunternehmen leiden zuerst, wenn die Urlauber weg bleiben.
Vergangener Freitag, Flughafen Leipzig. Während der Bundestag abschließend über die Finanzhilfen debattiert, lautet die große Frage hier: Sind wir in Griechenland sicher und sind wir immer noch willkommen? Auch Familie Fürtig haben die Bilder von den Tumulten in Athen nicht unberührt gelassen.

Viele Griechenlandurlauber sind verunsichert

O-Ton: Familie Fürtig

„Ja, doch, das war doch der Moment – es war ja nun gerade erst vor zwei Tagen. – O.k., du hast die Tickets in der Hand. Aber, nee, es ist weit weg. Und wie gesagt, ich denke auch nicht, dass die Menschen mit denen wir zu tun haben, dass das auf die Beziehungen zu den Touristen einen Einfluss hat.“

Auch die Kutschkes aus Görlitz haben den Griechenland-Urlaub schon vor längerer Zeit gebucht. Jetzt hat zumindest Frau Kutschke ein mulmiges Gefühl.

O-Ton: Frau Kutschke

georgiopolis„Wir wollen jetzt einfach eine Woche Urlaub machen, dafür haben wir lange gespart und auf vieles verzichtet. Wir wollen uns einfach zurücklehnen, aber wir werden auch froh sein, wenn wir wieder glücklich und unbeschadet zurück kommen.“

Und tatsächlich belegen offizielle Zahlen die Befürchtungen vieler Touristen. Wir sind bei Unister, der größten Online-Reisegruppe Deutschlands. Hier hat man die jüngsten Rückgänge im Griechenland-Geschäft schon sehr deutlich registriert: bis zu 20 Prozent weniger Anfragen durch Gewalt, Krise und Pöbeleien griechischer und deutscher Zeitungen.

Ausschreitungen in Athen

O-Ton: Konstantin Korosides, Unister Holding GmbH

„Wenn ich sehe, dass drei Millionen Leute da streiken, sich auf der Straße in Athen da Randale liefern, dann ist das ein Verhalten, das Griechenland weltweit massiv einen Imageschaden zufügt. Ich kann nur als Halbgrieche sagen, ich bin maßlos enttäuscht von den Bürgern in Griechenland, die sich so benehmen. Weil ich’s als undankbar empfinde und frag mich auch: Die verstehen die Situation nicht. Das ist das, was mich auch irgendwo verärgert.“

Vor Ort auf der griechischen Ferieninsel Kreta, seit Jahrzehnten Sehnsuchtsziel deutscher Urlauber. 300 Tage im Jahr scheint die Sonne. Simone und Detlev Kutschke sind gut gelandet und haben inzwischen ihre ersten Urlaubserfahrungen gemacht und die sind durchweg positiv.

O-Ton: Detlev Kutschke

„Wir haben die nächsten Tage auch Ausflüge gebucht, in die Region. Das hätten wir mit Sicherheit nicht getan, wenn wir hier irgendwo Bedenken gehabt hätten, dass da vielleicht doch was sein könnte.“

Freie Plätze – kein Problem. Viele Angebote, wenig Nachfrage – das ist das Bild, das das Ferienparadies derzeit vor allem bietet. Sylvia Kahn arbeitet als Reiseleiterin, die Familie von Alexis Tzoatzakis hat zwei kleine Hotels.

O-Töne: Sylvia Kahn, Reiseleiterin und Alexis Tzoatzakis, Hotelbetreiber

georgiopolis1„Jassu, Alexi.“
„Hello, how are you?“

Um diese Zeit müsste das Geschäft eigentlich brummen. Stattdessen leere Liegen, durch Krise, Aschewolke und jetzt die Bilder von Streik und Demonstrationen im fernen Athen.

O-Ton: Sylvia Kahn, Reiseleiterin

„Das bedeutet für dieses Land, wo so viele Menschen vom Tourismus leben – und das in diesen finanziell so schwierigen Zeiten – eine Katastrophe und es ist sehr schade.“

Das Rückgrat der griechischen Tourismuswirtschaft sind gerade die kleinen und mittleren Hotels und Lokale. Und diese leiden als erste unter dem zusätzlichen Minus.

O-Ton: Alexis Tzoatzakis, Hotelbetreiber

„Klar bin ich wütend auf diese Typen. Das waren 150 keine Ahnung, warum die das gemacht haben. Es hieß, sie seien aus armen Familien, das glaube ich nicht. Das waren Leute die Geld haben, die keine Probleme haben. Alle in Griechenland sind wütend auf die.“

Dabei haben auch deutsche wie griechische Medien einen erheblichen Anteil an der Verunsicherung vieler Urlauber. Susanne und Jörg Krüger betreiben auf Kreta ein deutsches Internet-Radio. Hier häuften sich plötzlich besorgte Anfragen, weil angesichts des Streits um Finanzhilfen auf einmal zu lesen war, dass Deutsche in Griechenland nicht mehr willkommen seien.

O-Ton: Susanne Krüger, Radio Kreta

photofunia-e8e09d„Der Auslöser, so wie wir´s mitgekriegt haben, war wirklich diese Focus-Titelseite. Die Griechen waren halt vollkommen entsetzt und vor den Kopf gestoßen, weil eine ihrer antiken Figuren mit erhobenem Mittelfinger, das ist schon ein Affront gegen die komplette Kultur und gegen das ganze Volk.“

Ein Affront, den die griechische Sensationspresse nur zu gerne aufnahm und mit dem man inzwischen aber gelassener umgeht. Im Zeitschriftenladen treffen wir Georgios Chatzakis. Die Nummer mit der Stinkefinger-Statue – die, so erklärt der 29-Jährige, wisse man zu nehmen.

O-Ton: Georgios Chatzakis, Unternehmer

„Aber wir wissen, dass das natürlich nicht von den Menschen in Deutschland kommt, sondern eben von einem Journalisten.“

Georgios nimmt uns mit zur Hafenpromenade, wo die Familie demnächst ein Hotel eröffnet. Im Juni sollen die ersten Gäste da sein. Dass ihnen dabei Streiks oder Bilder von Gewalt einen Strich durch die Rechnung machen, glauben er und seine Familie nicht. Vor allem sei das ganze ja auch eine Frage von Solidarität unter den Leuten hier.

O-Ton: Georgios Chatzakis, Unternehmer

„Die Leute haben, was wir hier in Griechenland „Filotemo“ nennen – Ehrgefühl. Deswegen wird hier nicht gestreikt. Weil wir wissen, dass wir hier auf Kreta zusammenhalten müssen. Und allen ist klar, nur wenn der eine sein Geschäft weiter machen kann, kann auch der andere was verdienen.“

Und auch auf die deutschen Touristen zählen sie nach wie vor. Die Kutschkes jedenfalls genießen ihren Urlaub hier sehr.

O-Ton: Detlev Kutschke

„In Anbetracht dessen, was wir die letzten beiden Tage hier erlebt haben, erleben durften, würde ich mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass ich mich hier sicher und auch sehr wohl fühle.“

Das griechische Wort für Gastfreundschaft heißt Filoxenia – und an der hat sich offenbar weder durch Krise, noch durch schlechte Aussichten irgendetwas geändert.

Den Film dazu hier

Ein Kommentar

  1. Ich bezweifle, dass man als Deutscher in Griechenland Probleme bekommt. Griechenland ist nicht Iraq oder Somalia. Die Presse kocht die Streitereien einfach vie zu sehr hoch. Über Gewalt würde ich mir nicht so viele Sorgen machen. Bedenklicher wäre ein Generalstreik, der das ganze Land lahm legt. Dann hat echte Probleme.

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