Griechischer Götterberg Olymp: Der Anti-Krisengipfel

Die meisten beginnen ihren Aufstieg in Prionia, einem Besucherparkplatz mit Restaurant, etwa 1100 Meter über dem Meer. Eine Holzbrücke führt hier über den Enipeas-Fluss, dahinter bewacht ein Pferd mit bunten Holzperlen um den Hals den Pfad.

Es riecht nach Kieferharz und Pferdemist, Fliegen summen in der Morgensonne. Vier verschiedene Vegetationszonen durchlaufen Wanderer auf dem Weg bis ganz oben, eine vergleichbare Flora gibt es nirgendwo sonst in Griechenland: 1700 Spezies und Subspezies von Pflanzen, darunter 23 Arten, die nur hier wachsen. Außerdem haben die Nationalpark-Betreiber 32 verschiedene Säugetiere – etwa Balkangämsen, Hirsche und Wildschweine – und 104 Vogelarten gezählt.

Mit zunehmender Höhe werden die Kiefern kleiner, die Ameisen größer, der Wind stärker. Nach ein paar Stunden verlockt die gepflegte Steinterrasse der Spilios-Agapitos-Hütte zu einem Picknick. Mehr als hundert Menschen können hier schlafen, im Kaminzimmer hängen Schwarzweißfotos der Erstbegeher – zwei Schweizer und ein griechischer Jäger erreichten 1913 den höchsten Gipfel.

Heilpflanzen-Tee auf 2100 Metern

Das Ehepaar Dionysos und Maria Zolota serviert milden Olympus-Tee mit Honig. Der besteht aus den Blättern der nur in dieser Region wachsenden sideritis scardica, einer Heilpflanze mit gelben Blüten, mit der schon Alexander der Große die Wunden seiner Soldaten behandelt haben soll.

Die beiden Mittvierziger leben sechs Monate im Jahr hier oben, im Winter betreiben sie einen Bauernhof im Talort Litochoro, wo sie Oliven und Kiwis züchten. „Ich wünsche Ihnen, dass Zeus gute Laune hat!“, sagt Maria Zolota zum Abschied. Das nämlich ist eher die Ausnahme als die Regel: Wenn der Göttervater einen schlechten Tag hat, ist es am Gipfel bewölkt und Nieselregen macht den Fels rutschig. Doch wenn Zeus einen seiner gefürchteten Wutanfälle kriegt, werden Wanderer in ausgesetzten Ebenen vom Blitz getroffen, durch Felsstürze verletzt oder verirren sich im Nebel. Manchmal müssen auch Retter anrücken, weil Touristen die alpine Tour in Sandalen und T-Shirt versuchen. Mitten im Sommer, mitten in Griechenland rechnen viele nicht damit, plötzlich Minusgrade ertragen zu müssen.

Oberhalb des Zolota-Refugiums wird die Landschaft karg. Zum ersten Mal ist Schnee zu sehen, bald gibt es kaum noch Vegetation zwischen dem Geröll. Dafür sind jetzt erstmals die Brüste der Aphrodite zu sehen – so nennen die Nationalpark-Mitarbeiter zwei fast identisch geformte Bergkuppen, die nebeneinander liegen. Von seinem Stefani-Thron kann der alte Zeus ungestört daraufstarren, stundenlang, tagelang, Kabelfernsehen für die Götter. Vielleicht kam er deshalb ständig auf die Idee, sich in einen Vogel zu verwandeln, bei einer schönen Sterblichen ans Fenster zu schnäbeln und den nächsten Halbgott zu zeugen.

Bedrohlich ragt jetzt der graue Stefani in die Wolken, ein Bussard zieht davor seine Kreise. Ob es der Obergott persönlich ist? Und was ist das für ein Donnergeräusch von oben? Glück gehabt, nur ein Flugzeug.

Quelle: Spiegel.de

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Ein Kommentar

  1. Lieber Jörg! Euer Olympbericht erinnerte uns an unseren Besteigungsversuch im September 2008. Hier ein Auszug aus meinem Tagebuch:
    Ein erklärtes Ziel für uns Alpenländler war der sagenhafte Berg Olymp, der Sitz der griechischen Götter. Er hat insgesamt 6 Gipfel, von denen mit 2.918 m der Mytikas der höchste ist. Er ist der östlich höchste Berg Europas (der vorletzte ist der von uns schon erstiegene Hochgolling/2.862 m in den Niederen Tauern/Österr.). Er ist von schönen dichtgrünen Eichen-, Buchen-, Ulmen- und sogar Tannen-Wäldern umgeben (so viele schöne große Tannen gibt es bei uns zuhause nur mehr wenig). Darum ist sein Gebiet auch ein Nationalpark mit ganz strengem Naturschutz. Sein Pflanzenreichtum mit ca. 1.500 erfassten Arten – davon viele endemisch – macht ihn für Naturliebhaber und -forscher äußerst attraktiv.
    Vom Küstenort Litóchoron (in der Bedeutung ähnlich wie Zermatt/CH) führt ein kurvenreiche gute Forststraße entlang der atemberaubenden Vithos-Schlucht hinauf bis zur Rasthütte Prióna in 1.100 m Höhe.
    … und als habe Zeus – der Wolkenversammler – noch seine Hand im Spiel, bleiben die Gipfel des Olymp das Jahr über meist geheimnisvoll verhüllt. Auch uns wollte er ein Gewitter schicken, beließ es aber dann gnädigerweise nur bei leichtem Donnergrollen und Dauerregen. An einen Aufstieg zur ersten Schutzhütte Spilios Agapitos in 2.100 m war daher nicht zu denken. Ein Stündchen bergauf – mit Hut und Annorak – ließen wir uns aber doch nicht nehmen, querten Bäche und waren begeistert vom schön angelegten Weg durch den Wald entlang der vom Regen glänzend gewaschenen, braunroten Kalkfelsen. Immer wieder leuchteten unter den Büschen violette Flecken mit Zyklamen, die hier erst im Herbst blühen.
    Dann kehrten wir bei der Rasthütte Prióna ein und ließen uns eine warme Suppe mit weißen Riesenbohnen gut schmecken. Als wir wieder unten schon fast an der Küste waren, riss die Wolkenhaube auf und Zeus winkte uns höhnisch vom Bergkamm herunter zu – na warte – wir kommen wieder!!
    Herzliche Bergsteigergrüße aus Salzburg
    Von Wielant & Sylvia

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