„Jeder ist Ausländer. Fast überall.“
Wohl jeder kennt diesen Satz – und wohl auch jeder nickt diese Aussage ab. Ist ja nun mal auch nicht zu widerlegen. Da fragt man sich nur, warum sich die Wenigsten auch dementsprechend im Ausland benehmen. Nämlich respektvoll, höflich, zurückhaltend, eher beobachtend als vorpreschend und außer mit den grundlegendsten Sprachkenntnissen auch noch mit einer kleinen Prise Demut ausgestattet?
Macht Ihr das zu Hause auch?
Wie oft erlebt man – nicht nur hier auf Kreta, sondern überall auf der Welt – Touristen, die sich benehmen, wie die Axt im Walde. Die herumpoltern, auf ihrem „Recht“ bestehen, in ihrem Urlaub schließlich tun und lassen zu können, was auch immer sie wollen. Die sich anziehen, dass es auf Einheimische einfach nur provokant wirken muss – oder im schlimmsten aller Fälle sich eben nicht anziehen, sondern in Badehose durch´s Dorf, den Supermarkt, die Taverne schlendern und glauben, das sei alles normal, weil in meinem Urlaub ja bitte alle sehen sollen, wie locker ich drauf bin. Und so locker haben die anderen auch zu sein – schließlich bin ich ja hier im Urlaub und „die“ kriegen mein Geld.
Da fragt man sich als fassungsloser Beobachter doch: „Machen die das zu Hause auch? Laufen die dort auch so rum, benehmen die sich da auch so?“ Und was wäre, wenn’s umgekehrt wäre? Wenn in ihrem Heimatland Menschen auftauchen würden, die sich genauso daneben benehmen würden, wie man selbst als Tourist im Ausland?
Kommunikation ist wichtig
Und natürlich ist auch das Thema „Sprache“ ein wichtiger Faktor. Denn, geht es nach dem Touristen, hat der Gastgeber natürlich ganz selbstverständlich die Landessprache des jeweils Urlaubenden zu sprechen, oder doch zumindest ein gediegenes Englisch. Deutsch und Französisch am Besten auch gleich noch, denn das sind meist die Touristengruppen, die am fremdsprachenresistentesten sind und auch im hintersten Winkel der Welt erwarten, dass die Umgebung ganz selbstverständlich fließend in der touristischen Muttersprache parliert.
Umgekehrt wird ein Schuh draus, sollte man meinen. Sollte nicht der Tourist sich vor Reiseantritt wenigstens mit Begriffen wie „Guten Morgen, guten Tag, guten Abend, gute Nacht“ oder gerne auch „Bitte“ und „Danke“ in der Sprache seines Ziellandes vertraut gemacht haben? Idealerweise vielleicht auch noch ein paar Bröckchen mehr für den täglichen Gebrauch?
Man misst mit zweierlei Maß
Die Erwartungshaltung an das Gastland ist durchgängig sehr hoch – aber wie ergeht es einem Fremden in unseren Heimatländern? Wer „anders“ aussieht, wird eh schon mal schräg angeschaut. Und wehe, wenn derjenige nicht sofort fließend die Landessprache spricht, sich – eventuell auch aus Unwissenheit – anders benimmt, als man das von ihm verlangt. Dann ist aber was los – denn DAS geht ja gar nicht! Nicht bei uns, also bei uns nicht! Da könnte ja jeder kommen, pffffft! Aber DAS ist ja dann gaaaaaaanz was anderes…..
Knapp 80 Millionen Deutsche regen sich auf, wenn ein Ausländer beim Bäcker nicht „Guten Morgen“ sagen kann und dann nicht mal in der Landessprache artikulieren kann, was er denn gerne möchte, sondern eventuell nur darauf deutet. Aber für 80 Millionen Deutsche ist das für sie im Ausland absolut akzeptabel – der Bäcker will ja schließlich mein Geld!
Aber es geht nicht nur um Touristen, sondern auch um Menschen – und jetzt reden wir nicht mehr allgemein, sondern ganz konkret von Kreta – die dauerhaft hier leben. Von denen man meinen könnte, sie wollten ihr Leben „daheim“ ganz genauso fortführen wie bisher – nur bitte mit schönerem Wetter und netteren Menschen. Mit letzteren braucht man gar nicht mal richtig kommunizieren zu können, den Gratis-Raki nach dem Essen gibt´s ja sowieso. Wieso, weshalb und warum? Nicht mal DAS interessiert! Aber wehe, der Gratis-Raki „danach“ bleibt mal aus! Wir haben es schon erlebt, dass ebendieser dann doch tatsächlich eingefordert wurde! In welcher Sprache? Nun, da wird einfach nur ein entsetzt-fragendes Gesicht aufgesetzt und „my Raki??!?!!!?“ gefragt. Da möchte man einfach nur aus Scham im Boden versinken!
Wir reden hier über Menschen, die schon viele Jahre, gar Jahrzehnte hier leben, sich hier Häuser gebaut haben (die diesbezügliche Gesetzeslage lassen wir jetzt hier mal außen vor), die, falls sie sich nur einige Monate im Jahr hier aufhalten, diese Häuser auch gerne unter der Zeit mal „unter der Hand“ untervermieten, auch ansonsten mit ihren ebenfalls hier ansässigen oder auch nur touristischen Landsleuten „Business“ machen und sich einfach überhaupt nicht um die Einheimischen scheren. Dass man beim lokalen Supermarkt einkaufen geht und nicht immer nur zum Discounter an der Nordküste fährt ist ja schließlich schon „authentisch“ genug.
Selbstgewählte Abgrenzung statt aktive Integration
Man bleibt unter sich, man spricht in seiner Sprache, man schottet sich ab von den Griechen. Es sei denn, man will/braucht etwas von ihnen – aber da wird dann gerne (sofern das Thema wichtig genug ist) auch mal ein Übersetzer mit hinzu gezogen. Ansonsten will man seine Ruhe, die legendäre und sprichwörtliche kretische Gastfreundschaft bis zum Anschlag in Anspruch nehmen und sich auch nicht weiter am lokalen Leben beteiligen.
Weiterhin beim Bäcker auf das Produkt des Begehrens deuten und „Das da!“ sagen – oder wahlweise „nein, das daneben!“ und hoffen, dass die bemühte, aber leicht ratlos wirkende Bäckereifachverkäuferin schon das richtige aus der Auslage angeln wird. Gilt auch beim Schlachter, Eisverkäufer etc. Traurig, das – finden wir!
Traurig auch und vor allem, weil diese Menschen niemals erfahren werden, was eine echte kretische Parea so ausmacht. Schön beschrieben in Reinhard Mey’s „Tris karekles“: „Da ist kein Misstrauen, da ist kein Neid, da ist Frieden, da ist Zeit, der Wirt, der mit den dicken Kaffeetassen klirrt, nichts ist Berechnung, nichts bedacht, alles aus Freundlichkeit gemacht, das ist ein Ort, an dem dein Herz gesunden wird.“
Die Kleinen machen’s vor
Und auf der anderen Seite ist zu beobachten, wie die Integration und der Wille dazu von Seiten der Kreter wunderbar funktioniert. Alleine in unserem 2.000-Seelen-Dörfchen leben Menschen aus ca. 40 Nationen – und alles funktioniert wunderbar, wenn alle sich an die lokalen Spielregeln halten.
Ein weiteres tolles Beispiel ist der Blick in eine x-beliebige Kindergarten- oder Schulklasse hier: da lernen und qualmen griechische Kinderköpfe neben albanischen, bulgarischen, rumänischen, chinesischen, ukrainischen, englischen und deutschen Schülerschädeln. Alle können sich wunderbar verständigen, denn alle sprechen Griechisch, Freundschaften werden geschlossen und zwar vollkommen unabhängig von der Herkunft der Kumpels bzw. ihrer Eltern und all das wird als vollkommen normal erachtet. Was es ja eigentlich auch ist bzw. sein sollte.
Warum nur funktioniert das anderswo nicht?
Bravo Susanne, Recht hast Du.
Das ist eben der geliebte Winter: Bollerofen, endlich Zeit für nette Parea mit höflichen Menschen und das Schönste ist – man muß sich so was, wie dieses reizende Exemplar auf dem Foto, nicht mehr ansehen. Die Geste der Dame im Hintergrund sagt ja alles; fehlt nur die Sprechblase darüber: Παναγία μου!