Nun haben die EU-Technokraten, Finanzminister und sonstige schlaue Ökonomen die „Griechische Finanzkrise“ mit der Auszahlung der letzten Milliarden-Tranche vor ein paar Wochen ja nun mal als beendet erklärt. Wobei – „erklärt“ ist da wohl das falsche Wort, ist doch irgendwie gar nix er- oder ge-klärt, wenn man hier in Griechenland lebt.
Mag sein, dass Griechenland nun keine „EU-Hilfen“ mehr braucht (die eh zu über 95% immer wieder postwendend an die „Geber“ zurück geflossen sind…) – auch das ist reine Augenwischerei. Fakt ist allerdings, dass „DIE KRISE“ grade erst richtig in Schwung kommt. Also so beim Otto-Normal-Jannis, der hier am Existenzminimum rumknapst.
Sowas oder sowas ähnliches haben sich auch Forscher des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) gedacht und untersuchten die Bedingungen für in Griechenland ansässige Unternehmen. Und – Überraschung! – diese haben sich zum Teil sogar verschlechtert.
Hier nur ein Auszug aus einem Artikel von David Böcking im Spiegel online:
„Grün ist die Hoffnung, doch grün ist Mangelware im Schaubild von Alexander Kritikos. Allein das Wort „Arbeitsmärkte“ hat der Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in grüner Farbe markiert. Von den vielen Reformen, die Griechenland als Gegenleistung für Finanzhilfen zusagen musste, seien nur diese wirklich umgesetzt worden. Heute sei der griechische Arbeitsmarkt „so flexibel wie in keinem anderen europäischen Land“. (Anm. d.Red: Amerika lässt grüssen, denn die „hire-and-fire“-Mentalität hat sich auch hier bestens durchgesetzt. Nur heißt das heute halt „flexibler Arbeitsmarkt“…).
Doch Justiz, Verwaltung, Steuersystem? In diesen und weiteren Bereichen ist nach Ansicht von Kritikos und seinen Co-Autoren Lars Handrich und Anselm Mattes viel zu wenig passiert. In einer am Mittwoch vorgestellten Studie kommen sie zum Schluss, dass die Potenziale der griechischen Privatwirtschaft weiterhin brachliegen. Noch immer liege die Wertschöpfung griechischer Unternehmen auf 62 Prozent des Vorkrisenniveaus. Griechenland stecke „seit zehn Jahren in der Krise“, sagt Kritikos“.
Komisch nur, dass Athen und Brüssel das wohl ganz anders sehen, oder zumindest propagieren, denn mit dem Ende des 3. Hilfsprogrammes sei die Griechenland-Krise nun endlich vorbei, glaubt man Vertretern der EU und der griechischen Regierung.
HEUREKA! Dann ist ja alles ganz wunderbar im Land der Hellenen, sollte man meinen. Die griechische Wirtschaft weist wieder „Primärüberschüsse“ auf, die Lohnstückkosten (und somit vermutlich auch die „Personal-Stück-Kosten“…) sind deutlich gesunken – wir sind auf dem besten Weg!
Aber wie sieht der Alltag der Griechen im Jahr 2018 aus?
Wartezeiten auf Rechtsurteile sind von gut 2 Jahren (2008) über 4,5 Jahre (2017) auf mittlerweile 10 Jahre angestiegen. Ein Killer für investitionsbereite Unternehmer, die Rechtssicherheit für Ihre Tätigkeit brauchen und diese im Europa 2018 auch als selbstverständlich annehmen sollten. Ist halt nur nicht so….
Das Steuersystem ist nach wie vor extrem unzuverlässig und so volatil wie vorher, nur eben mit stark erhöhten Steuersätzen, deren Genese nicht nur dem Jannis-Normal-Griechen ein Rätsel ist, denn auch die Gesetze, Steuersätze und Bemessungsgrundlagen ändern sich ständig und sind deshalb für Firmen nicht planbar.
Kein Wunder, dass viele Unternehmen aufgrund dieses Rumge-eieres zwischen Umsatz-, Unternehmens-, Einkommens- und Vermögensteuern sowie Sozialabgaben einfach eben mal in die (derzeit noch) günstigeren Nachbarländer (Albanien, Rumänien, Bulgarien & Co.) abwandern.
Der Mindestlohn für eine komplett sozialversicherte Angestelltentätigkeit bei regulärer 40-h-Woche ist 560,- Euro/Monat. Blöd nur, wenn die 1-Zimmer-Wohnung in der Sommersaison schon 500 Euro oder mehr kostet (ein großer Dank geht dabei auch an Airbnb und seine Nutzer!).
Noch dazu ist die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft mangelhaft – Wissen versickert einfach oder bleibt da, wo es entstanden ist. Und die Wirtschaft wundert sich, warum da nix geht….
Da kann man schon mal an den wunderbaren Prognosen für Hellas zweifeln, denn u.a. hängen diese Wachstumsdaten auch stark am Tourismus – einer Branche mit erheblichen Schwankungen.
Tourismus – einer Branche mit erheblichen Schwankungen
So zu beobachten vor allem jetzt in der Hauptsaison 2018. Leere Strände, leere Tavernen, volle Airbnb-Unterkünfte, halbleere Hotels (nun ja, ausser vielleicht in den absoluten touristischen Ballungszentren an der Nordküste Kretas – Malia, Georgioupolis und Chersonissos lassen grüßen…).
Und wieder werden Gründe dafür gesucht – bzw. „Schuldige“, denn es sind ja immer die anderen schuld. Entweder ist es FRAPORT mit seinen neuen Tarifen, Ryanair mit seiner Sparbrötchen-Gewinnmaximierungs-Politik, das Wetter, das dieses Jahr dafür sorgt, dass seit Mai in ganz (Nord-)Europa tropische Temperaturen herrschen und die Leute deswegen nicht mehr in Urlaub fahren, dass die potenziellen Kunden entweder gar kein oder viel zu viel Geld haben, um überhaupt hierher zu kommen – Schuld sind allemal alle anderen und nicht man selbst. auch wenn man einfach seit 25 Jahren genau dasselbe macht. Ging doch immer – warum denn jetzt nicht mehr?
Und was meint Kostas? „Die Türken sind schuld. Sie werten die Lira ab, um Touristen anzulocken und Griechenland zu schaden.“
Oder sind besagte Touristen einfach nur satt? Sie wollen keine opulenten Menüs mehr, sie wollen vor allem kein Auto fahren, sie wollen am Liebsten gar niemanden mehr sehen, aber trotzdem bitte gerne die griechische Gastfreundschaft in all ihren Facetten genießen. Und wehe, es gibt anschließend keinen Raki vom Haus…!
Was tun die lokalen Tourismus-Behörden?
Hinzu kommt, dass offensichtlich auch von Seiten der Stadtverwaltung(en) kaum etwas gemacht wird. Die Touristen-Information ist auch jetzt – Mitte August 2018 – noch mit einem Schild „closed for winter“ bestückt, Musik-Events, Kunst und Kultur sind ebenfalls Fehlanzeige.
Eventuell wird auch dieses Jahr der „internationale Tourismustag“ groß begangen (ein einziger Samstagabend im September). Ach ja, und da war ja auch noch das große, immer wiederkehrende Schachtournier. Ups, und Xaroulis in Kandanos, ja, der war ja auch da. Und nächste Woche das „Kallitsounia“-Fest ebenda. Das war´s dann aber auch schon so ziemlich. Naja, Psarantonis kommt auch noch nach Sougia – das sind so die Highlights der touristischen Saison im äußersten Südwesten Kretas.
Es ist Mitte August, normalerweise Ausnahmezustand, da auch alle Griechen im Sommerurlaub sind und den 15. August entsprechend begehen wollen. Und hier? Nix! Aber gar nix. Außer vielleicht ein paar Touristen, die mit einem 6×1,5 Liter Gebinde Wasser, einem Sixpack Bier, ner Flasche Wein und/oder Raki und ein, zwei Tüten Chips in Richtung Hotel unterwegs sind, um ebenda einen kuscheligen, lauen Sonnenuntergang auf dem Balkon zu genießen.
Ach ja, und an diesem Wochenende auch noch die Sternschnuppen der Perseiden – ganz unpolitisch und unorganisiert, was ja prinzipiell gut zu Griechenland passt (vor allem Letzteres…).
Ausnahmefälle sind hier in der Region noch die beiden Campingplätze, denn zumindest der Campingplatz Grammeno ist brechend voll – die Autos parken in Zweierreihen sogar entlang der Straße. Und das sind keine ausländischen Touristen – das sind Griechen, die sich eine „normale“ Zimmervermietung einfach nicht mehr leisten können!
Was läuft falsch in Hellas?
Ist es Ignoranz, Arroganz, Apathie oder Depression? Sind die Griechen von sovielen aufoktroierten Reformen einfach zu müde, um selbst aktiv zu werden? Worauf wartet man? Warum hat man nicht, wie z.B. Portugal dereinst, einfach Alternativvorschläge zu den Troika-Forderungen gemacht, sondern einfach alles geschluckt und Besserung gelobt?
Wie soll sich unser lieber Freund Wassilis mit seiner 360-Euro-Rente über Wasser halten, wenn er nicht noch nebenbei fischt, Schnecken und Kräuter sammelt, seine eigenen Karnikel schlachtet und verkauft – natürlich an der Steuer vorbei?
Wie soll man, wenn man überhaupt das „Glück“ hat, einen Saisonarbeitsplatz zu bekommen, mit 5 Euro/Stunde über die Runden kommen – egal, wie gut ausgebildet man ist, wieviele Sprachen man spricht und wie bewandt man in IT-Themen ist?
Zumindest in zwei Bereichen sehen aber zumindest die Forscher ein gewisses Potenzial: Zum einen verfüge die griechische Wirtschaft über eine Reihe schnell wachsender Unternehmen. Diese fänden sich besonders in der Logistikbranche sowie bei wissensintensiven Dienstleistungen wie der Informationstechnologie. Zum anderen habe Griechenland nach wie vor ein starkes Bildungs- und Wissenschaftssystem. (Anm.d.Red.: ein echter Schenkelklopfer – Treppenwitz des Jahrhunderts!)
Alle schlauen Köpfe fliehen in´s Ausland – das Bildungssystem ist so marode wie es maroder nicht sein könnte. Okay, wenn man sich das „Frontistirio“, die nachmittäglichen Nachhilfestunden, leisten kann, bekommt man sein mehr oder minder begabtes Kind vielleicht durch die „Panhellenischen Prüfungen“. Aber was ist mit den Menschen, die absolut intelligente Kinder aufziehen, aber leider nicht über die finanziellen Mittel verfügen, diesen Kindern die Nachhilfe zu ermöglichen? Keine Chance.
Die Krise ist vorbei? Nein – sie fängt grade erst richtig an – die Konsequenzen schlagen jetzt erst richtig durch! Traurig, aber wahr.
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