Krise und Not machen ja nun mal generell erfinderisch bzw. lassen die Menschen sich wieder auf „gute alte Zeiten“ und Traditionen besinnen. So auch gerade hier auf Kreta, wo man sich seit ein paar Jahren schon wieder auf die Frucht des Johannisbrotbaumes – „Carob“ oder auf griechisch „Haroupia“ (Χαρούπια) – besonnen hat.
Diese „Kretische Schokolade“, wie die Einheimischen die Frucht auch nennen, ist aufgrund ihrer vielfältigen Verwertungsmöglichkeiten in den letzten drei Jahren zu einem absoluten Renner der kretischen Ernährung avanciert.
Das „Fruchtfleisch“, das sogenannte „Carob“, ist anfangs weich und aromatisch-süß, wird später hart und ist dann lange haltbar. Das Wort stammt vom arabischen „Charrūb“. Früher waren auch die Synonyme „Bockshorn“ und „Soodbrot“ verbreitet, in Österreich wird die Pflanze auch „Bockshörndlbaum“ genannt. Im Monat September ist die Haupterntezeit, in der, wie mancherorts bei der Olivenernte, mit Stöcken gegen die Zweige geschlagen wird, damit die reifen Fruchtbündel mit dunkelroter, fast schwarzer Färbung zu Boden fallen.
Das vorzeitige Abschlagen der Früchte ist notwendig, da diese sonst erst überreif vom Baum fallen und durch die oft zwischenzeitlich erfolgte rasche Feuchtigkeitsaufnahme sehr fäulnisanfällig wären. Der Einsatz von Vibrationsmaschinen ist nicht möglich, weil Stamm und Äste dick und damit unflexibel und bruchanfällig sind. Doch auch beim manuellen Abschlagen muss darauf geachtet werden, die neuen Blütenansätze nicht zu beschädigen.
Der Ertrag liegt im jahrzehntelangen Mittel bei durchschnittlich rund 75 kg je Baum. Jedoch sind Ernten von 100 bis 200 oder gar 250 kg bei besonders kräftig und isoliert herangewachsenen Bäumen keine Seltenheit.
Die nahrhafte Hülsenfrucht wird in ländlichen Gegenden frisch oder getrocknet verzehrt, zu Saft (Kaftan) gepresst, zu Sirup verarbeitet oder zu alkoholischen Getränken vergoren. Auch der Kaftanhonig wird aus dem Johannisbrot gewonnen. Das Fruchtfleisch wird oft zu Carobpulver vermahlen und erinnert durch seinen Zuckergehalt und das spezielle fruchtig-karamellige Aroma des Pulvers geschmacklich an Kakao, ist aber nicht so bitter. Im Unterschied zu Kakao ist Carobpulver aber sehr fettarm und frei von anregenden Substanzen wie Koffein oder Theobromin. Gut verschlossen ist es über mehrere Jahre haltbar.
Das ballaststoffreiche, fettarme Pulver enthält Vitamin A, B, Calcium und Eisen, wodurch es als diätetisches Lebensmittel und für Kinder geeignet ist. Dies sollte allerdings nicht überbewertet werden, da man normalerweise nur geringe Mengen verzehrt.
Johannisbrot – Gesundheit pur
Das entzuckerte Fruchtmark des Johannisbrotbaums ist reich an unlöslichen Ballast- und sekundären Pflanzenstoffen. Sein Verzehr kann bei gesunden Menschen zu einer kurzfristigen Senkung der Blutfettwerte beitragen und gleichzeitig die Fettverbrennung anregen (und ist als Kaminanzünder hervorragend geeignet. Anm. der Scheffredaktion).
Carobpulver kann Kakaopulver in allen Funktionen ersetzen. Es eignet sich für Marmorkuchen genauso wie für Mousse, Pudding oder Milchmixgetränke. Hauptsächlich in Bio-Märkten ist ein Nougat-ähnlicher Aufstrich erhältlich, der ca. 20 % Carobpulver enthält. Überwiegend wird Carob heute allerdings (noch) als Tierfutter verwertet.
Schon seit dem 19. Jahrhundert wurde Johannisbrotmehl als Ersatz für Kakao und zur Herstellung von Alkohol und anderen zuckerhaltigen Produkten verarbeitet. Im 20. Jahrhundert begann die industrielle Verarbeitung der Früchte als Kaffeeersatz und Tierfutter.
So, da wir das nun alles wissen, ist auch etwas verständlicher, was uns die Chaniapost.eu heute mitgeteilt hat, nämlich dass es derzeit wohl fast kein Johannisbrot mehr auf Kreta gibt (von den Früchten unserer drei Riesenbäume im Garten mal abgesehen, aber pssssssssst – nicht weitersagen!!!).
Besonders im letzten Jahr war die Nachfrage nach diesen Früchten größer als je zuvor, weswegen einige kretische Johannisbrot verarbeitenden Unternehmen diese Rohstoff nun in großen Mengen aus anderen Gegenden Griechenlands beziehen müssen.
Johannisbrot aus Rethymno
Ilias Manousakas, ein Unternehmer aus Rethymnon, der aus Johannisbrot unter anderem Nudeln, Gebäck, Nuss-Nougat-Brotaufstrich, Balsamicosauce, Seife, Tee, Kakao und Kaffee herstellt, erklärte in der TV-Sendung “Crete Today”, dass immer mehr Kreter zum traditionellen Anbau von Johannisbrotbäumen zurückkehren – eine Tradition, die über die letzten Jahrzehnte fast komplett in Vergessenheit geraten war.
So gab es vor einigen wenigen Jahren lediglich 2 oder 3 Bäckerein auf Kreta, die Johannisbrotprodukte wie Brot, Kekse und Knäckebrot herstellten – nun schätzt Manousakas die Anzahl solcher Bäckereien auf ca. 300 – Tendenz steigend…. Allein diese Bäckereien benötigen vermutlich die komplette kretische Johannisbrotproduktion!
Viele alte und quasi vergessene Johannisbrotbäume in kretischen Dörfern wecken Begehrlichkeiten bei Produzenten und damit einhergehend werden die Früchte nicht mehr wirklich geerntet, sondern eher schon ausgerottet.
Doch gleichzeitig gibt es immer mehr junge Landwirte, die sich auf den Anbau dieser Bäume konzentrieren, deren Bedürfnisse und Eigenschaften ideal an den kretischen Boden und das Inselklima angepasst sind.
In ganz Griechenland werden ca. 17.000 Tonnen Johannisbrot pro Jahr produziert, ungefähr 5% der weltweiten Gesamtmenge von 300.000 Tonnen. Der Preis pro Kilogramm Johannisbrot liegt derzeit im Mittel zwischen 23 und 30 Eurocent – gar nicht so schlecht, wenn man bedenkt, dass ein Baum bis zu 300 kg der Früchte liefern kann!
Quellen: Chaniapost.eu, Wikipedia, neakriti.gr und ein Blick in unseren Garten.